Koordinierung aller möglichen Interessen

reuss

Das ist großes Kino! Ein Immobilienmakler will die Regierung stürzen. Was will man von Immobilienmaklern erwarten? Es fällt mir schwer, diese Räuberpistole ernst zu nehmen. Hätte man die Reichsbürger nicht einfach auf der Reichsautobahn einem Parkplatz festkleben können?

Wenn es aber stimmt, dass sie bewaffnet in den Bundestag eindringen wollten (vermutlich von einem Agent Provocateur Verfassungsschutzspitzel verraten, oder die Bande wusste nicht, wie man E-Mails verschlüsselt), muss man das ernster nehmen als bloßen Klamauk.

Ich rate aber zur Vorsicht: die Grenze zwischen wirrem Wahnsinn und dem, was als „normal“ gilt, ist fließend. Die Beschuldigten verbinde – wie für die Reichsbürger-Szene charakteristisch – „eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“, hieß es. Das sind doch alles sinnfreie Textbausteine. Die „freiheitliche“ (was ist für ein Wort?) demokratische (das ist doppelt gemoppelt – oder gibt es auch unfreiheitliche Demokratien?) Grundordnung (was unterscheidet die Grundordnung von der Ordnung?) ist nicht identisch mit dem Kapitalismus, da bekanntlich die Verfassung, auf die sich die Textbaustein-Facharbeiter beziehen, den Kapitalismus nicht vorschreibt, sondern die Frage offen lässt, wie die Ökonomie gestaltet werden soll. Merke: Man kann den Kapitalismus „tief“ ablehnen und trotzdem auf dem GrundBoden der Demokratie verharren.

Den üblichen Verdächtigen missfällt das selbstredend zutiefst. Der Verfassungsschutz, der nicht die nicht vorhandene Verfassung schützt (gemeint ist das Grundgesetz), ist mitnichten neutral, sondern möchte dem Kapitalismus auf ewig zementieren oder zumindest so lange wie die NSU-Akten geheim sein sollten.

tagesspiegel

Es wurde auch kein „Adliger“ verhaftet. Die Verfassung der Weimarer Republik ist eindeutig: „Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben. Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“

So etwas wissen Journalisten nur selten. Allgemeinbildung wird nicht mehr gefragt. Viel wichtiger sind die sexuelle Orientierung, das Bekenntnis zur Gendersprache und ob die Vorfahren eingewandert sind.