Obsession oder: Sexy women are psychos

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Wer und zu welchem Ende sehen wir „Erotik-Thriller“? Krimis ohne attraktive Frauen und ohne Sex geht heutzutage nicht, und Sex ohne unterhaltsamen Plot ist schlicht Pr0n. Sex-Szenen finde ich in Filmen meistens langweilig, weil die Details schamhaft verborgen werden, man nach der Imitation der geschlechtlichen Vermehrung gleich wieder den Pyjama oder dergleichen überzieht, oder weil es vor Kitsch nur so trieft.

Obession (Netflix) kann ich jedoch empfehlen. Der Plot an sich wurde schon zahllose Male filmisch durchgenudelt; das ist also nicht neu. Und wenn deutsche Rezensenten einen Film verreißen, ist das für mich meistens eine Empfehlung.

In welche Kategorie „Obsession“ fällt, ist nicht ganz klar: Ein Krimi ist es nicht, weil niemand in echter Gefahr schwebt. Pr0n und die Handlung nur als Vorwand, um viel nackte Haut zu zeigen, ist es auch nicht – man sieht nur wenig davon, und die Protagonisten haben beim Herumvögeln meistens noch ihre Kleidung an. Um Voyeurismus oder Stalking geht es auch nicht. Am besten gefällt mir „trashy new erotic thriller„.

Vielleicht ist es nur eine Sache meines persönlichen Geschmacks. US-amerikanische Produktionen zum Thema nerven mit immer demselben Plot: Jemand zerstört die ach so heilige Familie, und man weiß zu Beginn nur nicht, ob die wieder zusammenfindet oder eben nicht. Und die Kinder leiden oder werden auch Psychos. Das habe ich schon drei Fantastilliarden Mal in jeder Version gesehen, und meistens nicht bis zum Ende. Die Briten können das subtiler und besser.

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Screenshots: Burks

Der Standard fasst die cineastische „Vorgeschichte“ in einer Rezension zusammen: „Fatal Attraction and Basic Instinct made squillions, and brought a slew of imitators in a genre known as erotic thrillers. Who can forget the ‘highs’ of this genre like Body of Evidence, starring Madonna and a mortified Willem Defoe, or Colour Of Night with Bruce Willis and a terrified Jane March or Sea of Love with Al Pacino and an amused Ellen Barkin – all with variations on theme: sexy women are psychos!“

„Obsession“ ist nicht anders, und das Motiv des Helden William Farrow (Richard Armitage), alles aufs Spiel zu setzen, sogar das Eheglück seines Sohnes, wird nicht erklärt. Bei dem Thema wollen die Zuschauer ohnehin keine elaborierten tiefenpsychologischen Traktate, sondern schlicht viel, was scharf ist und macht.

Auch wenn „Obsession“ insgesamt nicht besonders tiefgründig ist („shallow desaster„) und der Charakter der Heldin eher konstruiert wie aus der psychologischen Klippschule und eigentlich total überflüssig, knistert es stark („spicey“ ist ein gutes Wort dafür) und heftig. Das liegt vor allem an der Hauptdarstellerin „Anna“ (Charly Murphy).

Die Murphy sieht weder oben herum aus wie Sydney Sweeney noch in der Mitte und unten wie die hier schon erwähnte russische Dame, aber sie schauspielert so brilliant, dass die Fetzen fliegen. Man möchte immer noch mehr davon.

Die Irish Times findet das „as titillating as doing the weekend chores“, was ein lustiger Verriss ist: „In all the worst ways, Obsession harks back to the heyday of the form.“ Haha. Aber das macht nichts. Das Thema kann man gern ein Mal monatlich in immer wieder anderer Version sehen. Man wird daran erinnert, dass Sex elementar und anarchisch ist (falls er nicht in der Ehe „stattfindet“) und alle Konventionen und Regeln sprengen kann, auch wenn man das nicht so geplant hat. Das macht eben den Reiz aus: Man weiß nicht wirklich, wie das enden wird, selbst wenn man den Plot auswendig singen könnte, auch nicht im realen Leben.

