Off-Ramp

war ukraine
Russische Bombenangriffe auf Kramatorsk

Die klugen Analysen zum aktuelle Krieg sollte man nicht in deutschen Medien suchen. Die sind besoffen von Emotionen, die man nur wegbekäme, sperrte man die Journaille für eine Weile ein und zwänge sie dazu, Machiavelli auswendig zu lernen. Oder Bücher über Machtpolitik. Ich kann nur einen Artikel von Tom McTague in The Atlantik empfehlen, der vor einer irrationalen Eskalation des Ganzen warnt: „Putin Needs an Off-Ramp“.

When a gambler has already lost so much that he will go bankrupt unless he can turn it around, the logical thing for him to do is to continue upping the stakes. This is the desperate opponent the West may now face. Worse: This is the opponent whose bloodstained debts the West may have to to write off. (…)

But Western leaders should also recognize the dangers of talking themselves into an even worse situation than already exists, and must be clear about their goals. Do they seek a way to end the conflict, or Russia’s defeat?

The question for Western leaders is how to ensure Putin is defeated while nevertheless providing him with a route out of the crisis and avoiding any missteps that could lead to a wider conflagration. The path along the cliff edge is precarious. (…)

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Untertitel in russischen Medien sinngemäß: Bei Kiew ist so viel Verkehr wie in Moskau zur Hauptverkehrszeit.

First, the West must ensure that however much support it gives to Kyiv, the conflict remains one between Ukraine and Russia. That way, peace negotiations remain between the two countries, and not Russia and the West more widely. Washington, Paris, London, and Berlin cannot allow talks to become what Putin wants them to be: a negotiation about spheres of influence in which Ukraine and other states can be bargained away. This, in effect, would be a victory for Putin and his tactics of nuclear brinkmanship, leading to a more dangerous world in which other dictators take the lesson that bullying and intimidation work.

Second, the West must not close off potential compromises that the Ukrainians themselves would be willing to negotiate. If Putin is to accept a negotiated defeat, he will require a fig leaf to hide the reality that he has failed to subdue Ukraine. There has been speculation, for example, that Ukrainian President Volodymyr Zelensky might be prepared to formally renounce his pursuit of NATO membership, one of a number of pledges that could be made to serve as a pretext for Russian de-escalation. Zelensky could also promise not to send troops into the Donbas, for example, or seek to retake Crimea—or even to seek nuclear weapons, or allow them to be stationed on Ukrainian territory. In other words, he could use Russia’s absurd propaganda to his advantage by formally pledging not to do things that he or any of his successors would have considered doing anyway. (…)

Ultimately, diplomacy will have to get each side to agree to a deal that allows each to save its dignity—even though one side does not deserve to have its dignity saved.

Der schreibt wie ein geübter Mediator. Ich fürchte nur, dass solche Leute keinen Einfluss haben oder bekommen werden. Ein anderer sehr nachdenklicher und kenntnisreicher Artikel wurde schon bei Fefe empfohlen: „Die Politik der USA war es immer, zu verhindern, dass Deutschland und Russland enger zusammenarbeiten – Historische, politische und wirtschaftliche Hintergründe des Ukraine-Kriegs“.

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Untertitel in russischen Medien sinngemäß: Bei Kiew ist so viel Verkehr wie in Moskau zur Hauptverkehrszeit.

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Kommentare

5 Kommentare zu “Off-Ramp”

  1. Corsin am März 15th, 2022 8:36 pm

    Leider zeigt die Geschichte, dass selten etwas Gutes herauskam, wenn Deutschland und Russland kuschelten: von der Schwarzen Reichswehr über den Molotow-Ribbentrop-Pakt bis hin zu Gas-Gerd.

    — Und hier noch die Parole des Tages für die russischen Leser:

    „Die Putins kommen und gehen, aber das russische Volk und die russische Nation bleiben bestehen!“

  2. Zensursula am März 15th, 2022 9:36 pm

    Die Analyse des „Atlantik“ ist vom Ansatz her gut, aber es scheint zu sehr aus der „westlichen“ Sicht gedacht. Und natürlich mit Wunschdenken behaftet.

