Maßloser Pöbel, Schnappatmung und geschlagene Esel

peasant's war

Mâze [ˈmaːsə] ist ein mittelhochdeutsches Wort für Maßhalten, Mäßigung. Es kennzeichnet die durch „zuht“ (lebenslange Selbsterziehung) erreichte Ausgewogenheit zwischen zwei Extremeigenschaften, welche die gottgewollte Ordnung zerstören.

Wir müssen uns wieder den dahingaloppierenden Weltläuften widmen. Immer nur harmlose Reisebilder geht gar nicht. Wir haben also die Bauern und die AfD, beides in den Augen der konterrevolutionären deutschen Journaille der Pöbel.

Denn der Pöbel besitzt und kennt kein Maß. (Martin Luther: Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können, 1526)
Was hätte der Bauern-Mob in Schleswig-Holstein mit Habeck gemacht, wenn sie ihn in die Finger bekommen hätten? Die Landwirte müssen sich mäßigen.“ (Taz, 2024)

peasant's war

Die Sache mit der AfD ist einfach. Ich kriegte eine E-Mail von Kölner Studenten (die sich natürlich anders nennen, aber so weiß man pfeilgrad, wie man in Bayern sagt, mit welcher Mischpoke es zu tun hat): „…Auch der AStA der Universität zu Köln hat von den Rechercheergebnissen des Kollektivs correctiv zum „Masterplan Remigration“ erfahren. Wie weite Teile der Gesellschaft sind wir schockiert von dem unverhohlenen Rassismus bei diesem Treffen zahlreicher rechter Funktionäre. Leider war mit Dr. Ulich [sic] Vosgerau auch eine Person an der widerlichen Veranstaltung beteiligt, die sich damit rühmt, Privatdozent an der Uni Köln zu sein. Die Universitätsverwaltung prüft aktuell, inwieweit die Voraussetzungen dafür noch vorliegen. Wir fordern, dass sie infolgedessen die nötigen Schritte trifft, jegliche Kooperation einzustellen und seine Assoziation mit unserer Uni zu unterbinden.“

Was für widerliche Blockwarte. Sie fordern also Berufsverbot für politische Meinungen. Dafür haben wir früher immer die Rechten bekämpft. Wenn der Bundeskanzler fordert: „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“, kommt das auf die Titelseiten. Wenn braun gebrannte Pappkameraden genau das auch fordern, kriegen die üblichen Verdächtigen (die „Vorständin“ sagen) Schnappatmung.

Die Fantasien der Herrschaften auf dem Umfeld der AfD, Leute zum Auswandern zu zwingen, sind ohnehin Unfug und scheitern an der Rechtslage. Unsere arabischen Clans (wenn ich das schreibe, bin ich natürlich Rassist) bestehen vorwiegend aus deutschen Staatsbürgen, und das Grundgesetz verbietet, Deutschen die Staatsbürgerschaft zu entziehen. (Das versucht man nur bei Linken.)

Ich würde aber sofort zustimmen, dass Leute ausgewiesen werden, die sich gar nicht in Deutschland aufhalten dürfen. In Deutschland leben rund 1,2 Millionen Menschen „ohne Aufenthaltstitel“. Dazu kommen rund 700.000, die einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis gestellt haben. Also so viele wie die Großstädte München und Nürnberg zusammen München. Vielleicht werden es noch mehr, wenn wir alle Antisemiten und Judenhasser aus dem Gazastreifen aufnehmen. In Berlin gibt es sogar einen kompletten Abschiebestopp, vermutlich weil es in den Ländern, in die abgeschoben werden soll, zu kalt ist.

Merke: Man darf fordern, Leute abzuschieben. Man muss es ja nicht wie Stalin machen.

Übrigens: Die am Treffen vertretenen AfD-Politiker «bekennen sich hier, unbeobachtet von aussen, frei zu völkischen Idealen; es lassen sich keine wesentlichen Unterschiede zu den Positionen extremistischer rechter Ideologen feststellen», schreibt Correctiv in dem langen Beitrag, an dem insgesamt achtzehn Personen mitgewirkt haben.