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Kommentare

6 Kommentare zu “Obsession oder: Sexy women are psychos”

  1. Godwin am Juli 26th, 2023 2:24 pm

    „Wer und zu welchem Ende sehen wir „Erotik-Thriller“?“

    Ich für meinen Teil gar nicht (mehr).
    Body-Kino ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
    Früher war das noch interessant, auszuloten, wie viel man zeigen durfte, um nicht im Schmuddel-Kino zu landen.
    Aber heute?
    Das Netz ist voll mit Pornos. Ein alter Running Gag der Informatiker besagte, dass das Internet nur zu diesem Zweck erfunden wurde. Ein andere alter Gag lautete, dass Internet würde auf eine CD-Rom passen, wenn da die Pornos nicht wären…

    ja jedenfalls – aufreizend gekleidete, halbnackte oder ganz nackte Frauen – aka Erotik – sehe ich in der Ciy herum laufen, auf Plakaten, in Musikvideos, auf Instagram, oder oder oder…
    Gewissermaßen passt die Optik kaum bis gar nicht zu den verklemmten fass-bloß-keine-Frau-an Diskussionen in den verschiedenen Medien…

    welchen „Mehrwert“ soll also eine möglichst aufreizende Sex-Szene in einem Film bringen?
    Oder was soll gar ein Film, dessen Story quasi um die jugenfreie Fickerei herum gebastelt wurde?

  2. nh am Juli 26th, 2023 5:14 pm

    @Godwin
    Ganz mein Gedanke.
    Das ganze Geluscher kommt frei Haus und Vorsicht!
    Ist ja total diskriminierend! Dass die jeweiligen Akteure für Moneten vögeln, GEHT JA MAL GAR NICHT !!!
    Eine grüne Volltonne möchte zärtlich umschmeichelt werden, bevor es zum atemlosen Herzstillstand ihres Linguisten kommt, gefangen in den Tiefen des exorbitanten Fettanbaus der täglichen Megaration MCDoof.
    Sex sells ! Höhöhö.
    Ihre Plakatwand für Werbezwecke der deutschen Zeltindustrie.
    Vögeln wird aberzogen, Geschlechtsumwandlung ist der heisse Scheiss, aber Migranten knattern was das Zeug hält wegen Kindergeld.

  3. Die Anmerkung am Juli 27th, 2023 10:20 am

    Berufseinstieg als Intimitätskoordinatorin

    »Eine intime Szene ist eine Gefahrenszene«

    Teresa Hager ist dafür zuständig, an Filmsets für rücksichtsvolle Sexszenen zu sorgen, und nutzt dafür Bademäntel und Codewörter. Hier erzählt sie, was den Job ausmacht und wie sie gegen den Sexismus in der Branche kämpft.

    Aufgezeichnet von Lukas Hildebrand
    —–
    Gut, daß das arbeitergroschenpflichtige Spiegel-Weisheit ist. Muß ich den Sermon nicht konsumieren. Auch nicht aus ethnologischen Gründen, um zu erfahren, wie blöd die sich fühlende Mittelschicht ist.

  4. tom am Juli 27th, 2023 11:03 am

    „zu welchem Ende“ – ist das schon Deutsch (geworden)? So wie „Sinn machen“ oder „erinnern“ ohne sich?
    Zum letzten Bild Zitat eines Freundes meines Vaters (beide längst tot): „Über Kopf arbeiten und im Stehen vögeln ist Scheiße.“
    Also einmal monatlich. Na ja, wenn man sowieso bezahlt, muss man ab und zu was gucken. Dann wird es win-win.

  5. admin am Juli 27th, 2023 12:09 pm
  6. Godwin am Juli 27th, 2023 5:45 pm

    „Früher war das noch interessant, auszuloten, wie viel man zeigen durfte…“

    hier kommen wir doch direkt zu ein paar dezenten Parallelen zu den 1920er Jahren:

    Wie viel „gezeigt“ werden darf, richtete sich nach dem Hays Code.
    „Hays war konservativ und besaß gute Kontakte zur „Moral Majority“ der USA.“

    Das wiederum ging zurück auf einen Fall um Fatty Arbuckle:
    – ein paar Groupies werfen ihm was böses vor
    – er wird frei gesprochen
    – aber sein Ruf ist ruiniert und die „Moral Majority“ setzt zum großen (Zensur-)Schlag an

    Spacey, Lindemann und Co. sind es halt heute…

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