Durchgenudelt oder: Craftsman Class hero, reloaded

anita berber park
Anita-Beber-Park

Ich weiß, was ich gestern getan habe. Vor meinem geistigen Auge erscheinen hier die zahllosen Stammleser, die gestern noch spät vor den Geräten hingen, sich bestürzt fragend, warum der Kerl noch nicht gebloggt habe, da doch das Weltgeschehen genug Themen hergäbe? Ich bekenne: Ich saß vor dem Monitor und plante, etwas zu berichten, was berichtenswert wäre, war aber so durchgenudelt aka kaputt aka müde, dass mir das geplante zu Schreibende nicht gelang. Ich konnte gerade noch den Mitavataren in Secondlife eine Nachricht hinterlassen, dass ich exhausted in R[eal]L(ife] sei und nicht online käme.

Ich bekam von meiner greisen Mutter den Auftrag, eine neue Armatur in der Küche anzubringen. Das Thema wurde hier schon lobend erwähnt. Der Wasserhahn der komplizierten Sorte war nicht dafür gedacht, sich in Gänze drehen zu lassen, was meine Mutter aber nie einsah weil wie so stur ist wie ich oder umgekehrt, sondern nach dem Motto: „was nicht passt, wird passend gemacht“ zahllose Male versucht hatte, das ganze Teil zu rotieren, wo es nach ihrem Bedarf hinrotiert werden sollte, was irgendwann dazu führte, dass sich die (von mir persönlich) festgedrehtesten aller Schrauben lockerten und das ganze Teil irgendwie so aussah wie ein Boxer, der in den Seilen hängt. Eine drehbare Armatur musste also her, welchselbige meine kleine Schwester schon besorgt hatte.

tempelhofer feld

Ich packte also meine Kollektion von Installateur-Werkzeugen ein und noch andere Tools, weil man nie weiß, was noch alles kaputtgeht und weil sowieso alles schief geht, was schief gehen kann. Der Rucksack war so schwer, als plante ich einen halbjährigen Aufenthalt im tiefsten Rio-Beni-Dschungel. Aber meinem mehrfach tiefergelegten aufgerüsteten und modifizierten Moscow[sic]-Bike macht so ein bisschen Gewicht natürlich nichts, sondern es fährt auf glatter Strecke wie gewohnt seine 25 km/h, ohne dass ich mich groß anstrengen müsste. (Aber hallo? „Dieser Onlineshop befindet sich im Wartungsmodus“? Sogar die Großbourgeoisie kann es nicht mehr liefen? Ist das gut oder schlecht?) Gestern kam jedoch auf dem Tempelhofer Feld eine steife Brise auf, so dass ich richtig trampeln musste.

küche

Dieses Mal dauerte es noch länger, also vier Stunden des Dröselns, Fummelns, böse Wörter vor sich Hinmurmelns. Wie üblich war die Anleitung nicht der Rede wert, sondern für das Gesäß zum Abwischen. Aber man weiß ja als Installateur, wo was ist und wie es letztendlich sein soll. Leider tropfte es nach dem ersten Durchgang, und auch der Schlauch ließ sich nicht ruckelfrei aus dem Hahn ziehen. Kommt vor, aber ich fand zunächst nicht heraus, wo genau das Wasser sich seinen illegalen Weg bahnte. Außerdem war die Spüle sehr beengt, und ich musste, um herumschrauben zu können, mich so bewegen, als sei ich vom Scarlett Entertainment angeheuert worden.

Mal im Ernst: Wie machen das Leute, die nicht über ein halbes Jahrhundert handwerklicher Erfahrung verfügen (kaputte Wohnungen komplett zu renovieren, hausbesetzte, also noch kaputtere Wohnungen instandzubesetzen zu einer Zeit, also es noch keine Erklärvideos gab)? Müssen die jedes Mal einen Installateur rufen? Und haben die alle das nötige Spezialwerkzeug herumzuliegen? Und alleinerziehende Mütter? Sprechen die dann Beschwörungsformeln in Gendersprache?

Ja, ich bekam es hin, aber hatte zuvor noch viel mehr böse Worte flüstern müssen. Das Problem waren, wie ich ohnehin vermutete, die Dichtungen, über die die Anleitung kein verständliches Wort verloren hatte. Ich musste das ganze Teil komplett in alle Einzelteile zerlegen und wieder zusammensetzen. Zwischendurch fiel mir ein kleines Werkzeug in ein noch kleineres Loch hinter der Spüle, so dass ich schon erwog, auch die Einbauschränke zu Kleinholz zu verarbeiten auseinanderzunehmen, um dahinter etwas zu finden, was vielleicht schon seit Jahrzehnten vermisst wurde.

urban krankenhaus

Auf dem Rückweg geriet ich zahllose Male in Strassensperrungen, weil irgendwelche Läufe oder Rennen stattfanden, über die mich zu informieren ich sträflich vernachlässigt hatte. Ich bretterte also über Bürgersteige, durch Absperrungen, an sich bis langschlaefer ins Endlose stauende Autofahrer vorbei, deren wütende Kommentare über mein arrogantes Fahrverhalten ich generös ignorierte, wohl wissend, dass sie sich den Stau hätten ersparen können, wenn sie prophylaktisch auf einen Tretroller umgestiegen wären.

Zwei Arabern auf dem Kurfürstendamm, die gleich zwei schwanzverlängerende Protzkarren im absoluten Halteverbot und auf dem Radfahrstreifen geparkt hatten, hätte ich fast zeigen müssen, dass ich die wirklich üblen Krav-Maga-Tricks immer noch drauf habe. Aber die Herren wurden nicht aggressiv, als ich mit 30 km/h auf sie zubretterte und dann eine Vollbremsung hinlegte wie beim Westernreiten, sondern meinten erschrocken, ich sollte „nicht so schnell“ fahren. Also beließ ich es bei einer mündlichen Ermahnung.

Ich kam dann an meiner ehemaligen Arbeitstätte vor und plauderte mit der dortigen Security. Es ist immer noch so schlimm, und auch die Störer, mit denen wir zu tun hatten, treiben immer noch höchstpersönlich ihr Unwesen. Irgendwie bin ich doch froh, dass ich mir den Stress nicht mehr antun muss.

haferschnitzel

Insgesamt bin ich gestern fast 40 Kilometer mit den Rad gefahren, was mein Körper mir auch dezent mitteilte. Zuhause gab es Arme-Leute-Essen: Haferschnitzel mit gekochten und danach kurz angebratenen Erdäpfeln sowie Gurkensalat, was insgesamt weniger als drei Euronen gekostet haben wird.

Und wie schon gesagt: Danach fiel ich hundemüde ins Bett. By the way: Noch eine Woche Frühschicht, und dann habe ich Urlaub! !עכשיו אתה יודע