Unter reaktionären Sozialpfaffen

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„Und wenn der heutige Krieg bei reaktionären Sozialpfaffen, bei weinerlichen Kleinbürgern nur Schrecken, nur Erschrockenheit, nur Abscheu vor Waffengebrauch, Tod, Blut usw. erzeugt, so sagen wir dagegen: Die kapitalistische Gesellschaft war und ist immer ein Schrecken ohne Ende.“ W. I Lenin)

Die Bonzen haben das Land rechtzeitig verlassen.* Das ist nicht euer Krieg, Soldaten der Ukraine! So würde eine Linke, falls es sie gäbe in Deutschland, vermutlich formulieren müssen. Wäre ich der Sekretär für Propaganda, hätte ich die Parole ausgegeben: Soldaten der Ukraine, desertiert! Lasst Euch nicht verheizen! (Guter Titel für die Qualitätspresse: Die „Linken“ fordert die Ukraine auf, sich zu ergeben!)

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Credits: The Heritage of the Great War

Wenn Krieg zwischen kapitalistischen Staaten herrscht, kann und sollte man keine Partei ergreifen. Ich muss mich aber wundern, warum die herrschende Klasse Russlands diese Option wählt. Man muss jedoch zugeben, dass sie eine innere Logik hat, die der sogenannte „Westen“ nie kapiert hat. Die Oligarchie Russlands hat sich bekanntlich die antifaschistische Tradition des Kampfes gegen Hitler-Deutschland zu eigen gemacht und in ihrem eigenen Sinn erzählt. Das Trauma von 24 Millionen Toten während des 2. Weltkrieges ist immer noch präsent. Wer da glaubt, Panzer der NATO, darunter eben auch die der Deutschen (falls sie mal gerade fahren) nahe der russischen Grenze postieren zu wollen oder auch nur laut über die Option nachdenkt, muss man sehr emotionalen Reaktionen rechnen.

Es geht vielmehr um die Frage, ob die deutsche und europäische Außenpolitik in eine Falle gelaufen ist, weil sie sich nicht dazu durchgerungen hat, sich auf eine Finnlandisierung der Ukraine einzulassen. Gleichzeitig hat sie sich entschieden, die Ukraine nicht unter den Schutzschirm der Nato zu stellen. Auf diese Weise hat sie Putin für militärische Operationen eine „Carte Blanche“ gegeben. (Herfried Münkler, Politikwissenschaftler)

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Credits: The Heritage of the Great War

„Militärisch gesehen ist die Sache gelaufen. Und meine Bewertung ist, dass es nur um ein paar Tage gehen wird und nicht mehr.“ (Erich Vad), Ex-Brigadegeneral der Bundeswehr

Beim Überfliegen der sozialen Medien hatte ich in den letzten beiden Tagen ein Dé·jà-vu. Das Gefühl kam mir irgendwie bekannt vor. Selbst Menschen, die man als einigermaßen vernünftig ansah, wurden des kollektiven Wahnsinns fette Beute. Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Putin-Gegner oder so ähnlich. So wird es einigen auch am Beginn der früheren Weltkriege gegangen sein, wenn man weiß, dass alle in eine Richtung laufen, aber zugleich vermutet, dass es die falsche ist, und deshalb nicht mitläuft, aber scheel angesehen wird, weil man der Masse nicht folgt und deshalb immer wieder überlegen muss: Bin ich bekloppt oder alle anderen?

„Die massiven westlichen Sanktionen könnten Russland China in die Arme treiben – ein Verhältnis, in dem Peking der weit mächtigere Akteur als Moskau ist. Dann würde Putins Versuch, Russland wieder als eigenständige Weltmacht zu positionieren, scheitern, weil er ökonomisch völlig abhängig von China wäre.“ (Herfried Münkler)

Es ist ein bisschen wie im Deutschen Herbst: Man musste damals genau überlegen, was man sagte, um nicht Beruf und Karriere zu verbauen. Eine bleierne Zeit: Ein falsches Wort, und du bist Sympathisant von Terroristen und damit geächtet.

Hat eigentlich irgendjemand einen Plan, wie das alles ausgehen könnte? Gab es schon jemand in den unzähligen Sendungen und Talkshows, der die Position der russischen Regierung vertreten durfte? Aha. Wir leben in interessanten Zeiten…

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Credits: Die Qualitätspresse appelliert an die Volksgemeinschaft.

* Rossiya Segodnya (SNA) zitiert die Ukrainskaja prawda, die Olena Prytula gehört.