Im Memoriam Helge

helge klockmann
Helge und ich auf der Jubelparade vor der Gedächniskirche am 27.1.1989

Ich habe leider erst heute erfahren, dass mein alter Freund Helge Klockmann am 12. April 2023 an Krebs gestorben ist. Wir kannten uns seit fast vierzig Jahren. Helge hatte gehofft, noch seinen 70-sten Geburtstag erleben zu können. Das war ihm leider nicht vergönnt.

männergruppe

Einige aus meiner Männergruppe, vermutlich 1986, an der Mauer in Kreuzberg. Wir machten damals die Zeitschrift Herrmann. Vgl. auch „Unter Männern“ (05.11.2018) Von links nach rechts: Heinz, Helge, ich, Enno und Martin (keine Ahnung, was aus ihm geworden ist). (Das ist nicht das Original-Foto, sondern eine eingescannte Kopie auf Papier.)

Vor zwei Jahren hatten wir noch unseren gemeinsamen Freund Heinz Sporkhorst in Havelberg besucht. Helge war von Beruf Dackdecker, hatte auch eine eigene Firma, aber nach einem schweren Unfall arbeitete er nicht mehr.

Helge konnte alles – was das Heimwerken angeht, bin ich im Vergleich zu ihm ein blutiger Anfänger. Als ich das Hochbett in meiner Wohnung fertig hatte, bat ich ihn, die Statik zu begutachten, und er nickte zufrieden. Auf sein Urteil konnte man sich verlassen. Bunte Glasfenster? Er hat sich selbst welche gebaut, als er in einem besetzten Haus wohnte. Bitterorangen einkochen? Habe ich von ihm gelernt.

helge klockmannhelge klockmann
Helge beim Requiem auf Heinz‘ Druckmaschine, November 2004

Plätzchen backen? Vor jedem Weihnachten war ein Besuch bei Helge Pflicht. Wer hat eine Bohrmaschine, die ein Loch in meine 49 Zentimeter dicke Mauer machen kann? Helge kam und bohrte es. Wer kriegt es hin, eine total verzogene Tür, die über Jahre in einem Keller lag, wieder so einzuziehen samt der Zargen, dass sie schließt? Ich muss mich nur umsehen, und erinnere mich an sein Grinsen, als er die Bescherung sah und seinen fachmännischen Blick: „Das kriegen wir hin.“

Noch im Frühjahr war er zur Kur in Sylt und hoffte, er könnte sowohl die Fibrose als auch den Krebs besiegen. Kurz danach habe ich ihn zum letzten Mal gesehen. Er brauchte eine halbe Stunde, um Treppen zu steigen und war dünn geworden. Man sah ihm die Krankheit an. Das machte uns Sorgen. Wir konnten aber offen reden. „Ich bin ein Überlebenskünstler“, sagte Helge immer.

Er hat nicht lange leiden müssen und konnte sich noch von seinen Geschwistern verabschieden. Nach meiner Israel-Reise versuchte ich ihn anzurufen, aber die Nummer war abgeschaltet. Ich ahnte schon, dass irgendetwas nicht stimmte.

Wir werden ihn nicht vergessen, oder, wie ich in Israel oft gehört habe: Möge die Erinnerung an ihn ein Segen sein.

helge klockmann
Helge, Martin, Enno und ich an der Berliner Mauer in S0 36, 1989

image_pdfimage_print

Kommentare

9 Kommentare zu “Im Memoriam Helge”

  1. ... der Trittbrettschreiber am November 9th, 2023 1:56 pm

    Ja, ja, die Männergruppen. Man begann, die Grünen zu wählen, ihnen beizutreten und alle Argumente, das sei einfach nur Arschkriecherei zugunsten der Frauengruppen, Frauenparkplätze -und selbstverständlich der heutigen ÖPNV-Frauenbusse oder zumindest den segregativen Abgrenzungen, zwar nicht rassitisch aber dennoch feministisch gemeint, wurden weggesoftet.
    Leider wurde damals noch nicht gegendert. Schade eigentlich, denn es wäre gewesen als hätte der Osterhase hingeschmissen, weil überall in den Männergruppenhosen bunte und weich- bzw. hartgekochte Eier ihr weit hörbares Glockenspiel hinter der akademischen Paywall manifestiert hätten.
    Heute sind es wieder die rechten Kerle mit Hipsterbart und E-Handy, die die Welt retten werden und wenn sie dereinst nicht gestorben sein sollten, wird es nur einem Industriezweig wirklich gut gehen – der Kotztütenproduktion.

