Rausverkauft

Bertelsmann

Eigentlich müsste sich der Medienkonzern umbenennen in „BertelsmännIn/d“. Das kommt bestimmt noch. 2020 gab der Konzern noch ein Buch heraus mit dem schönen Titel: „75 Jahre Bertelsmann: Eine Zukunftsgeschichte.“ Jetzt werden wieder hunderte Stellen abgebaut Journalisten freigesetzt äh… entlassen. Ist das gut oder schlecht?

Die FAZ, gefühlter Lautsprecher des Kapitals, wenn es um Okönomie geht, schreibt: Der Bertelsmann- und RTL-Deutschland-Chef Thomas Rabe streicht beim Verlag Gruner + Jahr 700 von 1900 Stellen. 23 Zeitschriftentitel fallen weg, „Stern“, „Brigitte“, „Capital“ und „Geo“ bleiben.

Vor kurzem hatte RTL noch 230 Millionen Euro hingeblättert: Zeitschriften wie „Gala“, „Geo“ und „Brigitte“ gehören künftig zur RTL-Mediengruppe in Luxemburg“, hieß es noch 2021.

Haben die sich verkalkuliert? Ist das Geld weg oder hat es nur jemand anderes? Dem Kapital an sich geht es gut, obwohl sich die Gesamtauflage deutscher Printmedien seit drei Jahrzehnten halbiert hat.

Bertelsmann ist übrigens ein so genanntes Familienunternehmen – nicht an der Börse und nicht „kapitalmarktorientiert„, das heißt: niemand kriegt was ab vom Profit außer den Eigentümern. Ein Viertel des ehemaligen Nachrichtenmagazins gehört dem Konzern auch. Man sieht dort realistisch in die Zukunft, wie es Kapitalisten oft, aber nicht immer tun: „Hintergrund der Entscheidungen von RTL ist offenbar ein drohendes Abrutschen der Publishing-Geschäfte in die Verlustzone.“ Das variable Kapital ist nur ein Faktor unter vielen, die es bei der Profitmaximierung zu berücksichtigen gilt. Also hau weg den Printmedienscheiß.

Über die wirtschaftliche Lage des Publishing-Geschäfts sagte Rabe: „2022 lag das Ergebnis nach allen Abzügen bei 1 Million Euro. Aufgrund der Marktentwicklung bei Anzeigen und Vertrieb, aber auch durch Kostensteigerungen von Papier und Energie wäre Gruner + Jahr ohne Maßnahmen in diesem Jahr im Ebita zweistellig negativ.“ Der Umsatz in dem Bereich lag 2022 bei etwa 350 Millionen Euro. (Merke: „Mit 145.000 Mitarbeitern erzielte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2021 einen Umsatz von 18,7 Mrd. Euro“).

Aus der Sicht des Medienproletariers kann man bedauern, dass noch mehr Menschen aus der Mittelklasse, die was mit Medien machen, zukünftig vielleicht auf die Einkünfte der Lebensabschnittsgefährten angewiesen sind, wenn sie nicht eh auf Erspartes oder Weingüter der Eltern zurückgreifen oder von Mieteinnahmen leben können oder sich das erhofften. Oder, was nervt, aber oft vorkommt: Wer nicht viel mehr zu melden hat in der Branche, sucht sich einen irrelevanten Posten bei einem Journalistenverband und ist dann besonders stolz drauf und streitet sich untereinander um so erbitterter, weil es um nichts mehr geht.

Ich komme ins Plaudern, was den Gebräuchen krass widerspricht. Mich interessiert eher, wo das Kapital investiert: „Beteiligung an Gesundheitsfonds General Catalyst und Rock Health„. Man muss sich natürlich informieren, was es nach der Revolution zu vergesellschaftlichen gilt! „Bringing greater humanitiy to healthcare.“ Ach was. Man verdient Geld an Gesundheit und daran, das Gesundheitswesen zu digitalisieren. (Das rückt auf der To-Do-Liste recht weit nach vorn.)

Man verstehe mich nicht miss (so einen Satz würde ChatGPT nicht hinkriegen): Die Absicht und die Ziele des Konzerns sollte man in dieser Hinsicht begrüßen, auch wenn Unternehmen wie „Rock Health“ – mit Sitz in San Francisco – eher zum Finanzkapital gehören, also selbst keine Werte im Marxschen Sinn schaffen.

As of February it had „graduated“ 49 startups, which have since raised a combined total of $43 million in investment, in addition to the $100,000 each put in by Rock Health.

