Foodporn: Kaloriengefürchtetes Geselchtes

kasseler mit bohnen

Frage: Warum geht man in ein Restaurant, wenn man das Essen, was dort geboten wird, auch selbst zubereiten kann und sogar besser? Nur um sich die Mühe des Kochens zu sparen, aus Zeitmangel oder weil der Kreis der Esser zu groß ist? Gibt es noch andere Gründe? Mir fallen keine ein. Noch könnte ich es mir leisten, aber wer weiß, wie das wird, wenn ich erst einmal alt werde. (Hat da jemand gelacht?)

Hier also Kasseler im Topf geschmort an frischen Bohnen mit Speck und Erdäpfeln Kartoffeln als Sättigungsbeilage. Ich musste meinem Mitbewohner, der nur wenig Deutsch spricht, erklären, was Koscheres auf dem Teller lag. Auf Spanisch oder Englisch musste ich passen – also Alexa das Internet: Kasseler kommt mitnichten vom gleichnamigen Ort, sondern von der Kasserolle, ist also Französisch, obwohl es dazu auch andere Theorien, gibt, die ersteres nicht ausschließen. Carne curada, das mir von Google angeboten wird, trifft es vermutlich nicht richtig, weil „gepökelt“ eigentlich „salar“ heißen müsste?

Die frischen (!) Bohnen kann man auch professionell zubereiten: Nach dem Waschen und Kochen mit Bohnenkraut (Lidl: „Ham wa nich!“) mit Eiswasser abschrecken.

Die Dienstvorschrift geht so: Die Zwiebeln in große Würfel schneiden. Die Margarine oder das Butterschmalz in einem großen Topf zerlassen und das Kasseler darin von allen Seiten kräftig anbraten. Dann das Kasseler aus dem Topf nehmen und auf einem Teller zur Seite stellen. Die Zwiebeln in den Topf geben und braun werden lassen.

Wenn die Zwiebeln leicht angebräunt sind, das Kasseler wieder zurück in den Topf geben. Das Wasser (am besten: heißes) dazu gießen – ungefähr so viel, dass das Fleisch zu zwei Dritteln bedeckt ist. Aufkochen lassen und ca. 60 Minuten bei mittlerer Hitze im geschlossenen Topf schmoren.

Dann nach Bedarf Salzen und Pfeffern. Ich musste gar kein Salz nehmen, da das Fleisch schon salzig genug war. (Ich habe als Student einmal in einer „Speckfabrik“ gearbeitet; ich weiß, was man da macht und vor allem wie.)

Das Kasseler herausnehmen und in Scheiben schneiden. Die Flüssigkeit mit dem Soßenbinder andicken und die Kasselerscheiben zurück in die Soße geben.

Ich hatte in der Zwischenzeit schon die Kartoffeln und die Bohnen gekocht und letzere mit Speck noch einmal angebraten. Beides kam getrennt in eine offenen und gefettete Auflaufform in den Backofen, sodass ich ca. 20 Minuten, bevor das Fleisch mit der Sauce fertig war, denselben anwerfen konnte, damit alles gleichzeitig und warm auf dem Tisch war.

Nachtisch: Vanilleeis mit heißer Schokosauce und ebensolchen Himbeeren.

Jetzt die Pointe: Wenn man die Kosten meines Mahl mit dem Preis eines vergleichbaren Gerichts im Restaurant meines Vertrauens vergleicht, lernt man etwas über Surplusprofit (man möge mir verzeihen – das ist nicht der korrekte Begriff): Kasseler kostet beim Metzger meines Vertrauens 20 Euro pro Kilo; ich hatte 750 Gramm für zwei Personen gekauft, was schon recht viel ist. Kasseler für eine Person kostet also, wenn man es selbst macht, halb so viel wie in einem guten Restaurant. Der Selbstkostenpreis meines Bratens samt Beilagen für eine Person läge um die zehn Euro. Jetzt mein Stundenmindestlohn dazugerechnet…

Oder habe ich mich verrechnet?