    https://www.youtube.com/watch?v=AHowbio62JQ

  2. nh am November 9th, 2023 5:32 pm

    Lebt der Chapeau-Claque noch ?
    War damals beliebt als Unterbodenschutz bei unbeheizten Holzbänken (Briketts bitte mitbringen).
    Oberstes Bild :
    Mutig, schon damals gegen Herpesviren und Feigwarzen zu demonstrieren. Alter Anarchist.
    Zum Requiem
    Der gute Mann hat eine Zeit zwischen zwei Kriegen
    genossen, das Beste was ihm passieren konnte.
    Er hat jetzt Ruhe.
    @… der Trittbrettschreiber
    Jeverlieferung verpasst ?
    Bei Duttträgern kommt bei mir immer die Assoziation hoch ->Strampelhöschen -> Daumenlutschen.
    Dazu gibts eine feine Anekdote des Kiezneurotikers
    der leider seinen Account gelöscht hat, aber ich hab seine Äusserungen archiviert, deren viele. Ich finds nicht auf die Schnelle, aber aus dem Gedächtnis :
    Grünlinks geht in Berin im Park spazieren und versucht einen Obdachlosen zu bekehren, der wehrt sich dagegen.
    Die Hete feuert ihren ziegenbärtigen Dutti an:
    Björn-Torben, nu mach doch mal was !
    Letzter Belehrungsversuch auf Stuhlkreisebene endete mit zwei Veilchen, lockeren Zähnen und einer desillusionierten Frau.
    Ich schätze, dem ging eine schnelle Scheidung einher und Madame wechselte zum Lesbenlager um sich der toxischen Maskulinität zu entziehen.
    Vulvenmalen hat ja sowas von Zen…

