Wimmelbild der Lüste und auch anderer Dinge

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Hieronymus Bosch aka Jheronimus van Aken: Garten der Lüste (1490-1500)

bosch Ich darf kurz zwischendurch ein Buch Stefan Fischers über Hieronymus Bosch empfehlen, das es nicht nur bei der einschlägigen Großbourgeoisie gibt, sondern auch – leider nur das erste Kapitel – im Internet.

Bosch war immer schon einer meiner Lieblingsmaler, weil ich keinen blassen Schimmer hatte, was seine Bilder eigentlich „bedeuten“. Die Gestalten und Mischwesen sind für uns nicht mehr erschröcklich, aber vor einem halben Jahrtausend wird man das anders gesehen haben. Ich hätte mir das vollständige Werk kaufen sollen, aber vermutlich stehen die zentralen Ideen des Autors auch in „Im Irrgarten der Bilder“. So etwas kann man in Büchern natürlich gar nicht richtig betrachten, weil die Details nicht zu erkennen sind. In Fischers Buch findet man eine Linksammlung, nur die ist zu einem großen Teil nicht mehr aktuell. Deswegen habe ich ein bisschen herumgesucht.

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Detail aus „Garten der Lüste“

– Das Jheronimus Bosch Art Center (niederländisch) hat eine Kollektion der Bilder, aber nicht in hoher Auflösung.

– Sehr informativ ist das Bosch Project – dort kann man sogar einige Gemälde als Röntgenaufnahme betrachten. Wenn man einmal anfängt, merkt man schnell, dass man Tage brauchen würde, um alles zu studieren. Das gilt auch für Die_Versuchung_des_Heiligen_Antonius.

– Ganz großartig auch das interaktive De Tuin der lusten van Jheronimus Bosch: Mit Sound, man kann bis ins kleinste Detail hineinzoomen, und die werden auch noch per Text erläutert.

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Ein Teufel, Detail der Hölle aus „Garten der Lüste“

Bosch war ein Maler für die herrschende Klasse, das muss man so uneingeschränkt sagen. Das bedeutet: Er malte deren Ideologie, deren Werte und deren Attitude. Seine Werke fanden sich im Privatbesitz und an den Höfen des europäischen Hochadels. Der Maler selbst war gebildet und was sich des gesamten Canons des Wissen, einschließlich der Bibel, bewusst. Ohne diesen Wissen verstehe man auch die zahllosen Anspielungen nicht.

Die 1484 in ’s-Hertogenbosch gedruckte vorhumanistische Kleingrammatik für den Lateinunterricht Doctrinale des Alexander de Villa Dei listet reihenweise rhetorische Figuren auf, die Bosch sicher prägten, aber zu sprachspezifisch sind, um sie direkt in die Bildkunst zu übertragen. Typische rhetorische Stilmittel bei Bosch sind die Accumulatio, die durch die Aneinanderreihung ähnlicher oder zu einem Thema passender Bildmotive „Wimmelbilder“ oder „Suchbilder“ entstehen lässt, sowie verschiedene Mittel des Vergleichs wie das schon bekannte Exemplum, der Parallelismus, die Oppositio (Gegenüberstellung). Hinzu kommen visuelle Tropen, also Bedeutungsverschiebungen durch Verfremdung, und visuelle Neologismen. Als Letztere kann man die hybriden Bildmotive und Mischwesen Boschs verstehen.

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Eingang zum himmlischen Paradies, ca. 1500-1515

Die Gemälde von Bosch sind belehrend – sie erzählen, was man tun oder lassen sollte und was geschehe, wenn man der herrschenden Moral nicht folge. Die Zeitgenossen fanden sicher auch einige Dinge lustig.

