Im Nahen Osten nichts Neues

el al

Business as usual, sagt mir El Al, und good afternoon, wir fliegen. Und ich natürlich auch. Wer ängstlich ist, kriegt sein Geld zurück. Schön, dann habe ich das Flugzeug für mich allein. Jetzt erst recht. Fuck the Hamas. Hoffentlich marschiert die IDF da ein und macht dem Spuk ein Ende.

Ich muss heute packen und noch viel erledigen und kann nicht viel bloggen. Zum Einstimmen hier drei Zitate aus Tom Segevs: Die siebte Million – Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung (Reinbek 1995).

Hannah Arendt hat ihre jüdische Herkunft nie verleugnet und nach ihrem Weggang aus Deutschland sogar eine Zeitlang in den Büros der Zionistischen Organisation in Paris gearbeitet. Schon recht bald jedoch gehörte sie zu jenen jüdischen Intellektuellen, denen Ben Gurions Israel unbehaglich oder sogar fremd war. Nicht allein der extreme Nationalismus stieß bei ihr auf Kritik: Der jüdische Staat, hieß es, sei rassistisch, zu religiös, im israelisch-arabischen Konflikt nicht kompromissbereit, nicht liberal genug bei der Behandlung der arabischen Minderheit, arrogant gegenüber Juden, die lieber im Ausland lebten, und schnell bei der Hand, sich eine besonders hochstehende Moral zuzuschreiben. Arendt leugnete Israels Existenzberechtigung nicht, aber sie hegte keine Sympathien für gewisse ideologische Voraussetzungen des Zionismus. (S. 472)

Das Zitat bezieht sich auf den Eichmann-Prozess, über den sie ihr bekanntestes Buch geschrieben hat – „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ (1963). Arendts Haltung ist meines Erachtens auch typisch für eine bestimme Fraktion der israelischen Linken, die mittlerweile politisch bedeutungslos ist, weil sie keine Antwort auf die realen Probleme hatte und hat, also ganz wie die deutsche „Linke“.

Sie wären imstande, uns schon morgen hier in unserem eigenen Land abzuschlachten», warnte Ben Gurion seine Parteigenossen während einer Debatte über die Reparationszahlungen. Diesen Punkt führte er besonders den Holocaust-Überlebenden eindringlich vor Augen. «Wir wollen nicht wieder in die Simmation gelangen, in der Sie sich befunden haben. Wir wollen nicht, daß die arabischen Nazis kommen und uns umbringen.»* Während der hitzigen Debatte über die Waffenverkäufe an Deutschland sagte Mosche Dajan: «Das historische Erbe der sechs Millionen – der historische Imperativ, den sie uns hinterlassen haben -, besteht in der Aufgabe sicherzustellen, daß so etwas nie wieder geschehen wird.» Das Volk von Israel trage dafür, so sagte er, eine größere Verantwortung als jede andere jüdische Gemeinschaft, nicht nur, weil es den Staat schützen müsse, sondern auch aus einem einfacheren Grund: Es sei derzeit die einzige Gemeinschaft von Juden, deren Feinde aktiv ihre Zerstörung planten.** Wer diese Meinung vertrat, sammelte nicht nur Punkte in der politischen Auseinandersetzung, sondern artikulierte gleichzeitig auch fundamentale Aspekte des israelischen Selbstverständnisses und der israelischen Verteidigungsdoktrin; Alles kann geschehen, und wenn es geschieht, wird Israel auf sich allein gestellt sein, Deshalb kann der israelische Staat es sich nicht leisten, auf Waffen zu verzichten, sondern muss nehmen, was er bekommt.

