Literarisches Fernweh

san andres

Die Insel San Andrés, Kolumbien (kein deutscher Wikipedia-Eintrag?), liegt auf der Höhe der Küste Nicaraguas, noch nördlich von Bluefields, und war 1979, als ich das Foto gemacht habe, ein verschlafenes Eiland, auf dem nur einige reiche Kolumbianer Urlaub machten. Der 4. November 1979 war mein erster Abend in Südamerika. Ich war von Tegucigalpa, Honduras, nach San Andres geflogen.

Ich lese gerade ein paar Bücher gleichzeitig. Einige lege ich wieder weg, weil sie mir nicht gefallen, andere sind überraschend gut. Weggelegt habe ich nach rund 50 Seiten Christian Baron: „Schön ist die Nacht“. Barons andere Bücher gefielen mir wesentlich besser. Man muss Baron zugute halten, dass er eine Zeit und Personen beschreibt, die in der deutschen Literatur nicht wirklich vorkommen, weil das Proletariat in der herrschenden Meinung nicht existiert, schon gar nicht als Klasse. Ein Mann seiner Klasse, der Kaiserslautern zu einem literarischen Ort machte, war aber eher eine Reportage. Das neueste Werk versucht sich daran, aber die Aufgabe, die Sprache der so genannten „Unterschicht“ zu spiegeln, gelingt Baron nicht. Mira, zahn Jahre jung, war scheu wie ein Reh, aber schlau wie eine Füchsin. Und Juliane, die Kleinste (…) war mit ihren sieben Jahren frech wie ein Marder und im Kopf flink wie ein Wiesel. Ich kenne bessere Vergleiche. Daher schwankt der Stil zwischen der direkten Rede, die „prollig“ sein und auch noch irgendwie den Pfälzer Dialekt wiedergeben soll, und der Geschichte, die nur dort Atmosphäre erzeugt, wenn es um Dinge geht, die der Autor offenbar aus seiner Jugend gut kennt, wie etwa eine Eckkneipe. Das Buch ist viel besser als alle anderen Romane aus Deutschland, die zur Zeit auf dem Markt sind, aber ich kenne das Milieu aus eigener Erfahrung, nur eben in der Ruhrpott-Version. Ich reisst mich nicht vom Hocker; lieber widme ich mich den zahllosen ungelesenen Sachbüchern, die hier herumliegen.

Das erste, was mir in die Finger geriet, war Christian Y. Schmidts Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu. Ein ganz großartiger „Reiseführer“, bei dem ich fast in jeder Zeile schmunzeln, oft schallend lachen muss. Ein Rezensent schrieb ganz richtig: Ein Buch, „das bestens neben den Werken von witzigen Reisebuchautoren wie Bill Bryson oder Douglas Adams bestehen kann“. Ich habe Lust bekommen, nach China zu reisen. Aber wann? Und wie lange? Und ich kann auch nur wenige Wort Mandarin.

Als ich darüber sinnierte, fiel mir auf, dass fast alle meine Reisen und Interessen von irgendwelchen Büchern beeinflusst wurden, die ich schon als Kind und Junge gelesen habe.

Konquistadoren
Illustration aus „Mit den Konquistadoren ins Goldland“

Ich schrieb 1997 bzw. 2020: Hans Hauser ist eine literarische Figur, die zum Glück und zu Recht vergessen worden ist. „Mit den Konquistadoren ins Goldland“ hieß das Buch, erschienen im Jahr 1958 in Stuttgart, von einem ebenso vergessenen Autor: Blonde deutsche Männer sorgen in fremden Landen für Ordnung, bekehren heidnische wilde Indianer und erleben prächtige Abenteuer. Der Held ist frei erfunden, nicht jedoch die Nebenfiguren: der leutselige Ambrosius Dalfinger, der tapfere Georg Hohermuth von Speyer, der stolze Philipp von Hutten und der finstere Nikolaus Federmann, Gründer von Bogota.

„Was so durch kindliche Eindrücke, was durch Zufälligkeiten der Lebensverhältnisse in uns erweckt wird, nimmt später eine ernstere Richtung an, wird oft ein Motiv wissenschaftlicher Arbeiten, weiterführender Unternehmungen.“ Das schreibt Alexander von Humboldt über das Motiv seiner Reise.

Bei mir kamen für meine Südamerika-Affinität Am Rio de la Plata und In den Cordilleren dazu, Bücher, die ich beide verschlungen habe, sogar mehrfach, später noch Das Vermächtnis des Inka.

reisen humboldts
Reiseweg Alexander von Humboldts nach Südamerika, Mexiko und Kuba, aus: Alexander von Humboldt: „Südamerikanische Reise“. Das Buch hat mich 1998 durch Venezuela begleitet.

Im nächsten Jahr will ich unbedingt nach Israel. Ich habe, als ich 13 oder 14 war, Leon Uris‘ Roman Exodus gelesen. Das Buch hat mich zutiefst beeindruckt und bis heute gefesselt. Mein Israel-Bild hat sich seitdem auch nicht viel geändert. Man sollte auch es allen Arabern zwangsweise zum Lesen verordnen. Heute gehören natürlich Hatufim und Fauda zum Bildungscanon.