Yeah. Man schießt die Kohle in „junge“ Firmen, die innovativ zu sein scheinen, auch wenn einige davon später wieder verschwinden. So funktioniert Kapitalismus, bekanntlich die revolutionärste Gesellschaftsform bisher, was die Entwicklung der Produktivkräfte angeht – nur darum geht es!

Aber: Bertelsmann investiert nicht real, sondern in andere Firmen, die das Risiko tragen. Wenn die es zu etwas bringen, kann man die immer noch aufkaufen. Wenn nicht, hat der Investor nur die Kohle verloren, was Teil des Spiels ist. Bertelsmann kauft also keine Fabrik, sondern gibt der Kleinbourgeoisie Geld, dass die neue „Fabriken“ baut und beobachtet, was daraus wird.

Wenn das nicht zu spät kommt! Die Israelis sind schon eher auf die Idee gekommen. Dort schießen einschlägige Startups nur so aus dem Boden.

Ein Wort an unsere Stamokapler: Erstens lagt und liegt ihr komplett daneben, was jeder Blinde mit dem Krückstock sieht, und zweitens ist Verstaatlichung an sich nichts, was automatisch den Fortschritt antreibt, sondern ihn eher hemmt, eingedenk der Tatsache, dass der Homo sapiens eher zum Bequemen und opportunistisch denkt, und nur wenige das Risiko dem Fun vorzieht. Innovativ? Wo kämen wir denn da hin! Ich könnte Fehler machen, also mache ich besser nichts. Nein, ich ziehe das chinesische Modell vor: Der Staat lässt die Leute machen, behält sich aber die Kontrolle vor. Und gegen Korruption kann man ruhig abschreckend vorgehen.

Jetzt bin ich schon wieder vom Hölzken zum Stöcksen gekommen. Ich wollte nur sagen, dass die, die was mit Medien gemacht haben, immer und gern – in Berlin auf jeden Fall – einen Job in der Sicherheitsbranche bekommen werden. Man muss sich also keine Sorgen machen.

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Kommentare

16 Kommentare zu “Rausverkauft”

  1. Godwin am Februar 7th, 2023 9:01 pm

    „Als Jugendlicher spielte er in Punk-Bands, etwa als Bassist der „White Lies“ (Notlügen). In Köln wurde er in Ökonomie promoviert, danach wickelte er bei Treuhand DDR-Firmen ab.“

    Da hat aber einer die No-Future-Idee total verinnerlicht.
    Hut ab.

    Jemand wies hier doch auf dass allgegenwärtige Bullshit hin.
    Wir erinnern uns:
    Golgafrincham
    „Um sich des völlig überflüssigen Bevölkerungsteiles B zu entledigen, wurde dieser unter dem Vorwand, die gesamte Bevölkerung Golgafrinchams müsse evakuiert werden, in einem Raumschiff, der Arche B, in den Weltraum geschossen.“
    So langsam dürfte klar werden, warum Musk & Co. so eifrig den Weltraum erobern wollen…

    jetzt entlassen
    dann entledigen

  2. Thomas am Februar 7th, 2023 10:58 pm

    Hm… also… ja, ist Scheiße, das mit den Jobs aber… wenn ich mir die Liste unter „Wird eingestellt“ ansehe, dann werde ich da nichts wirklich von vermissen. Sonst irgendjemand?
    Und auch die Printerzeugnisse unter „Soll verkauft werden“ könnte man glatt um ein Drittel eindampfen.
    … aber dann könnten die frei werdenden Journalisten ja vielleicht die Qualität in den verbleibenden Redaktionen…???… Aber das ist wahrscheinlich garnicht mal gewollt :(

  3. Albert Rech am Februar 8th, 2023 12:05 am

    Sorry, aber der Staat der sich aus der Geschäftsführung der Unternehmen raushält und Kontrolliert und gegen Korruption vorgeht ist nichts anders als der neoliberale Nachtwächterstaat wie er von Ludwig Erhard und Hayek propagiert wurde.
    Das Grundproblem des Kapitalismus ist das er dazu führt das Menschen mit dem niedrigsten moralischen Standard als Manager wirtschaftliche und politische Macht bekommen.
    Vergesellschaftung sorgt dagegen dafür das der Staat die Leitungsposten mit moralisch einwandfreien Menschen besetzen kann. Korruption wird dadurch verhindert, Kontrolle somit überflüssig.
    Bei der Besetzung dieser Posten kann man zudem darauf achten das auch Minderheiten angemessen beteiligt sind, z.B. Schwule, Transgender und Muslime.
    Würde man z.B. SAP Vergesellschaften könnte man den Posten des Chefs des Aufsichtsrates der bislang von Hasso Plattner eingenommen wird – einem alten, weissen deutschen Mann der SAP von seinen Vater geerbt hat – z.B. mit Kevin Kühnert besetzen. Als junger schwuler demokratischer Sozialist wäre er besser geeignet als Hasso Plattner.

