Selbstverteidigungs- und Gegenangriffskampf wie üblich

ostlandritt
Die Deutschen wieder im Kriegsmodus (Symbolbild)

Putin ist unstrittig ein Auslaufmodell. So geht Imperialismus heute nicht mehr. Man macht das wie die Chinesen: Man klaut das Gute vom Feind oder imitiert es, dann macht man es besser und kauft den Feind auf oder sieht vom Sessel aus zu, wie der zusammenbricht oder um Hilfe bitte. Problem solved.

Die Chinesen haben mit dem klassischen Einmarschieren nicht so gute Erfahrungen gemacht, ähnlich wie Russland jetzt, mit einer identischen Rolleneinteilung, nur dass die im jahrzehntelangen Guerillakrieg gestählte vietnamesische Armee die Ukraine vermutlich schneller erobert hätte als die Russen jetzt. Danach gab es immer nur asymmetrische bewaffnete Konflikte, wenn man von Kriegen zwischen drittklassigen Kombattanten absieht.

butscha

Ich versuche gerade, mir eine Meinung über das Massaker in Butscha zu bilden. Das ist gar nicht so einfach. Die Propaganda-Strategie der Russen ist klar: Alles vom Feind inszeniert. Wer über Jahrzehnte vertuscht, verleugnet und lügt, dass sich die Balken biegen, dem glaubt man nicht so einfach. Es bleibt aber vieles ungereimt. Thomas Röper hat sich schon festgelegt: „Warum die Meldungen über angebliche russische Kriegsverbrechen in Butscha eine Lüge sind“. Der „Anto-Spiegel“ bezieht aber offenbar die meisten Informationen von Alina Lipp und deren Telegram-Kanal „Neues aus Russland“.

butscha

Thomas Laschyk hat das überprüft und bietet im Gegensatz zu den meisten oberflächlichen Medienberichten ausführliche Links und Quellen. Für mich klingt das einigermaßen überzeugend: Die Russen lügen, wenn sie behaupten, sie wären schon abgezogen, als die Leute massakriert wurden. (Es kommt offenbar auf die Timeline an). Außerdem gab es schon Berichte Anfang April von Augenzeugen. Der Guardian hat die Einwohner von Butscha aktuell befragt; das sieht alles seriös aus, obwohl nicht alle meine Bedenken ausgeräumt worden sind. (Die viel zitierten Satellitenbilder sind aber irrelevant – das kann alles Mögliche bedeuten.)

butscha

Wir werden weitere Massaker erleben, von beiden Seiten. Das Selenskyj-Regime, das die Kleptokratie in der Ukraine organisiert, ist keinen Deut besser als Putin. Wenn man Krieg bestellt, weiß man, was man geliefert bekommt. In jeder Armee gibt es viel zu wenige vom Schlage eines Hugh Thomson.

war ukraine

Die hier schon vertretene These scheint sich zu bewahrheiten: Die Angriff im Nordosten der Ukraine und auf Kiew war ein Scheinangriff, um ukrainische Kräfte zu binden, dass ein Entsatz von Mariupol und den beiden umkämpften Oblasten vereitelt wurde. Es war offenbar auch egal, wie das enden würde für die Einheiten um Kiew. Das ISW meint: „Russian forces retreating from around Kyiv will likely need considerable time before they can return to combat.“

Die eigentliche Entscheidung kommt noch: Efforts by Russian forces advancing from Izyum to capture Slovyansk will likely prove to be the next pivotal battle of the war in Ukraine. Russian forces likely intend to cut off Ukrainian forces in eastern Ukraine and will need to take Slovyansk as their minimum step to do so.(…) If Russian forces are unable to take Slovyansk at all, Russian frontal assaults in Donbas are unlikely to independently breakthrough Ukrainian defenses and Russia’s campaign to capture the entirety of Luhansk and Donetsk oblasts will likely fail.

mariupol

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Kommentare

11 Kommentare zu “Selbstverteidigungs- und Gegenangriffskampf wie üblich”

  1. Corsin am April 5th, 2022 4:53 pm

    „Die Angriff im Nordosten der Ukraine und auf Kiew war ein Scheinangriff“

    Das dürfte dann mit Abstand der verlustreichste Scheinangriff seit dem 1. Weltkrieg gewesen sein.

    Die Situation erinnert nebenbei sehr an jene im Winter 1941, nachdem die Rote Armee den deutschen Angriff auf Moskau zurückschlagen konnte.

