Ein Stock auf dem Tungurahua, Patella partita und drei Prozent

tungurahua

Während die Weltläufte wie gewohnt vor sich hinblubbern, Kriege kriegen, Intrigen gesponnen werden, heiße Luft aus den Mäulern der Politiker entweicht, propere Mädels busenschüttelnd instagramen, aber eigentlich nichts passiert, muss ich noch kurz etwas zum ecuadorianischen Vulkan Tungurahua ergänzen, (5,023 m), den ich 1979 erklettert habe – und das im Gegensatz zu Alexander von Humboldt auch schaffte. Heute wird dringend davon abgeraten, da hochzusteigen, da der Tungurahua seit 1999 wieder aktiv und äußerst gefährlich ist.

Mir wird heute noch schummrig, wenn ich eines der Videos der diversen Eruptionen ansehe. Uns hatte niemand erzählt, dass es durchaus ein gewissen Risiko eines Ausbruchs gab. Wir haben auch niemanden gefragt. Aber Warnungen hätten mich, jung und naiv wie ich war, vermutlich nicht abgehalten.

Wir brauchten drei Tage: einen für den Aufstieg zur Hütte, die auf knapp 4000 Höhenmetern lag (natürlich ist sie weg). Am nächsten Tag bin ich allein zum Gipfel, weil die anderen drei zu erschöpft waren und lieber an der Hütte blieben. Aus mir heute unverständlichen Gründen hatte ich auch meine Kamera in der Hütte gelassen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie es sich anfühlt, mit Halbschuhen (!) Lavafelder hinaufzusteigen, immer zwei Schritte vor zu klettern und mindestens einen wieder zurückzurutschen. Als der Boden wieder fester wurde, kamen dann der Gletscher und Schneefelder, was das Klettern auch nicht bequemer machte. Zwischendurch wurde es auch richtig steil und mir mulmig. Ich hatte weder Kletterausrüstung noch passende Kleidung dabei – aber der Himmel blieb strahlend blau. Gegen Mittag kam ich im Krater an, genoss die großartige Aussicht auf die anderen Vulkane, rastete ein wenig, nahm Gestein als Andenken mit und kletterte dann wieder die rund rund 1000 Höhenmeter hinunter. Das haut dann richtig in die Knie.

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich gebraucht habe – ich bin am frühen Morgen los und kam am späten Nachmittag wieder an der Hütte an, wo die anderen schon sorgenvoll warteten. Da ist auch das Foto entstanden. Ich war fix und fertig. Ich habe da einen Stock in der Hand, den ich mir bei Erreichen der Baumgrenze zurechtgeschnitzt hatte. Mein rechtes Knie tat höllisch weh, und ich konnte kaum auftreten.

Warum? Ich habe von Geburt an eine Partella partita (hallo Harald!). Das ist keine Missbildung, sondern kommt eben mal vor. Eine Teilung der Kniescheibe (Patella) in mehrere Knochenelemente ist eine angeborene Fehlbildung der Kniescheibe, die bei einem bis drei Prozent aller Menschen vorkommt. Von einer geteilten Kniescheibe sind neunmal mehr Männer als Frauen betroffen. Ich bin also eine winzige Minderheit.

Es macht auch keinen Unterschied zu nicht gespaltenen Kniescheiben, aber bei langen und extremen Belastungen kann es in seltenen Fällen schmerzen. Ich hatte das nur auf dem Tungurahua und einmal beim Skifahren, aber nie beim Kampfsport. Man müsste dann einen Tag pausieren. Was macht man aber, wenn man auf einem Fünftausender ist und nicht einfach runterrutschen kann? Deshalb der Stock… Ich bin humpelnd hinab – Augen auf und durch.

image_pdfimage_print

Kommentare

Schreibe einen Kommentar