  4. frank am Februar 8th, 2023 6:34 am

    Die Auflage hat sich nicht „seit drei Jahrzehntenten“ halbiert, höchstens ‚in‘.

  5. ... der Trittbrettschreiber am Februar 8th, 2023 6:43 am

    @Albert Rech

    „Das Grundproblem des Kapitalismus ist das er dazu führt das Menschen mit dem niedrigsten moralischen Standard als Manager wirtschaftliche und politische Macht bekommen.“

    Das ist kein Problem sondern das Wesen des Kapitalismus. Nicht humanistisches gebildet sein ist erforderlich, sondern zielorientierter Pragmatismus, der nach dem Grundsatz ‚der Zweck(narzistischer Zuwachs) heiligt die Mittel‘ agiert.
    Das Pendant ist die Glorifizierung der ‚Gemeinschaft‘, das Sozialwesen des Kommunismus, des Sozialismus und(als Kroenung dieses Massenwahnsinns), des das Menschsein der meisten Individuen auf diesem Planeten verachtenden Nationalsozialismus.

    Was also kann nur die einzige Loesung sein, die die zukuenftig schwitzende und dehydrierende aber stets hopfende Menschheit retten wird??

    [bitte die JEVER-Sorte selbst eintragen(und austrinken!)]

    https://www.youtube.com/watch?v=9_LXvah_unQ

  6. Jens am Februar 8th, 2023 7:36 am

    „Würde man z.B. SAP Vergesellschaften könnte man den Posten des Chefs des Aufsichtsrates der bislang von Hasso Plattner eingenommen wird – einem alten, weissen deutschen Mann der SAP von seinen Vater geerbt hat – z.B. mit Kevin Kühnert besetzen.“
    Interessante Überlegung — was passiert aber, wenn das nicht Herr Kühnert, sondern Andreas Scheuer übernehmen soll?

  7. Die Anmerkung am Februar 8th, 2023 8:39 am

    https://www.welt.de/politik/ausland/article243655653/Biden-haelt-Rede-zur-Lage-der-Nation-Lasst-uns-unsere-Aufgabe-zu-Ende-bringen.html

    Als Kämpfer für die Arbeiterklasse eröffnet Joe Biden den Wahlkampf

    Stand: 07:23 Uhr | Lesedauer: 0,12345 Sekunden

    Von Jörg Wimalasena
    —–
    Mir fallen dazu nur selbst bei Burks im Kommentarkeller nicht geduldete Sätze ein, die auch unter Hinzuziehung von einem Kasten Veltins nicht blümeranter werden.

    Dummdreist ist das einzige Wort, das ich hier mal hinschreibe.

  8. blu_frisbee am Februar 8th, 2023 1:32 pm

    Das Sonnensystem ist instabil. Krisentheoretiker Marx sagte das selbe vom Kapitalismus. Ostblockideologen glaubten das Chaos durch Plan ersetzen zu können (wo das „Wertgesetz gilt“ etc).
    Im Licht von Gödel ist das reaktionärer Aberglaube.
    Bei Attraktorwechsel werden Systeme instabil.

    Es sieht so aus als hätt der K. Profitprobleme.
    Das liegt am System.
    Nazi glaubt es liegt unmoralischen bösen Jungs, im Prinzip wo Moral läuft das schon, unsichtbare Hand und so.

    Die reichsten florentiner Familien von 1500 sind auch heute noch.
    Vom Oberdeck der Titanic haben einige überlebt.

    Für die Proletarier siehts freilich beschissen aus (Verelendung). Bertelsmann exemplifizierts grade.

    Revolution (conditio sine qua non) reicht nicht.
    Freiwillig wird das Kapital Herrschaft & Eigentum nicht abgeben.

    Revolutionäre müssen auch danach noch vieles richtig machen.
    Sonst geht wieder die alte Scheiße los.

    Learning is a painful process
    https://www.youtube.com/watch?v=Dvi6n89JWUY

  9. admin am Februar 8th, 2023 1:50 pm

    Der Leser Frank hat recht.

  10. Trebon am Februar 8th, 2023 7:06 pm

    230 Mio für ne Leserschaft die mit Überschneidungen vielleicht 1/10 so groß ist wären ca. 10€/Consumer für eingeführte Massenmarken. Das ist ganz schön wenig zumal Sie nur im ersten Jahr anfallen. Print ist wohl mehr als tot.