Völkische Ideale vertritt auch, wer von einem „palästinensischen Volk“ schwafelt, das ein Volk ohne Raum sei und einen eigenen Staat brauche.

peasant's war

Mir reicht es zum Thema. Also die Bauern. Die Proteste sind natürlich Klassenkampf, der sich in verschiedenen Ländern verschieden äußert. Aber was soll dabei herauskommen? Das System wird nicht angekratzt, nur abgefedert. Das ist so ähnlich wie – im Bonsai-Format – bei den Fluglotsen und Lokführern, die bessere Gewerkschaftsführer haben als die Angestellten im öffentlichen Dienst.

Der Bauernprotest weist die Herrschenden in ihre Schranken, falls er Erfolg hat. Das ist immer gut. Mehr muss man nicht wissen, um solidarisch zu sein.

Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierteren Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern. (Friedrich Engels: Der deutsche Bauernkrieg)

Leider sind die Zeiten vorbei.

peasant's war

Drum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken, dass nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann denn ein aufrührischer Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss. – Der Esel will Schläge haben, und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein.“ (Martin Luther: Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, 1525)

Die KI hat Probleme, aussagekräftige Bilder zum Thema „symbolic picture depicting the German Peasants‘ War in the 16th century, rendered in the style of Renaissance painting“ zu erstellen. Beim 2. Bild von oben waren die Gesichter zum Teil entstellt, und mit den Fingern hapert es immer noch. Aber vermutlich war das vor 500 Jahren auch manchmal so. Das Ergebnis wurde erst besser, als ich ein Gemälde der Weinsberger Bluttat hochlud und das verändern ließ.

image_pdfimage_print

Kommentare

14 Kommentare zu “Maßloser Pöbel, Schnappatmung und geschlagene Esel”

  1. BEX am Januar 15th, 2024 6:48 pm

    @Burks: Danke für die Einordnung.

    „Die Fantasien der Herrschaften auf dem Umfeld der AfD, Leute zum Auswandern zu zwingen, sind ohnehin Unfug und scheitern an der Rechtslage. Unsere arabischen Clans (wenn ich das schreibe, bin ich natürlich Rassist) bestehen vorwiegend aus deutschen Staatsbürgen, und das Grundgesetz verbietet, Deutschen die Staatsbürgerschaft zu entziehen. (Das versucht man nur bei Linken.)“

    Formell wurde auch die Weimarer Verfassung nie ausgesetzt. Trotzdem wurden 1933 und 1934
    de facto alle Kontrollmechanismen geschleift.

  2. Juttipat am Januar 15th, 2024 7:11 pm
  3. Godwin am Januar 15th, 2024 7:42 pm

    „Die Proteste sind natürlich Klassenkampf,“

    Sind sie das?
    Die Agrarkapitalisten bemühen ja gern noch das ständische Denken – Bauernstand, mit entsprechender eigener Tradition, eigenen Privilegien usw…
    Dient halt freilich der Verschleierung der kapitalistischen Lebenswelt.

    An den Protesten finde ich freilich zunächst einmal gut, dass sie überhaupt stattfinden.
    Bestätigt aber halt meine These, dass nicht die, die nur noch ihre Ketten zu verlieren hätten, rebellieren
    (auch Ketten sind eine Art Statussymbol im „System der Dinge“ (Baudrillard) und die will man dann ungern auch noch verlieren),
    sondern eben jene, die – nachdem sie den Kapitalismus gewählt haben – nun feststellen, dass im Spiel mit dem Teufel der Teufel gewinnt…

    man könnte fragen, ob das nicht die präventive Konterrevolution ist…

  4. Godwin am Januar 15th, 2024 8:40 pm

    Fefe hat was schickes dazu

    https://blog.fefe.de/?ts=9b5bf0b9

    War Burks evtl. heute live vor Ort und kann was zu geschätzten Teilnehmerzahlen sagen?
    Die Bilder erinnern ja ein wenig an Loveparade und die Angaben in den Lückenmedien und SM-Kanälen variieren doch arg stark

  5. admin am Januar 15th, 2024 9:04 pm

    Diese Durchschnittswerte sagen nicht viel aus.

  6. blu_frisbee am Januar 16th, 2024 12:30 am

    Der Große Austausch war 2011 frz. Literatur. Geheim ist nix (außer für Schnarchzapfen der Journaille).