    „Das Scheitern des ‚Unternehmens Taifun‘ bedeutete gleichzeitig den völligen Fehlschlag des gesamten ‚Unternehmens Barbarossa‘ und der deutschen Blitzkriegstrategie in der Sowjetunion. Die angestrebte Linie Archangelsk–Astrachan lag in unerreichbarer Ferne, die Rote Armee war keinesfalls entscheidend geschwächt und die Feindkoalition begann sich wirkungsvoll gegen Deutschland zu formieren.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_um_Moskau#Folgen

    Wie es weiterging ist bekannt: die vom endlich erfolgreichen sowjetischen Widerstand beeindruckten Westalliierten sendeten Unmengen an Waffen, Fahrzeugen und anderen Hilfsgütern, und ein Jahr später war für die Angreifer in Stalingrad endgültig Schicht im Schacht und es ging in der Folgezeit nur noch ‚heimzu‘.

  2. admin am April 5th, 2022 5:47 pm

    Putin konnte doch nicht ernsthaft damit rechnen, mit so wenig Material und Menschen eine Großstadt wie Kiew einzunehmen.

  3. Zensursula am April 5th, 2022 6:22 pm

    Wenn man wollte könnte man sich auch mal damit befassen, was neben dem Kriegsschauplatz Ukraine noch so geht: Putin hat ja reichlich Erfahrung mit Sanktionen und war sich durchaus bewußt, wie seine Freunde im Westen reagieren werden.
    Die vertiefte Freundschaft mit China, das Auweichen des US$ als Referenzwährung, die Koppelung des Rubel an Gold … das ist ein Wirtschaftskrieg, dessen Dimension das Geplänkel um Kiew als Kindergeburtstag darstehen lässt (ja, das darf man dem Komiker und seinem Botschafter in Berlin nicht sagen, ist aber so).
    Hier wird gerade die Welt neu geordnet und die Ukraine ist der Auslöser und das Ablenkungsmanöver.

  4. Godwin am April 5th, 2022 6:23 pm

    vielleicht macht sich die alltägliche Berichterstattung langsam bemerkbar – aber je länger der Krieg dauert und vor sich hin wurschtelt, desto mehr Fragezeichen kommen auf bzgl.
    – den eigentlichen Zielen
    – der Vorbereitungen und Lage-Einschätzungen
    – der allg. Fähigkeiten der russ. Armee
    – der offenen und heimlichen Unterstützung des „Westens“ (der USA)

  5. Corsin am April 5th, 2022 6:52 pm

    Putin ist weder Militär noch Historiker, und seine Berater hat er sich wohl schlecht ausgesucht.

    Wie einst beim Einmarsch der Wehrmacht ins Sudetenland hatte man sich das wohl gedacht — mit vor Freude schluchzenden Frauen am Straßenrand, die die ‚Befreier‘ mit Blumen, Kuchen und Schnaps empfangen.

    Schön blöd, wenn man auf seine eigene Propaganda hereinfällt.

  6. DasKleineTeilchen am April 5th, 2022 6:57 pm

    @burks:

    Wenn man Krieg bestellt, weiß man, was man geliefert bekommt.

    kein link im link.

  7. admin am April 5th, 2022 6:58 pm

    Jetzt aber :-)

  8. Horst Horstmann am April 5th, 2022 9:04 pm

    @burks:

    „mit so wenig Material und Menschen“

    Den 40-Meilen-Konvoi schon verdrängt, wa?^^

  9. Jim am April 5th, 2022 9:33 pm

    @Burks
    Hitler konnte doch nicht ernsthaft damit rechnen, mit so wenig Material und Menschen ein Riesenreich wie Russland einzunehmen.

    Manchmal fragt man sich, was wo wie warum sich wer gedacht hat…

  10. Wolf-Dieter Busch am April 6th, 2022 9:02 pm

    @Jim April 5th, 2022 9:33 pm

    Hitler konnte doch nicht ernsthaft damit rechnen, mit so wenig Material und Menschen ein Riesenreich wie Russland einzunehmen.

    Sagt dir der Name Nikolay Starikov was? Der hat dazu eine Theorie veröffentlicht:

    https://wolf-busch.lima-city.de/html/Tagebuch/2022/doc-2022-03-13-17-07-45.htm

  11. Jim am April 8th, 2022 6:10 am

    @WDB
    Ah, gerade erst gelesen, danke für die Geschichte. Klingt abgefahren die Theorie, aber doch recht unglaubwürdig.
    Den Ausgang des Krieges z.B. hätte sich GB ganz bestimmt nicht wünschen können, zumal voraussehbar. Danach sind die ja so richtig abgestiegen, haben in den Folgejahren alle Kolonien verloren. Und die USA, ja nu, ob die diese Kalte-Krieg-Nummer unbedingt haben mussten? Die waren auch vorher schon wirtschaftlich erfolgreich nach deren Wirtschaftskrise Ender der 20er/Anfang 30er Jahre. Ob sie der halben Welt den Dollar aufzwingen wollten? Steile These, mag sein. Lässt sich alles nicht wirklich beweisen.

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