    Überraschend ist das es erst jetzt passiert. Information ist heute überall verfügbar, werthaltig wie ein Becher Sand am Sahararand.

    Startups sind in Old Germany selten. Die denke man gibt 10 Konzepten Geld weil man weiß das eines alle Verluste der anderen mehr als ausgleichen wird ist den „Nieten in Nadelstreifen“ hierzulande fremd. Mittelalterliche Schuldturmdenke prägt die Szene. Wenn man mal woanders war ist es unglaublich wie primitiv und rückständig diese Land jenseits von mechanischer Fertigung ist. Neben der üblichen Berliner Betrügerszene (selbst Crowdfunder fragen einen ob man von da komme) läuft max. eine US Kopie irgendeines Handelsgeschäftes.

    In Sachen Kapitalismus kann man nur wiederholen das der größte Kapitalist nun mal der Staat ist. Neben wenigen Leistungen die meist zusätzlich allen abgepresst werden lebt er hauptsächlich von Zwangsabgaben die man strukturell genau so als Zinsen sehen kann wie die hirnlose Extraprofite der marxistischen Glaubensgemeinschaft.

  11. multiplikato am Februar 8th, 2023 7:15 pm

    Feststellen, was in der DDR schon ein Grundschüler wusste, ist kein grosses Ding. Und da im Osten Jeder, wirklich Jeder, die Ökonomie des Kapitalismus zwei Semester lang hatte auch nichts Neues. Das importierte „Geistewissenschaftler“ und Spinner bei den Linken das nicht verstehen, ist nur normal.

  12. Godwin am Februar 8th, 2023 8:51 pm

    schade, dass der Otto-Normal-Wähler ebenfalls keinerlei Unternehmergeist besitzt.
    Da wären bei der nächsten Wahl ein paar riesige Entlassungs-Wellen vorprogramiert

    https://tarnkappe.info/artikel/mobilfunk/smartphones/akku-fest-verbaut-in-smartphones-bleibt-das-wohl-vorerst-so-265011.html

  13. nh am Februar 9th, 2023 6:16 pm

    Bertelsmann war ein glühender Nationalsozialist, der es verstand als erster eine Veröffentlichkeitsfabrik unter alliierter Aufsicht zu errichten.
    In den 50-70ern und nach der Wende im Osten waren Pressure-Groups unterwegs, um printierten Tand an die Bevölkerung zu verscherbeln (Bertelsmann-Lexikon, hab ich hier noch stehen).
    Self-made by Einschleiming bei Amis.
    Das Schwanzlutschwunder Liz hat dann die Ehe sabotiert und lässt es sich nun im Burj-Kalif mit Wonderboys gutgehen.
    Dito mit F. Springer.
    Merkel muss dagegen im grauen Berlin mit dem komischen Knödel ausharren. Teechen mit den beiden obengenannten gibts auch nicht mehr, aber einen dubiosen Einreisepreis bei der UNESCO.
    Ist mir schlecht.

  14. Albert Rech am Februar 9th, 2023 6:35 pm

    @Trebon
    Staatliche Zwangsabgaben (schon dieses Wort ist eine neoliberale Dogwhistle) sind nicht das gleiche wie der Mehrwert den der Kapitalist vom Arbeiter rafft.
    Während der Kapitalist diesen leistungslos abgepressten Mehrwert ohne jegliche demokratische Kontrolle für sinnloses Zeug wie eine Villa, eine Yacht, einen Privatjet oder den Unterhalt von Stiftungen und Sportvereinen verjubelt sind die staatlichen Abgaben Ausgleich für die staatliche Infrastruktur (wie z.B. Unis) die für alle kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
    Über die Verwendung wird dann auch demokratisch entschieden, und die ist in den meisten Fällen sinnvoll.
    So werden z.B. die Nichtregierungsorganisationen die für geschlechtergerechte Sprache oder die lebensnotwendige medizinische Versorgung von trans-Kindern kämpfen über das Förderprogramm „Demokratie leben“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert.

  15. Cpt Arrowhead am Februar 9th, 2023 11:45 pm

    @Albert Rech

    Buttons are working but the electricity’s out

  16. Trebon am Februar 10th, 2023 12:32 am

    @A.Rech
    Also ich muss zugeben das dieser Rant deutlich intelligenter als der meine ist, wenn auch etwas mechanistisch.

    Zu meiner Entlastung möchte ich anführen das ich hier nur poste weil ich u.a. politische Fastenzeit habe und mir die Foren wo ich mich gewohnheitsmäßig herumtreibe zur Zeit versage.

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