Anfang 1979 erklärte Begin verstand die Belange der orientalischen Wähler besser als die Regierung, und er brachte sie dazu, den Mitte-Rechts-Block (Likud) zu unterstützen, der 1973 gebildet worden war. Begins Partei, die Cherut, bildete die stärkste Komponente des Likud. Er setzte vor allem auf demagogische Volksnähe und Nationalbewusstsein. Indem er versprach, die West Bank nie aufzugeben, stellte er den orientalischen Juden nicht nur Sicherheit und die Verwirklichung eines nationalen Traums in Aussicht, sondern versprach ihnen gleichzeitig den sozialen Aufstieg. Nicht die orientalischen Juden, sondern die Palästinenser in den besetzten Gebieten standen am Fuß der sozialen Leiter, und solange die Besetzung anhielt, würden die Orientalen nicht auf den niedrigsten Status absinken, Begin gelang es, den orientalischen Juden — und vor allem den Einwanderern aus Nordafrika das Gefühl zu vermitteln, er respektiere ihre Kultur. Er gab ihnen ihr wichtigstes Gut zurück, das ihnen die Arbeiterbewegung genommen hatte: die Selbstachtung. Dadurch ließ er sie an etwas teilhaben, das bisher ein Privileg der Aschkenasim gewesen war – Erbe des Holocaust.

Das ist fast eine marxistische Klassenanalyse. Vermutlich ist sie korrekt. Alles, was heute in Israel diskutiert wird, war damals schon Thema.

Ceterum censeo: Man hätte Gaza, Galilä und Samaria nie räumen sollen, aber Israel hatte damals kaum eine andere Wahl, weil die Großmächte nicht mitgespielt hätten.
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*David ben Gurion im ZK der Mapai, AAP (Archiv der Arbeiterpartei, Bet Berl, Zofit), 28.06.1995, 23/59, S. 487
**Mosche Dajan im ZK ded Mapai, dito

tasmanian tiger

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Kommentare

14 Kommentare zu “Im Nahen Osten nichts Neues”

  1. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 7th, 2023 2:28 pm

    Nette Rucksackfarbe. Burks als Kriegstourist oder Retter der Unvernunft?
    „Lass es krachen, Alter“ wäre hier Zynismus pur.
    ‚Lass es zischen‘ dagegen ist ein gut gemeinter Rat eines bibbernden Angstbürgers im Keller, der aus rein altruistischen Motiven heraus Sorge daüüber äußert, dass Dein flüssiges Reiseproviant nur aus Gin besteht, der von gar lieblich anzuschauenden FachkräftInnen m/w/d/hx der Airline serviert wird.
    Aber: Könnte man Dir, lieber Burks JEVERzeihen, wenn Du Deine postpupubertären Triebe nicht dort ausleben würdest, wo das Wort ‚chillen‘ anscheinend ein Synonym für Dekadenz und Langeweile ist?

    Ready for departure – und bleib angeschnallt…

    https://www.youtube.com/shorts/i-RTy4aoyn8

  2. Godwin am Oktober 7th, 2023 3:37 pm

    wenn ich die Möglichkeit hätte, jetzt zufällig da hinzureisen, ich würde es auch um nichts in der Welt aufgeben…

    die Zitate zeigen aber, dass die Antworten auf die Probleme stets von „rechts“ kamen.
    Hatten die „linken“ tatsächlich keine Antworten oder wären die für gewisse Gruppen (inkl. Eliten) nur unangenehm und schmerzhaft gewesen?

    „Nicht die orientalischen Juden, sondern die Palästinenser in den besetzten Gebieten standen am Fuß der sozialen Leiter…“

    Das ist doch im Grunde der Kern eines Apartheid-Regimes.
    Inwiefern hatte die Arbeiterbewegung den orientalischen Juden denn ihre Selbstachtung genommen?
    Weil die Arbeiter immer die anderen waren?

  3. Godwin am Oktober 7th, 2023 3:48 pm

    Nachtrag:

    „Hoffentlich marschiert die IDF da ein und macht dem Spuk ein Ende“

    einmarschieren ja
    beende nein

    Israel braucht seine Feinde
    vor allem Netanjahu mit all seinen Skandalen und unbeliebten Reformen.
    der Krieg rettet ihm doch wieder den Arsch.