  3. nh am November 9th, 2023 6:41 pm

    @Trittbrett
    Habs gefunden.
    Kiezneurotiker :
    „Im Auge von Prenzlauer Berg. Ich sitze auf einer Bank eines Spielplatzes und ruhe. In der Hand ein Eis
    von Hokey Pokey. Ein wenig Sonne scheint. Die Welt ist gut. Da kollidieren aus dem Nichts die
    Welten. Ein in Batiktücher gehülltes Pärchen mit diesen schrecklichen und aus irgendeinem Grund
    wieder modern gewordenen braunen ausgefickten Birkenstocksandalen trifft ein paar Meter weiter auf
    den Hackemob in Gestalt eines verwahrlosten Penners mit Hund.
    Der Penner brüllt den Hund an.
    „Du Kackvojel! Komm her! KOMM! HER! WAS HAB ICK JESACHT? KOMM HER DU
    FOTZENKÖTER! WAS HAB ICK JESACHT? WAS HAB ICK JESACHT? KOMM HER!
    SCHEISSVIEH HERKOMMEN HAB ICK JESACHT!“
    So geht das schon eine ganze Weile. Er schlägt ihn nicht, doch er brüllt. Der Hund ist komplett
    eingeschüchtert und versucht, in den Ritzen der Gehwegplatten zu verschwinden während der Penner
    sich unverdrossen die Goldkrone aus dem Hals brüllt. So sehet: Das alte Berlin trifft auf das neue
    Prenzlauer Berg. Ich kenne das alte Berlin fast gar nicht mehr, zu selten ist es hier im Schnöselkiez der
    pastellfarbenen Fassaden, der ausgebauten Dachgeschosse und der Garagen für die Jaguars noch zu
    sehen. Wenn hier jemand brüllt, dann ist er unter drei Jahre und zahnt. Oder steht auf dem Weg nach
    Weißensee vor meinem Schlafzimmerfenster. Oder fährt Fahrrad und will Platz auf dem Bürgersteig.
    Sonst wird nur wenig gebrüllt hier in Bionadeland, lieber wird mit schneidender Sägestimme insistiert,
    bei allem und jedem, in einer Tonlage, die jede Milch sauer werden lässt, doch nicht gebrüllt, nein. Die
    Kinder. Hier denken alle an die Kinder.
    „FOTZENKÖTER! KACKVOJEL!“
    Der weibliche Teil des Pärchens hat beschlossen, einzugreifen und packt die Sägestimme aus: „So
    sollten Sie nicht mit dem Hund reden. Schauen Sie doch mal wie eingeschüchtert der ist.“
    Oh nein, es sind Missionare. Sie wollen bekehren. Adäquates Verhalten herbeisägen. Das kann nicht
    gut gehen. Und so ist es. Der goldbekronte Konter lässt keine Sekunde auf sich warten.
    „DET JEHT DICH NEN SCHEISS AN! FAFATZDA!“
    „Sie sollten den Hund nicht anschreien. Auch ein Tier hat das Recht auf Respekt.“
    Respekt. Sie hat wirklich Respekt gesagt. Zum Hackemob. Rockin‘. Das verspricht spannend zu
    werden. Ich wünsche mir Popcorn. Nachos mit Käse und Jalapenos. Coke Zero dazu. Und eine 3DBrille. Liegesessel wie im Zoo Palast. Ich schlage ein Bein über das andere. Welcome to the show.
    „WAT HAB ICK JESACHT? DU SOLLS DA FAFATZ’N! ICK SCHMEISS DICH IN’N
    CONTAINA!“
    Oh ja. Es eskaliert schnell.
    Der bemitleidenswerte Partner der Sägestimme steht derweil etwas abseits herum und interessiert sich
    auffallend für das versiffte Gebüsch, unter dem die Köterkackwurstproduktion der letzten Tage vor sich
    hin gammelt.
    Mit „Schatz, sag auch was!“ wird er aus seiner gnädigen Unbeteiligung gerissen. Er will nichts sagen,
    doch er muss jetzt und betritt unsicher die Arena.
    „Ich finde das auch nicht in Ordnung. Seien Sie doch mal freundlicher. Dann ist man auch freundlicher
    zu Ihnen.“
    „Fafatzda. Hab ick jesagt. Pimmeljesicht.“
    Der Penner dreht sich um, geht zu dem Hund und zerrt ihn am Halsband weg.
    „Hey! Wir reden mit Ihnen“ ruft die Sägestimme ihm hinterher und „Mach was!“ zu diesem armen
    Schwein von Kerl, der jetzt wahrscheinlich lieber in einem russischen Knast, in einem U-Boot am
    Nordpol oder besser gleich auf dem Mond wäre. Und dort auf der Rückseite. Vergraben unter
    Mondstaub. Und Weltraumschrott.
    Er wird jetzt nichts tun, denke ich. Niemand würde jetzt noch was tun. Es bringt auch nix, er bekommt
    womöglich nur aufs Maul. Der Penner sieht aus als hätte er schon ein paar Mal in seinem Leben
    Schellen verteilt und ist ganz klar auf Goldkronenaggro. Klar ist nur, dass hier heute niemand mehr
    bekehrt wird. Der Befehlsempfänger sollte es jetzt gut sein lassen und ausnahmsweise mal eine der
    Weisungen verweigern.
    Lässt er nicht. „Hey, bleiben Sie stehen!“ ruft er, rennt jetzt, hält den Penner an der Schulter fest. Der
    reißt sich los. Der andere stellt sich vor ihn. Wird zur Seite geschubst. Der andere hält ihn an der Jacke
    fest. Und dann wirbelt der Penner herum und bringt sie. Die Schelle. Pam! Astreines Ding. Da war
    Kirmesboxen drin. Mindestens. Ganz alte Schule. Nicht K.O.-würdig, eher so ein Ding, wie es in den
    90ern auf den Schulhöfen noch toleriert wurde, damit sich selbst Typen wie ich einen Moment Respekt
    verschaffen konnten. Ein Brett eben. Eine Schelle.
    Und dann läuft der Penner einfach weiter. Sein Kackvojel trottet hinterher.
    Nun Stille. Die anderen gehen in die andere Richtung. Wortlos jetzt.
    Ich stehe auf. Ich brauche noch Wirsing von Kaisers. Und Lammhack. Für das muss ich wieder nach
    Wedding zu Euro Gida. Das kriegen Sie hier nicht mehr. Ich könnte bei der Gelegenheit gleich noch
    Schafskäse mitbringen. Und Sucuk. Die ist alle.“