Es könnte also so kommen: 2023 Israel, 2024 China, 2025… eigentlich ist es überall interessant. Der Urwald Kolumbiens ist immer empfehlenswert, aber ich müsste vorher dann noch Schießen und Krav Maga üben. Und letzteres hat mir mein Chirurg verboten.

anden peru
Leider bin ich mir nicht ganz sicher, wo ich diese Foto der Abenddämmerung in den peruansichen Anden gemacht habe. Ich tippe auf Winay Wayna, einen Tagesmarsch vor Machu Picchu. Ich war da zwei Mal, aber der Bergkamm sieht irgendwie anders aus.

image_pdfimage_print

Kommentare

5 Kommentare zu “Literarisches Fernweh”

  1. Godwin am August 22nd, 2022 3:57 pm

    Israel sehr zu empfehlen
    Vergiss die PalästinenserGebiete nicht.

    Vermutlich wird dir das, was die Palästinenser zu sagen haben, am Ar… vorbei gehen. Aber die offensichtlichen Gegensätze etc sind es wert.

  2. /dev/null am August 22nd, 2022 4:18 pm

    Eilat mit seinen Stahlzäunen und Parkplätzen ist eine Reise wert.
    Schön die ca 10km bis zum Grenzübergang Sinai an der Western Ranch vorbei, wunderbar bunte Fische im Wasser, abendliche jordanische Lichtkulisse (einfach mit oder ohne Zelt am Strand auf ca Km 8-9) oder die Vogelschauwarte (Knotenpunkt Europa-Afrika).

    Oder man schaut sich die Parkplätze mit den endgelagerten europäischen Autos an (laut Anwohnern etwa 10Mio Euro Parkplatzeinnahmen im Monat)

  3. admin am August 22nd, 2022 4:49 pm

    Die so genannten Palästinenser interessieren mich aber nicht.

  4. tom am August 22nd, 2022 7:02 pm

    https://youtu.be/FoO-qpfzU0g?t=552
    Kannst mit etwas Glück zugucken, wie arabische (nicht-palästinensische) Terroristen aus halb-humanitären (haha) Gründen für die nächsten „Einsätze“ aufgepäppelt werden.

  5. gottfried24 am August 23rd, 2022 2:52 pm

    Hallo Herr Schröder, was sind Ihre „Dusch-Tipps“ für uns?

    Waschlappen sind derzeit Kult und nicht Reisen in ferne Länder oder Palästinenser oder sowas … vielleicht haben Sie das nur übersehen. Ihrer Schilderung nach sind Sie derzeit sehr umtriebig und beschäftigt. Damit es Ihnen nicht entgeht informiere ich Sie jetzt über den aktuellen Stand in Sachen „Dusch-Tipps“:

    Tippgeber Nummer 1 ist seit ein paar Tagen der Winfried Kretschmann und der hat es schon wieder getan und verschweigt der Öffentlichkeit seine beiden e-bikes, sein großes und das kleine e-Auto, seine Solarzellen auf dem Hausdach und woher sein Geldsegen stammt. Jetzt will er seine Heizung umrüsten bzw. komplett austauschen und empfiehlt es ihm nachzumachen.

    Dachte Sie würden den Winfried Kretschmann regelmäßig in Ihrem blog erwähnen, schließlich wollten Sie mit dem gemeinsam meine Eltern umerziehen und jetzt gibt der sogar Ihnen, dem Genossen, „Hilfen für die Lebensführung“.

    Den Genossen Reinhard Bütikofer erwähnen Sie ebenfalls nie. Der verdient sich derzeit genauso wie ein anderer Genosse, Guido Reil, in Brüssel „dumm und dämlich“. Das sind schlaue Burschen, aber die sind nicht so schlau wie der Winfried.

    Sie dürfen sich gerne mit Winfried solidarisieren. Ein schwarz-weiß Foto aus Ihrer Jugend mit Waschlappen im damals üblichen +100 Liter Blechzuber sitzend gibt es wohl nicht? Sie hätten es als Solidaritätsbeweis bestimmt umgehend veröffentlicht. Sie dürfen auch gerne noch heute nackt in die Spree hüpfen und von sich ein „Selfie“ bei der Körperhygiene machen und es hier im blog veröffentlichen. Aber Achtung! In der Spree sollen viele abgehackte Schafsköpfe treiben. Kollidieren Sie nicht mit einem. :) Früher – vor und nach dem 1. Weltkrieg – waren es übrigens vermehrt Frauenleichen die in der Spree trieben. Ja, die Zeiten ändern sich zum Positiven.

    Als ich im Vorschulalter war hatte der Nachbar seine Kühe direkt neben den Schlafzimmern liegenden Räumen untergebracht. Der brauchte im Winter – und damals gab es noch richtige Winter – gar keine Heizung sondern nur eine nahezu nonstop befeuerte (weiß ich aber nicht genau) Kochstelle in der sehr großen Küche. Für die Kochstelle war die Altbäuerin aka Oma zuständig. Für das Beschaffen von Brennholz der Altbauer aka Opa. Letzteres war ein „fulltime job“.

Schreibe einen Kommentar