Unter Rechtsruckenden

trump netanjahu
So wie ich es verstehe, zeiht der „Tagesspiegel“ Trump und Netanjahu des Antisemitismus.

„Um die politische Stimmung der [bitte selbst Ausfüllen] Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten in einem Wort zusammenzufassen, reicht der einfache Begriff „Rechtsruck“ aus.“

Das ist ja mal eine profunde Analyse, Hauptstadt-Qualitätsmedien! Auch wenn uns hier Journalisten-Wokistan entgegenquillt: Ich muss das Geheule zum Anlass nehmen, eine meiner Arbeitshypothesen über die Weltläufte zu revidieren.

Bekanntlich buckeln die Mittelklassen im Kapitalismus nach oben und treten nach unten. Zu ihren vermeintlichen Überlebenstaktiken im Klassenkampf gehört, denen da unten Vorschriften über das Verhalten („Erziehung“, Sprache, „Benehmen“) zu machen. Man hofft irrig, das würde denen da oben gefallen (das klassische Motiv beim religiösen Opfer: Man gibt etwas ab und hofft, das würden die höheren Wesen goutieren besänftigen). So eine Attitude wirkt auch „nach Innen“ reglemenetierend. Dahinter steht ebenfalls ein Hoffen: Ich halte mich an Regeln, und das werden die da oben, die das gar nicht nötig haben, auch tun (vgl. Die Bösen sind die anderen.)

Bisher dachte ich, dass Wokistan, also sich primär um „Klima“, Rassismus und Gendersterchen zu bemühen, das Kapitalismus und die Systemfrage aber tunlichst nicht zu erwähnen, ein Produkt des mitteleuropäischen Protestantismus sei, zumal die Mittelklassen der USA, von denen die trübe weltanschauliche Brühe herüberschwappt, noch protestantischer sind als in Europa. Jetzt musste ich lernen, dass es in Israel genau so ist. Und dort ist Protestantismus weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart zu finden.

Will man in deutschen Qualitätsmedien auf Israel eindreschen, zitiert man entweder die Haaretz, die in Israel so populär ist wie hierzulande die Jungle World, oder sucht sich Juden, von denen man weiß, dass sie genau das von sich geben, was erwartet wird. Von Zimmermann und Stein weiß man, dass sie schon immer gegen Netanjahu waren – die Autoren liefern also zuverlässig, was man in Deutschland hören will, auch abseits der Qualitätsmedien. Moshe Zuckermann behauptet eine „massive Faschisierung und Klerikalisierung eines Großteils der israelischen Gesellschaft.“ Faschismus! In Israel!

Im „Tagesspiegel“ lesen wir: Rechts bedeutet in Israel nicht unbedingt eine konservative oder neo-liberale Wirtschafts- und Sozialpolitik; auch geht es nicht nur darum, ein betont nationalistisches Programm zu fördern, sondern meist bedeutet es ein ethnozentrisches Verständnis von Staatsbürgerschaft. (Moshe Zimmermann und Shimon Stein.)

„Rechts“ wäre vermutlich, folgte man dieser These, wenn jemand forderte, Israel solle ein Staat der Juden sein, nicht aber für Araber oder Sudanesen.

Was bei jüdischen Autoren, die in deutschen Mainstream-Medien veröffentlichen, immer zuverlässig wie ein Echo folgt, ist der Textbaustein: „beanspruchen für Israel die besetzten Palästinensergebiete“.

Welche Gebiete sind noch mal „besetzt“? Zum Erinnern: der Staat „Palästina“ wurde am 15. November 1988 in Algier von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) als Staat der Palästinenser ausgerufen. Dann ist ja alles gut. Und dieser „Staat“ beansprucht laut Wikipedia „das von Israel seit 1967 besetzte Westjordanland und den Gazastreifen, mit Ostjerusalem als Hauptstadt des Staatsgebiets.“

Was war 1967? Der Sechstagekrieg. Warum nur sechs Tage? „Nach nur sechs Tagen hatten die Israelis die feindlichen Linien durchbrochen und waren kurz davor, in Kairo, Amman und Damaskus einzumarschieren.“ Ach? Man möchte also das Ergebnis diese Krieges – Israel gegen alle Nachbarn – rückgängig machen? Die Israelis wären schon blöd, wenn sie sich darauf einließen.

Bereits am 11. Juni 1967 wurde der letzte Waffenstillstand unterzeichnet. Daraufhin fand im August 1967 in der sudanesischen Hauptstadt Khartum eine Gipfelkonferenz aller arabischen Staaten statt, die mit der Khartum-Resolution ihre weitere Politik auf drei klare „Nein“ festlegten:
„Kein Frieden mit Israel, keine Verhandlungen mit Israel, keine Anerkennung Israels.“

Tja Araber, wenn man ein großen Maul hat, aber nichts dahinter, dann muss man mit den Folgen leben. Man kann nicht jemandem etwas „zurückgeben“, was dieser nur nach eigener Ansicht besessen hat.

Jetzt, liebes Publikum, fragt mal eure Peer Group, was 1967 im Nahen Osten geschah und welche Folgen das hatte. Die Befragten dürfen aber nicht googeln, sondern müssen spontan antworten.

Nein, der Artikel ist noch nicht zu seinem wohlverdienten Ende gekommen. Ich habe die israelische „Linke“ im Verdacht, dass sie, wie auch die deutsche „Linke“, völkisch denkt, also rechts, weil sie die so genannten „Palästinenser“ für ein „Volk“ hält (Echo: Kurden, Basken, Schotten, Ukrainer, Waliser – und nie an den Klassenkampf denken oder daran, dass der Proletarier kein „Vaterland“ hat). Das ist zumindest strittig.

Ich bin mir sicher, dass die Israelis sich für die Ökonomie interessieren, für die Preise, für Sicherheit vor den Terrorangriffen der Hamas und auf den Straßen. (Wenn israelische Frauen von illegalen Einwanderern vergewaltigt werden, dann reden deutsche Zeitungen lieber über den „Rassismus“ in Israel.) Die israelische „Linke“ hat dazu genau so wenig zu sagen wie die deutsche „Linke“. Und Sympathie für einen „Palästinenserstaat“ hat die Mehrheit zum Glück nicht. Daher das Wahldesaster für die Linke.

Postscriptum. Wer wissen will, warum auch in Israel die Religioten auf dem Vormarsch sind, der lese das Buch Gilles Kepels „Die Rache Gottes – Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch“. Das ist zwar schon vor 30 Jahren erschienen, erklärt aber immer noch die Gegenwart. Damals schrieb ein Rezensent: Die Rache Gottes, so hatte der französische Fundamentalismusforscher Gilles Kepel für die achtziger Jahre konstatiert, ist die Wiederkehr der verdrängten Religionen. Sie kamen aber nicht als bloße Frömmigkeit zurück, sondern als Griff nach der Macht, als Wille zur Herrschaft. Der politisch-religiöse Fundamentalismus sucht die Vorherrschaft zuerst über Kultur und Gesellschaft und dann über den ganzen Staat. Er ist heute eine Macht, nicht überall im Zentrum des Geschehens, aber fast überall auf dem Sprung.

Jetzt habe ich versehentlich ein Wort zum Sonntag geschrieben.