Schuld und Reue, langandauernd

Auflauf
Nudelauflauf mit Mozarella und Tomaten à la Burks, etwas anders als das Original-Rezept

An manchen Tage kann man die Weltläufte das Zeitgeschehen nur ertragen, wenn man das mit dem Anblick nackter Weiber von etwas Schönem und Leckerem kompensiert. Beim sonntäglichen Frühstück las ich ein interessantes Interview im ehemaligen Nachrichtenmagazin mit Raj Kollmorgen über das Beitrittsgebiet über die Kontinuität von Mentalitäten und politischen Einstellungen. (Übrigens, „Spiegel“, was Kollmorgen beschreibt, kennen wir Gebildeten schon aus der Annales-Schule als éléments de longue durée, aber das können deutsche Journalisten natürlich nicht wissen).

Die Grünen machen im Wesentlichen Großstadtpolitik für ein vor allem bildungsbürgerliches Milieu. Die Linken sind mit ihrer Migrations und Diversitätspolitik für die meisten des Teufels und damit abgeschrieben. Die FDP ist etwas für soziale Milieus, die es im Osten so gut wie nicht gibt…

Full ack. Jetzt müsste man der „Linken“ sagen: Eure „Migrations“- und identitäre Politik ist totale Scheiße according to science, also lasst es. Aber sie werden noch nicht einmal zuhören.

Auflauf
A black oval shaped roasting pan seen from above filled with a casserole of melted mozzarella, penne and tomatoes, the dish has just come out of the oven and looks tasty and hot –ar 16:9 –s 750

Wir haben in Mitteldeutschland [sic] eine besondere Lage und Geschichte. Da ist etwa der Protestantismus. Das Luthertum hat eine spezifische politische Kultur begünstigt, die auf der einen Seite eine Einkapselung eigener heimatlicher Gemeinschafts- und Kulturvorstellungen beförderte und andererseits die Abkapselung der Mehrheitsgemeinschaft gegenüber Minderheiten und insbesondere ethnisch oder religiös Fremden. Das liegt nicht nur an Luthers Lehre selbst, sondern an deren Ausdeutung und Weiterentwicklung bis in den Nationalsozialismus hinein. Diese regionalen politischen Kulturelemente sind auch bei denen wirksam, die nicht religiös sind.

Luther. Bauernhasser. Ideologischer Lakai der herrschenden Feudalklasse. Antisemit. Also beleibt in Deutschland. Sag das mal jemand den Protestanten.

Kirschtorte
Kirsch- und Heidelbeertorte mit Mandeln nach Burksscher Art (eigenes Rezept)

Die Menschen haben sich ein dickes Fell zugelegt gegenüber den Volten einzelner Parteien, deren Führern und Ideologen, das interessiert sie nicht. Aber es interessiert sie auch nicht, was der SPIEGEL schreibt, was das ZDF in seinen Politikmagazinen verbreitet. Es hat eine Art von Immunisierung vieler Ostdeutscher gegeben gegenüber dem öffentlichen Diskurs, von dem sie vielfach glauben, er sei durch westdeutsche Eliten gesteuert. Gegenüber dem wahrgenommenen Ost-Bashing nach dem Motto: Die sind dumm, faul, gefräßig — und fast alle rechtsradikal, ist man teils abgestumpft, teils wird es als weiterer Baustein des »verlogenen
Systems« betrachtet.

Sag das mal jemand den Qualitätsmedien. Die werden gar nicht zuhören, weil ihr Klassenstandpunkt, auf den ein hiesiger Leser schon dankenswerterweise hinwies, das nicht erlaubte.

Kirschtorte
Round cake made of red fruits, the edge is decorated with almonds, there are lots of cream dots on top, realistic –ar 16:9 –s 750

Eine sehr schöne Erkenntnis in der bürgerlichen Presse: „Die Klima-Religion stößt in die Lücke, die das Christentum hinterlässt“.

Der Trend zur Ökologisierung der Theologie hält bis heute an. Vor allem die evangelische, aber auch Teile der katholischen Kirche machen den Klimaschutz zu einem ihrer Leitmotive – als wüssten sie ansonsten nicht mehr, wohin mit ihrem Glauben. Man kann sogar sagen: Es gibt eine Interdependenz zwischen der Entkirchlichung der Kirche und einer Vergöttlichung der Klimabewegung.

So sei die Diskussion über Klimaschutz von den Motiven der Schuld und Reue durchzogen: Man gibt sich selbst die Schuld an der Umweltzerstörung, bekennt sich öffentlich, zeigt Reue, leistet etwa durch Spenden für Umweltprojekte Wiedergutmachung, missioniert und stellt andere an den Pranger. Reinhardt spricht hier von einer neuen Form des Ablasshandels, einer regelrechten „Öko-Schuld-Industrie“.

Weil es eben die bürgerliche Presse ist, hat sie nur einen begrenzten Horizont und lässt die wesentlichen Fragen aus. Die Kirchen hierzulande stellen die Systemfrage nicht, sondern gerieren sich als weltanschaulicher Lautsprecher derjenigen, die den Kapitalismus nur reformieren, also verbessern wollen. Damit sind die noch nicht einmal so weit wie die Befreiungstheologie, sondern schlicht so reaktionär wie ihre „grüne“ Mittelklasse-Klientel.