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Kommentare

10 Kommentare zu “Foodporn: Kaloriengefürchtetes Geselchtes”

  1. Die Anmerkung am Juli 31st, 2022 11:26 am

    Eine Fachfrage der Rechtschreibung bzw. eine regionaler Dialekte.

    Ich kenne das unter Kaßler oder neududisch Kassler, wenn man den Bürger aus Kassel, der auch ein Kassler ist, mal außen vor läßt.

    https://www.duden.de/rechtschreibung/Kassler_Fleisch_gepoekelt

    Abseits davon hätte bei dieser Zubereitungsvariante auch ein Knoblauchzehe in den Topf gepaßt.

    Hier noch eine andere Version, nur für’s Fleisch.

    https://www.chefkoch.de/rezepte/2509891393918515/Kasseler-mit-Knoblauch-fuers-Buffet.html

  2. gottfried24 am Juli 31st, 2022 11:56 am

    Bei uns läuft das unter „Bohnen, Birnen, Speck“ oder „Birnen, Bohnen, Speck“.

    Kassler und Kartoffeln dazu sind Erfindungen der Neuzeit. Genauso Bohnenkraut und andere Gewürze dazu. Dieses Essen gab es entweder dann, wenn Bohnenernte war oder aus Einmachgläsern. Speck gab es damals auf jedem Bauernhof in größeren Mengen. Der hing im Rauch – meist – über den Kühen.

    Der Speck war Schweinebacke bei meiner Oma. Meine Mutter nahm Kassler. Das war ursprünglich ein reines norddeutsches Bauernessen und wurde für 10 bis 20 Personen gekocht, je nachdem wie viele auf einem Bauernhof wohnten. Damals gab es noch 50 Liter „Kochtöpfe“ und passende Kochstellen.

    Alfred Biolek und Heidi Kabel haben das gemeinsam bei Alfredissimo gekocht. Dieses Essen war nicht so im Sinne des Herrn Biolek. Die Heidi Kabel schmiß die Zutaten damals mehr oder weniger in einen Topf mit Wasser und legte den Deckel drauf. Biolek hatte ganz offensichtlich ein 2 Sterne Menü erwartet.

    Die Birne muß übrigens sein. Ohne gekochte Birne schmeckt das fade.

  3. admin am Juli 31st, 2022 12:39 pm

    Danke für den Hinweis auf die Birne. Ist vorgemerkt.

  4. markenware am Juli 31st, 2022 2:25 pm

    Die Kalkulation des Restaurants ist komplexer.

    Das fängt schon bei den Personalkosten an: da zählt nicht nur der einzelne Koch, sondern auch Service, Buchhaltung, Reinigung etc. Ansonsten Miete, Inventar, Instandhaltung, Energie usw.. Außerdem Mischkalkulation; bei meinem Bäcker subventionieren die Brötchen z.B. den Wiener Bisquitboden. Im Restaurant sind es eher die Getränke.

    Unterm Strich scheint es sich aber trotzdem zu lohnen.

  5. tom am Juli 31st, 2022 5:47 pm

    Ins Restaurant geht ein Mensch, der selbst gut kochen kann:
    1. Weil sie sich auch mal bedienen lassen will.
    2. Weil sie nach dem Essen nicht die Küche aufräumen will.
    3. Weil man auch mal „rauskommen“ will.
    4. Weil bei aller Mühe gewisse exotische Speisen daheim nur zu 95% hinzukriegen sind.

    Bei Deiner Berechnung solltest Du bedenken, dass die Kassler-Portion in der Kneipe entweder deutlich kleiner als die Deine ist oder/und das Fleisch im EK weniger kostet. Standard-Kalkulation warmes Essen min. Faktor 3. Siehe Kommentar von markenware. Geschäfte werden mit Gesöff gemacht. Wie mir ein deutscher Gastronom in Spanien verriet: Kochen lohnt nicht, Zapfhahn auf und zu geht viel schneller und Küche brauchst auch nicht.