    ©kiezneurotiker2017
    Schade, dass er nicht mehr bloggt.
    Gab einen Kleinkrieg zwischen obigem, Narrenschiff
    und dem Mitverfasser der HIV-Gesetze, der sich Kiezschreiber nennt, aber in der Pampa wohnt und von Berlin keine Ahnung hat und von Schraubenziehermän faselt.
    Bei Bertelsmann fettgefressen und nu Ruhestand. Naja.

  4. Schwarzes_Einhorn am November 9th, 2023 7:42 pm

    „Möge die Erinnerung an ihn ein Segen sein.“

    Schöner Satz. Werde ich mir merken.

  5. Jens am November 9th, 2023 9:34 pm

    … der Kiezneurotiker bloggt jetzt hier:
    https://maschinist.blog/

    Gruß
    Jens

  6. ... der Trittbrettschreiber am November 10th, 2023 7:42 am

    @Jens

    Eindrucksvolle Fotos im „maschinist“.
    Punk ist ja mittlerweile fossiler Rohstoff für Aufmerksamkeitstrigger des Lasten-E-Bike-Mittelstands. Wurst vegan… hx

    https://www.youtube.com/watch?v=D6gLTKzJ0tg

  7. ... der Trittbrettschreiber am November 10th, 2023 8:37 am

    @Nh

    „Jeverlieferung verpasst ?“
    Das ist schlimmer als sein Ritalin zu vergessen.

    Zum kiezneurotiker:

    Für gute Liter, Arthur, brauchts wenig Zutaten – ein Schuss Bukowski und ganz viel Hopfen…hx

    Oh… es klingelt… der Biermann – könnte man ihm den Kellerschlüssel JEVERverweigern?

    „Aber bitte nicht so laut rülpsen nach Noten, von Freiheit, Gerechtigkeit, Vernunft und dem ganzen Gesülz“

    https://www.youtube.com/watch?v=kUheTVZTPNI

  8. nh am November 10th, 2023 4:22 pm

    @jens
    Möchte mich aufs Artigste für den Hinweis bedanken.
    Wenns das Original ist das man eh kaum kopieren kann, stehen mir erkleckliche Stunden des Studierens einer verfallenden Gesellschaft bevor.
    Vielen vielen Dank.
    @Trittbrett
    Biermann hat sich zum (war schon immer) Systemling gewandelt.
    Da halte ich es lieber mit viel Gehopftem und dem alten Drecksack Buk.
    Immer gradheraus und der Wahrheit, der schrecklichen verhaftet.

  9. nh am November 10th, 2023 5:15 pm

    @Jens
    Der alte Punk im Nadelstreifen ist es wohl wirklich. Nochmals Danke, den hätte ich nie wiedergefunden.
    Für andere morbide Gesellschaftskritik empfehle ich Glumm aus Solingen. Leichtere aber wichtige Kost.
    Frage : wie tut man den denn wieder auf, weil anonym ?

Schreibe einen Kommentar