    Hypothese:
    Militärisch gibt es für die Hamas nichts zu gewinnen – das wissen vermutlich auch die.
    kann mir auch keiner Erzählen, dass der Mossad nicht weiß, was in dem kleinen Stückchen Gaza vor sich geht.
    Der Krieg kommt für die aktuelle israelische Regierung sehr günstig und zum symbolträchtigen Termin.
    Was, wenn man an der Attacke mitgestrickt hat?
    Der Deal wäre einfach:
    Die Hamas kann durch den Angriff und den Gegenschlag ihre Macht weiter legitimieren.
    Auf der anderen Seite legitimieren ein paar Tote, Verletzte und kaputte Häuser eine rechts-gerichtete Politik die sich offiziell gegen den äußeren Feind richtet…

  4. NBG am Oktober 7th, 2023 5:36 pm

    „Militärisch gibt es für die Hamas nichts zu gewinnen – das wissen vermutlich auch die.“

    Wie viele der 5.000 Raketen kamen denn an?

    Das muss Israel aber wieder Millionen Dollar gekostet haben, sofern hier jede Rakete mit dem Iron Dome abgewehrt wurde…

  5. Ri am Oktober 7th, 2023 8:14 pm

    Check nochmal die Webseite der Botschaft, ob sie Dich reinlassen.

    Vermute, nen mittelalten Touristen ohne Verbindung zum Land werden sie in den nächsten Tagen schon am Flughafen aussieben.

  6. tom am Oktober 7th, 2023 8:41 pm

    „die Palästinenser in den besetzten Gebieten“
    Vermutlich korrekte Analyse – wie jetzt?
    2 x gibt es gar nicht und doch korrekt – das deutet auf max. Reisefieber hin.

  7. Godwin am Oktober 7th, 2023 9:13 pm

    Einie Medien melden
    Bis Mo Flughafen Tel Aviv geschlossen…

  8. admin am Oktober 7th, 2023 9:21 pm

    „Our regular flights are operating as scheduled.“

  9. Böckenkamp am Oktober 7th, 2023 10:27 pm

    Komm bitte im Ganzen und gesund wieder. Will dich gerne noch mal sehen!!! Liebe Grüße Harald

  10. Jens am Oktober 8th, 2023 4:34 am

    … alles alles Gute und eine gesunde Rückkehr von ganzem Herzen!

    Gruß
    Jens

  11. paddler am Oktober 8th, 2023 11:52 am

    Dein Freizeitangebot hier:

    https://seakayak.co.il/

    Happy paddling.

    paddler

  12. Jorg am Oktober 8th, 2023 11:52 am

    Eine gesunde Heimkehr und heute gilt mehr als je zuvor #IstandwithIsrael.

  13. Godwin am Oktober 8th, 2023 2:31 pm

    es ist bemerkenswert (und langweilig zugleich), wie schnell die Berichterstattung dem Schema F folgt, nachdem der erste Moment echter, surrealer Überraschung vorüber ist:

    – das polit. Säbelrasseln inkl. angekündigter Maßnahmen der Marke hart, härter, am härtesten werden unhinterfragt veröffentlicht
    – irgendwer Ranghohes muss beim Feind sterben
    – Kinder als Opfer müssen stets und ständig betont werden

    dabei wissen wir, wer hiervon profitieren wird
    https://www.morgenpost.de/politik/article239294027/israel-auswanderung-regierung-politik-deutschland.html

  14. ... der Trittbrettschreiber am Oktober 8th, 2023 7:44 pm

    @Godwin

    „Rechtsreligiös“ – Hopfensaft sollte in Massen genossen werden, sonst zischt es nicht nur sondern es werden Worte geschöpft, die auch den Durst in Frage stellen könnten…hx.

    Bei Burks habe ich nur voll Vertrauen – er wird es nicht sagen, das J-Wort J E V E R.

    https://www.youtube.com/watch?v=VzFm4Nf8O4U

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