  6. Herbert Eisenbeiß am Juli 31st, 2022 9:17 pm

    Also faule Gastronomen berechnen ihre Preise nach der einfachen Aufschlagskalkulation. Das ist mehr so eine Methode wenn’s denn eben schnell gehen soll, die vieles nicht berücksichtigt, aber wohl immer noch gut genug funktioniert.

    Das sieht dann so aus: Wareneinsatz x 4 = Verkaufspreis mit Mehrwertsteuer.

    Zum Beispiel kostet ein Burger von den Lebensmitteln her 2,44 € – ergibt nach der Methode 9,76 €. Aufgerundet zu 9,90 € – und fertig ist der Preis

    Da das Rezept hier aufwendiger als der Kassler in der Villa Rixdorf ist – es werden mehr Zutaten benutzt – wäre es folgerichtig in dem Gasthof teurer als das aktuelle Kassler auf der Speisekarte.

    Die Preise für Getränke enthalten oft höhere Gewinnspannen.

    Wer es natürlich genauer haben will, greift zu besseren Methoden.

    Ja, und warum in einem Gasthof oder sonst wo außer Haus essen gehen? Ich habe beispielsweise gerne ab und an eine gut fritierte Portion Pommes. Dafür aber will ich mir weder eine Friteuse anschaffen, noch die Bude voll stinken – also esse ich die außerhalb.

  7. Herbert Eisenbeiß am Juli 31st, 2022 9:39 pm

    Noch eine weitere, wichtige Sache: Gastronomen sind als Gewerbetreibende gegenüber dem Finanzamt vorsteuerabzugsberechtigt. Damit sind natürlich die Einkaufspreise nach Abzug günstiger als das, was man als Endverbraucher bekommt.

  8. André Dreilich am August 1st, 2022 8:38 am

    Volle Zustimmung zur „Eisenbeiß-Kalkulation“ ;-) Ich kenne das aus beruflichem Tun von vielen Bäckern, Faktor 3 oder 4 ist dort ebenfalls üblich. In vielen kleinen und mittleren Betrieben wird keine wirkliche Kostenrechnung gemacht, solange es „passt“ und Geld auf dem Konto ist. Das kann bei einer Prüfung spannend werden, wenn die Umsatzrentabilität gar zu sehr von branchenüblichen Vergleichswerten abweicht. Prüfer bekommen dann leuchtende Augen …
    Noch eine Anmerkung zum Burksschen Preisvergleich: Diese muss zwangsläufig günstiger ausfallen, weil Dinge Abschreibung, BG, Versicherung, … nicht einfließen. Bitte aber unbedingt die Energiekosten im Auge behalten. Ich habe vorgestern Moussaka gemacht, da schlagen 40 Minuten im Backofen anteilig mehr zu Buche als in einer gut ausgelasteten Gastroküche.

  9. frater mosses von lobdenberg am August 1st, 2022 6:50 pm

    Bohnenkraut hat man sommers am Balkon (wuchert fast wie Minze) und winters getrocknet im Glas oder tiefgefroren. Lidl, pöh…

  10. nh am August 5th, 2022 7:06 pm

    Ich erinnere daran, dass solche Kleinbetriebe „natürlich“ volle Sozialabgaben Krankenversicherungsbeiträge Arbeitslosenvorsorgebeiträge
    Rentenabgaben o.ä. , Handelskammerbeiträge und je nach Innung irgendetwas von ihrer Leistung „abzugeben“ haben um fettärschigen Funktionären den Lebensabend zu retten.
    70er Jahre : Ein Kumpel als Dachdecker zeigt mir seinen ersten Lohnstreifen.
    Jo, für sowas soll ich arbeiten ???
    Nee.
    Der hat geweint für das, was er den ganzen Monat
    malocht hat.
    Heutzutage wird abgelutscht was das Zeug hält um Nafris ruhigzuhalten. Damals war es eine Frechheit den Azubis gegenüber.
    Apropos Fachkraefte : HAHHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHA
    Wer ist so blöd in D noch zu arbeiten

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