    Kapitalismus will Großbetriebe. Formal freie Bauern werden Abhängige des Agrarkapitals. Sicco Mansholt.
    Die USA zeigen die Zukunft. King Corn.

    Nazis buchstabieren die Forderungen des Kapitals als „linken“ Kulturkampf (für manche personifiziert als bolschewistische Bankjuden).

    Will die Gesellschaft Landwirtschaft nichtkapitalistisch haben muß sie dafür zahlen.

  7. tom am Januar 16th, 2024 2:08 pm

    Nürnberg mit negativer Zahl von Einwohnern? München ca. 1,5 Mio.

  8. admin am Januar 16th, 2024 3:11 pm
  9. Godwin am Januar 16th, 2024 7:18 pm

    „Diese Durchschnittswerte sagen nicht viel aus.“

    doch doch
    im richtigen Kontext schon
    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/destatis-landwirtschaft-100.html

  10. Albert Rech am Januar 16th, 2024 7:32 pm

    @blu_frisbee
    Eine nichtkapitalistische Landwirtschaft gab es in der deutschen demokratischen Republik bis zum Anschluß an die sogenannte BRD.
    „Freie“ Bauern gab es dort zum Glück jedoch nicht, sondern Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften. Durch diese Organisationsform konnten unter anderem die Arbeit in der Landwirtschaft besser organisiert werden was nicht nur die Produktivität erhöht hat sondern den Beschäftigten in der Landwirtschaft auch ermöglichte Urlaub zu nehmen.
    Der „freie Bauer“ der auf seiner Scholle am Rand des Existenzminimums vegitiert ist alles andere als progressiv. Häufig verstehen sich diese Menschen als Kapitalisten und stehen einer progressiven Gesellschaft feindlich gegenüber, vor allen wenn Haus, Hof, Acker und Produktionsmittel vergesellschaftet werden.
    Bis zur Errichtung des antifaschistischen Schutzwalles haben sich viele dieser Bauern durch Republikflucht ihrer Verantwortung entzogen.
    Die Lösung für die Probleme in der Landwirtschaft kann also nicht darin liegen möglichst viele Kleinbauern zu erhalten, sondern diese kleinen Betriebe durch Vergesellschaftung zu vereinigen um die Produktivität zu steigern.
    Dabei dürfen natürlich nicht die Fehler gemacht werden die die deutsche demokratische Republik vor 1961 gemacht hat, so muß man z.B. rechtzeitig Maßnahmen ergreifen um zu verhindern das sich Fachkräfte ins reaktionäre Ausland absetzen.

  11. blu_frisbee am Januar 17th, 2024 7:10 am

    @Albert Rech: Auch die DDR war kapitalistisch. Staatskapitalistisch.
    Die Rechnung muß stimmen.

    Raushaun tut man zum Spaßvergnügen. Dafür lebt man eigentlich.
    Marx schrob: der Reichtum besteht in Freizeit.
    Freiheit beginnt erst nach der notwendigen Arbeit.

    Wenn Arbeiten so toll wäre würdens die Reichen nicht den Armen überlassen.

  12. Wolf-Dieter Busch am Januar 17th, 2024 1:12 pm

    Das Unwort Vorständin steht tatsächlich im Duden. Ich habs nicht glauben wollen.

  13. Wolf-Dieter Busch am Januar 17th, 2024 1:18 pm

    Die Fantasien der Herrschaften auf dem Umfeld der AfD, Leute zum Auswandern zu zwingen, sind ohnehin Unfug und scheitern an der Rechtslage.

    Falls solche Fantasien existieren, gehen sie jedenfalls aus dem Correctiv-Bericht hervor mangels Quellenangabe, wie Markus Langemann darlegt.

  14. Wolf-Dieter Busch am Januar 17th, 2024 1:19 pm

    Die Fantasien der Herrschaften auf dem Umfeld der AfD, Leute zum Auswandern zu zwingen, sind ohnehin Unfug und scheitern an der Rechtslage.

    Falls solche Fantasien existieren, gehen sie aus dem Correctiv-Bericht nicht hervor mangels Quellenangabe, wie Markus Langemann darlegt.

Schreibe einen Kommentar