Marsch auf [bitte selbst ausfüllen]

roman soldiers

Die Geschichte wiederholt sich usw.. Man muss nur manche Kriegsberichte, die zwei Jahrtausende alt sind, mit anderem Personal heute wiederholen. Ich habe Thomas Fischers Gladius – Roms Legionen in Germanien fast durch und vergebe die maximale Anzahl von Sternchen. 500 Jahre Römer gegen Germanen und umgekehrt – von Caesar bis Chlodwig. Der Titel ist ein bisschen irreführend, weil man auch alles, was es zu sagen und zu wissen gibt, über die Germanen erfährt.

gladius Die Faktenfülle ist schier unermesslich, aber nie langweilig, wenn man sich für das Thema interessiert. Sogar ich, der meint, eine ganze Menge zum Thema zu wissen, konnte vieles lernen und musste auch manches korrigieren. Die unzähligen Sandalenfilme wiederholen immer nur ein Klischee, was Bewaffnung und Outfit angeht: Die Römer übernahmen in Lauf der Jahrhunderte von ihren Feinden aber alles, was praktisch war, bis hin zu runden Schilden, Steigbügeln und Langschwertern. Großartig sind auch die archäologischen Einschübe, was man wo gefunden hat, zum Beispiel im Kammerngrab von Gommern.

Und umgekehrt: Die Germanen imitierten Roms überlegenen militärischen Mittel, die herrschende Klasse stattete ihre Gefolgschaft mit römischen Beutewaffen aus, so dass dieser Vorteil der Römer irgendwann verschwunden war. Schon im Krieg gegen den Markomannen Marbod agierten die Germanen nicht mehr als ein undisziplinierter Haufen. Nur in der Logistik, bei der Artillerie und beim Straßen- und Städtebau blieben die Römer unschlagbar.

Fischers Buch ist für mich besonders dann spannend, wenn man die Passagen über die Spätantike liest, die in der Popkultur so gut wie nie vorkommt oder nur als Bullshit-Hollywood-Bingo. Kennt jemand das germanische Königreich der Sueben – im heutigen Portugal? Wer weiß, dass die ostgermanischen Vandalen ein Reich in Afrika gründeten? Oder die Brukterer, die in der Varus-Schlacht den Adler der 19. Leguon erbeuteten und in der Spätantike den Kern der späteren Franken bildeten, und die bei einem ihrer Beutezüge die heutige spanische Stadt Tarragona plünderten: Die Germanen haben sich endlich als herrschende Klasse über die Struktur des römischen Reiches gestülpt, ähnlich wie es die spanischen Konquistadoren mit den indianischen Reichen in Südamerika taten.

Man könnte auch über die aktuelle Völkerwanderung in Gegenrichtung sinnieren. Damals hätte niemand die Idee gehabt, die Germanen als „Klimaflüchtlinge“ zu bezeichnen, obwohl sie das auch waren. Sie „flohen“ auch vor Krieg, weil die Stämme im Osten, zum Beispiel die Goten, die anderen Gruppen vor sich her trieben. Ich sehe da starke Parallelen, würde aber Shitstorms ernten, äußerte ich diese Meinung außerhalb dieses Blogs das bekanntlich niemand rezipiert.

russian soldiers
Römische Russische Soldaten auf dem Marsch

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Kommentare

3 Kommentare zu “Marsch auf [bitte selbst ausfüllen]”

  1. Godwin am Mai 24th, 2022 10:56 pm

    Zumindest des mit den Reich der Vandalen wusste ich.

    Etwas fraglich bleibt die Einordnung der Germanen als herrschende Klasse.
    Als Zerstörer waren sie m.E. Eine Art Katalysator des Untergangs.
    Und – wie bereits hier angemerkt – es bleibt zu schauen, welche Angebote sie mitbrachten, um neue Herrschaft zu begründen und wie das dann zum Feudalismus führte.

    Und wer waren „die Germanen“?
    Zunächst ja auch viele Stämme die sich vor allem gegenseitig bekämpften…

  2. ... der Trittbrettschreiber am Mai 25th, 2022 4:16 pm

    Die Römer werden heute zumindest in Filmen immer ziemlich gelangweilt beim Marschlürfen dargestellt, ähnlich wie die Deutschen.
    Interessant hingegen ist diese trotzig pubertäre Kopfhaltung der russischen Paradetruppen, die sich fast den Hals verrenken vor Keckheit.

    Was hat das alles zu bedeuten – reicht es nicht mehr, sich beim wärmenden Schein eines knisternden Lagerfeuers Geschichten zu erzählen, kurz vor dem Einschlafen (einer ganzen Zivilisation)?

  3. rainer am Mai 26th, 2022 1:07 pm

    ….Parademarsch, Parademarsch,
    der Führer hat ein Loch in Arsch….

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