    Was ein Volk von Kriegsverlierern und dazu noch von den Siegern gedemütigt zu leisten (oder eben nicht zu leisten) bereit ist sah man nach WWI und Versaille. Es geht also nicht um Putin und seine Gefühlslage, sondern um das russische Volk, das ohne Demütigung raus kommen muss. Dazu hat „der Westen“ aus pseudomoralischer Haltung schon zu sehr über die Stränge geschlagen. Nichts gegen Sanktionen gegen Oligarchen. Man versucht aber Unmut in die breite russische Bevölkerung hinein zu sanktionieren und hofft dadurch Putin innenpolitisch zu schwächen. Das kann gehörig nach hinten los gehen. Ohne Zugriff auf die russische Seele und eine Nach-Putin-Regierung kann das alte Sprichwort „schlimmer geht immer“ wahr werden. Das sollte man nicht vergessen. Und China wird da auch noch ein Wörtchen mitreden.

    Der nächste Punkt sind die Zugeständnisse, die Selinsky machen könnte: da wird völlig ausgeblendet, dass der auch innenpolitischen Zwängen unterworfen ist. Der kann nicht so einfach nach außen hin Angebote machen, die ihm seine momentanen Partner nie verzeihen werden.
    Hier wird immer noch verschwiegen (ob bewußt oder mangels Kenntnis), dass der ultranationalistische Arm, der noch mit der Regierung paktet, auch ganz schnell von der Fahne gehen und seine eigene Agenda durchziehen kann. Das ist alles sehr fragil. Selinskys Bitten und Betteln nach Unterstützung ist nicht nur im Bezug auf den russischen Agressor zu sehen sondern auch bezüglich der extremistischen Kräfte im eigenen Haus.

    Und drittens war das für Putin schon immer ein Konflikt zwischen der Ukraine und wenn nicht Russland, dann dem russischstämmigen Bevölkerungsteil innerhalb der Ukraine. Die EU, die NATO sind da nur Geier, die glauben da auch eine Schnitte abschnorren zu können wenn die Brüder im Osten sich streiten. Natürlich wird Russland nicht so schnell vergessen wer hier die großen Reden geschwungen hat – und die Ukraine wird nicht vergessen, dass sie Waffen forderten und wer ihnen den alten NVA Schrott und ansonsten abgetragene Klamotten geschickt hat.

    Es kann gut sein, dass man sich mehr um den Weg wie EU- und NATO-Staaten unbeschadet aus dieser Lage herauskommen können Gedanken machen sollte als jetzt schon das Fell des Bären verteilen zu wollen.

  3. Mitleser am März 16th, 2022 8:06 am

    Bei allem Respekt für die Werke Machiavellis, diese sollten in ihrem historischen Kontext gelesen und interpretiert werden, wie jedes Werk.

    Dieses Starren und Beharren auf eine rein „rationale“ Betrachtungsweise erinnert mich an die Wirtschafts“wissenschaftler“ und ihren „Homo oeconomicus“, der ja rein rational agieren soll.

    Es scheint, dass die dritte Kränkung der Menschheit bei vielen Menschen immer noch nicht so ganz verdaut worden ist.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4nkungen_der_Menschheit

  4. Die Anmerkung am März 16th, 2022 9:22 am

    Ich wußte gar nicht, daß es in Kiew einen Böhmermann-Clown, äh -Klon gibt. Oder die Heute-Show in Moskau.

    https://t.me/opersvodki/1770

    Mein Reden. Aber das wird via deutsche Medien niemand erfahren.

    „Selenksi soll kapitulieren. Er solle mit Drogen aufhören und zurück ins Schauspielerfach wechseln.“

  5. Zensursula am März 16th, 2022 10:55 am

    „„Selenksi soll kapitulieren. Er solle mit Drogen aufhören und zurück ins Schauspielerfach wechseln.““

    Was er dort mit seinem in Steuerparadise ausgelagertem Firmengeflecht verdiente war wohl noch nicht genug. Die Aussicht, sich auf Lebenszeit am Strand, mit gepuderter Nase und dem Kaltgetränk der Wahl in der Hand die Klöten kraulen zu lassen, nicht nah genug an den wirklich großen Fleischtöpfen und Machtzentren.

    Die Brücke zurück ist jetzt zerbombt und entweder geht der junge Mann ins Exil zu seinen Freunden im Westen, oder in den kalten sibirischen Gulak.

    Wobei für den Drogenentzug und die Ausbildung des Charakters der Westen nicht die erste Wahl wäre.

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