Meditatives Kajaken, gechillte Katzen und anthropologische Miszellen

Klein-Venedig Tiefwerder

Vielleicht war gestern der letzte richtig heiße Tag in diesem Jahr (wg. Klima, Armageddon usw.). Das musste ich ausnutzen dergestalt, dass ich noch einmal ins Boot stieg und an den hier schon bekannten Orten herumpaddelte. (Ich werde bei Gelegenheit versuchen, ChatGPT den Gebrauch des Wortes „dergestalt“ beizubringen, wie und wann man das benutzt, fürchte aber, das wird ohne Ergebnis bleiben. Für Stilfragen der gehobenen Art ist AI zu doof und zu humorlos. „ChatGPT, ich will mehr Katachrese und Onomatopoesie sehen, auch Vulgarismus ist möglich! Lerne Heinrich von Kleist auswendig und imitiere dessen Stil, wenn du mit mir herumhalluzinierst!“)

Klein-Venedig Tiefwerder

Am Anfang stand die kühne Idee, die Tiefwerder Wiesen per Kajak zu erreichen. Google ist schuld: „Naturschutzgebiet zum Wandern und Kajakfahren“. (Hallo, Google? Ich fahre nicht mit dem Kajak, ich kajake!*) Ist aber gelogen. Man kommt da gar nicht hin mit einem Boot, weil der Hauptgraben beim letzten Haus der Siedlung gesperrt ist.

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder
In einem Seitenarm des Hauptgrabens

Nicht nur gesperrt: Es ist noch viel fieser und hinterhältiger! Das Wasser wird flach und flächer flacher, bis nur noch ein Millimeter Platz ist zwischen Kiel und Modder und man endlich, beinahe mit Ansage, steckenbleibt und das Ruderblatt sich verkeilt. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um zu wenden, das Boot wieder flottzukriegen und auch das Ruder zu justieren. Dazu musste ich aussteigen (das ist gar nicht so einfach und in tiefem Wasser einfacher als in flachem!) und knietief in der Matsche waten und saute mich und das Boot voll ein. Immerhin bin ich nicht ins Wasser gefallen.

Klein-Venedig Tiefwerder

In bekannten Gewässern wandte ich mich gen Norden, zum großen Jürgengraben. Auch hier tobte vor einer Zeit der Klassenkampf, der aber von denen da unten, die Widerstand leisteten, gewonnen wurde. Aber natürlich geben die da oben genau so wenig auf wie die SPD mit der Vorratsdatenspeicherung. (Leiterin des Umwelt- und Naturschutzamts in Spandau ist aktuell die Forstwirtin Anja Sorges, die auf ihrem Facebook-Profil „Keinen Millimeter nach Rechts“ geht.)

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder

Die Farben laden zum Meditieren ein, manchmal ist es ganz still, falls man mit dem Paddel nicht herumplantscht, und wenn dann noch eine total gechillte Katze (Foto oben) am Ufer liegt, die sich keinen Millimeter nach rechts und links bewegt, kommt man ins Grübeln ob der Weltläufte und was wichtig ist und was nicht.

11. September – Putsch in Chile. Niemals vergeben, niemals vergessen, auch was die hiesige Bourgeoisie und ihre Lautsprecher damals sagten und was sich jederzeit so wiederholen würde.

Ich mache mir übrigens Sorgen, dass schon in naher Zukunft niemand mehr dieses Blog lesen wird, weil es nicht in einfacher Sprache verfasst ist. Harald Martenstein schreibt (Paywall): „1899 gab es in Deutschland laut Statistik noch ein Prozent Analphabeten, bis 1912 sank die Zahl offiziell auf null. Heute ist offiziell von zwölf Prozent die Rede, dabei werden allerdings nur die Erwachsenen gezählt und noch nicht die Kinder aus Nordrhein-Westfalen. Die Definition des Analphabetismus ist allerdings schwierig – wie soll man Menschen nennen, die mit Mühe innerhalb von ein, zwei Minuten einen Satz entziffern können? Laut Unesco gelten nur noch 13 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung als Analphabeten, die ärmsten Länder eingerechnet. Diese Zahl, 13 Prozent, Weltdurchschnitt, dürfte Deutschland inzwischen nicht mehr erreichen.“

Klein-Venedig Tiefwerder

Ein Rat an die Nachgeborenen für die Berufswahl: Die Meldestellen-Industrie ist die einzige Industrie, die in Deutschland rapide wächst.

Klein-Venedig TiefwerderSüdhafen Spandau

Ich habe mich an den Anblick des Südhafens – genauer: des Unterhafens Spandau gewöhnt. Er ist nicht schön, aber zeigt an, wie die Skyline einer Oase nach tagelanger Wüstenwanderung, dass man es nicht mehr weit hat zum Ziel, hier: zum Steg am Bootshaus. Ich muss hier nur rechts abbiegen und noch 15 Minuten paddeln durch das Labyrinth der Wasserläufe in Klein-Venedig. Vielleicht war das auch das letzte Mal in diesem Jahr.

Klein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig TiefwerderKlein-Venedig Tiefwerder

In vergangener Zeit, als ich noch auf Autobahnen unterwegs war, gehörte es zum Ritual, auf einer Raststätte zu halten, „Kartoffelsalat“ mit Würstchen zu essen und das Publikum anthropologisch zu beobachten. Nach dem Paddeln kehre ich manchmal in der Waldschänke ein, die eher eine Imbissbude mit großem Biergarten ist. Dort lebt noch das alte West-Berlin. Und dort isst man auch keinen veganen Salat, gar mit Hafermilch als Getränk, sondern Würste und flüssigen Zucker mit Geschmack, wie es sich gehört. Ich bestelle in Timbuktu auch kein Eisbein mit Sauerkraut oder in Jerusalem Schweinefleisch süß-sauer. Für den richtigen Stil braucht man das richtige Gefühl, auch auf der Zunge.

currywurst

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* Welche deutsche Verben kann man benutzen als Synonyme für „paddeln“, wenn man sich mit einem Kajak fortbewegt?
ChatGPT: Es gibt verschiedene deutsche Verben, die als Synonyme für „paddeln“ verwendet werden können, wenn man sich mit einem Kajak fortbewegt. Hier sind einige Beispiele:
Rudern: Dieses Verb wird oft verwendet, um das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Zum Beispiel: „Wir ruderten den Fluss hinunter.“
Kanufahren: Obwohl „Kanufahren“ normalerweise mit Kanus in Verbindung gebracht wird, kann es auch verwendet werden, um das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Zum Beispiel: „Wir gingen Kanufahren auf dem See.“
Kajaken: Dieses Verb ist spezifischer und bezieht sich direkt auf das Paddeln mit einem Kajak. Zum Beispiel: „Wir haben den ganzen Tag gekajakt.“
Paddeln: Natürlich kannst du auch einfach „paddeln“ verwenden, da es das Standardverb für diese Aktivität ist. Zum Beispiel: „Wir paddelten entlang des Flusses.“
Diese Verben sind in der Regel austauschbar, wenn es darum geht, das Paddeln mit einem Kajak zu beschreiben. Die Wahl des Verbs hängt oft von persönlichen Vorlieben und regionalen Unterschieden ab.