Dieses am Alltäglichen und Gewöhnlichen orientierte Bildrepertoire führte oft zur Komik und zum Humor, auch dann, wenn die moralische Lehre im Dienst der kirchlichen Sündenlehre stand. Denn den Eliten waren ihre Werte und Normen so selbstverständlich eine Richtschnur für das richtige und gute Leben, dass diese Werte und Normen ihnen zugleich dazu verhalfen, sich vom gegenteiligen, also vermeintlich dummen oder undisziplinierten Verhalten abzugrenzen, sich über dieses zu erheben und es zu verlachen. Man war sich zwar der generellen Fehlerhaftigkeit des Menschen durchaus bewusst, erwartete aber, dass jeder sich in seine Rolle und Position einfügte und durch Selbstdisziplinierung mäßigte.

Ist also ungefähr das, was die heutige Mittelklasse fühlt und anderen aufzwingt, mit „bewusstem“ Essen und Sich-Fortbewegen und Sprechen, um sich vom dummen Proletariat abzuheben, das ŕaucht, Fleisch isst und keine Gendersprache will und sich auch sonst schlecht benimmt.

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Die Burks‘-Blog-Leser Verdammten in der Hölle, ca. 1500-1515

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Kommentare

4 Kommentare zu “Wimmelbild der Lüste und auch anderer Dinge”

  1. Mitleser am Juli 15th, 2022 9:07 am

    Danke für den Beitrag und die Links.

    Boschs Arbeiten haben auch mich früh in den Bann gezogen.

    2016 gab es eine große Ausstellung in Madrid, zu der es auch einen gute Katalog gab:

    https://www.museodelprado.es/en/whats-on/exhibition/bosch-the-5th-centenary-exhibition/f049c260-888a-4ff1-8911-b320f587324a

    Der Katalog ist leider nicht so leicht zu finden.
    Das ist der „Nachfolger“ des Katalogs:

    https://www.buecher.de/shop/bosch-hieronymus/hieronymus-bosch/-/products_products/detail/prod_id/44167675/

    https://www.op-marburg.de/Marburg/Der-raetselhafte-Hoellenmaler

  2. ... der Trittbrettschreiber am Juli 15th, 2022 2:43 pm

    …ein Blumenstrauß im Arsch – darauf käme ich nicht einmal in dehydriertem Zustand. Aber ist ja Kunst, nicht? Sind ja alles Künstler, nicht? Ich wette eine Kanne Hopfentee, dass die Blumen auch künstlich sind, sein müssen, aus Gründen.

  3. Piotr am Juli 16th, 2022 10:21 pm

    Das Polied aus dem Garten der Lüste:
    https://www.youtube.com/watch?v=bG-34_6_rrk

  4. nh am Juli 17th, 2022 9:29 pm

    Hieronymus Bosch, M.C. Escher, S. Dali, könnte noch weiterzählen, ganz grosse Meister ihres Faches.
    Heutzutage werden Werke mit Menstrualblut kreiert,
    Vulven(Fotzen) getöpfert und gepinselt und als „Kunst“ deklariert.
    Man bemerke den Abstieg des Intellekts und den Anstieg der Volldekadenz(-demenz).
    Ein warnendes Zeichen des Niedergangs der Zivilisation. Und alle tanzen um das goldene Kalb Namens woke PC.
    #Leckt mich alle da draussen. Bin weiss CIS nonbinaer alt und weiss und hasse alle, die mir eine andere Sichtweise aufzwingen wollen.
    Eine 3% Minderheit schreibt mir mal GAR NICHTS vor. Schreit noch lauter und grölt Euch in den Bundestag.
    Lasst Euch bezahlen für Euer defätistisches Geschrei.
    Aber lasst mich in Ruhe, es reicht zu wissen, dass ich Euch Maulhuren finanzieren muss.
    Und dann klebt Ihr Bettnaesser Euch an Meisterwerke, weil es ja ÖLbilder sind???
    Wie tief kann man geistig sinken oder ist da nichts. Ich schätze zweites. Aber 1er Abi,hahahaha. Von links-grün Malte-Hektopascal unterschrieben der wo mein Leerer und Rektum iss.

    Wer vor einem echten Gemälde steht und sich Zeit nimmt, wird zutiefst ergriffen. Ich habs als damals 14-jähriger vor einem Dali nicht glauben wollen, aber es ist so.
    Wunderbar.

    Ist kaum aufm Phone zu klicken >Layla iss wischtischer alda.

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