Am Solimões, revisited II

amazonas
Irgendwo am Solimões (Amazonas), Brasilien, vermutlich bei Tabatinga.

[Forsetzung von Am Solimões, revisited I

…Kleiner Zoo unterhalb der Kathedrale: schrecklich kleine und verdreckte Käfige, trotz großer Schilder überall füttern die Leute mit dumm-trotziger Miene die Tiere mit Bonbons. (…)

Komische Amerikaner [erzählen] am Frühstückstisch: Es gebe einen Stamm, dessen hübsche Mädchen „primera“ des Dorfes werden, d.h. wenn eine Frau schwanger ist, darf ihr Mann zu diesem Mädchen gehen, aber nur dann. – Bei einem anderen Stamm würden die Babys von Frauen, die im Kindbett sterben, lebendig mit der Mutter verbrannt. (…)

Im Hafen sehr putzige kleine Boote, eigentlich nur überdachte Ruderboote. Alles ist fürchterlich verdreckt. Als einem Bratrost-Spieß-Verkäufer beim Wedeln alles in den Müll fällt, legt er den Rost seelenruhig wieder drauf, ohne auch nur den Anschein eines Säuberns.

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Mädchen in Tabatinga (Amazonas), Brasilien (von vorn, mit Geschwistern

Das Schiff nach Belem ist ein reckiger, riesiger moderner Kahn. Interessanter wäre es gewesen, auf einem kleineren Schiff zu reisen. An den meisten Schiffen steht sowohl angeschlagen, wohin sie fahren als auch wann und wie viele Passagiere sie mitnehmen,..(…)

Am Hafen gibt es auch viele kleinere Restaurants, die für 100 [Cruzeiros] ein Essen verkaufen, was gar nicht schlecht ist. Wir haben Probleme mit dem pfefferähnlichen Gewürz, das bei mir Dünnpfiff verursacht, die Tränen in die Augen treibt und noch am nächsten Tag die Schleimhäute reizt.

Die Fischer nehmen Eisblöcke aus ungereinigtem Flusswasser mit, legen den gefangenen Fisch darin ein, das Eis schmilzt, und die Fische werden in dem Zustand verkauft. Ich weiß nicht, warum hier keine Epidemien ausbrechen. (…)

In den Supermärkten gibt es alles, z.B. Knorr- und Maggi-Suppen, spottbilligen Mate-Tee und Stockfisch. (…)

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Irgendwo am Solimões (Amazonas), Brasilien, vermutlich bei Tabatinga.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Am Solimões, revisited II”

  1. ... der Trittbrettschreiber am Juni 17th, 2022 4:17 pm

    Nur in kühlen Gegenden, also ab Weißwurstäquator, hat man die zwar noch nicht wechselblütige aber doch verlangsamende Kraft für die Verdrängung dessen, was das kurze Dasein ausmacht – die Erwartung des (hier klinischen) Todes.
    Wen juckts, wenn mal ein verseuchtes Stück Brät in irgeneinen ungepflegten Mülleimer fällt. All die mitspeisenden Mikromitwesen daraus (und jetzt daran) verglühen im romantischen Schein des Brennguts. Der süße Gestank von Früchten, Verwesung und SevenUp ist nur Ausdruck des Lebensglücks, das erst auf einem morschknarrenden Kahn zu höchster Blüte strebt, wenn das Rauschen des Mikroplastikwasserfalls schon näher kommt.
    All das bleibt uns sterilen Opfern des Verdummungswohlstands bis zum nächsten Gasleckwinter erspart. Dann nämlich wird wieder mit IKEA-Produkten „gegrillt“ – und gebraut.

    PS: Das „Mädchen“ mit der Schaufel sieht sehr gepflegt aus – finde den Fehler!

  2. drugu am Juni 17th, 2022 5:34 pm

    Das ist alles normal im „Süden“.
    Normale Härte. Hauptsache das Wasser ist sauber.
    Alles Andere wird dünn geschnitten
    und scharf angebraten.

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