Barbara Streisand!

tagesspiegel

Da beißt die Maus keinen Faden ab (endlich kann ich diese Metapher mal benutzen!): Der Tagesspiegel ist jetzt auch Teil der cancel culture.

Am 6. Februar veröffentlichte der Tagesspiegel an dieser Stelle eine Kolumne von Harald Martenstein [die noch online ist], in der es um „Nazi-Vergleiche“ ging. Darin wurde die These aufgestellt, das Tragen von „Judensternen“ auf Corona-Demonstrationen mit der Aufschrift „Ungeimpft“ sei zwar „eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung“ und „für die Überlebenden schwer auszuhalten“, aber „sicher nicht antisemitisch“, weil die Träger sich mit verfolgten Juden identifizierten. Die Kolumne wurde sowohl innerhalb der Redaktion als auch von Leserinnen und Lesern stark kritisiert.

Die Chefredaktion hat sich in den vergangenen Tagen intensiv mit dieser Kolumne und der Kritik daran auseinandergesetzt. Wir haben mit Kolleginnen und Kollegen, mit Wissenschaftlern und Betroffenen gesprochen und selbstverständlich auch mit dem Autor und wir kommen zu dem Schluss, dass wir diese Kolumne so nicht hätten veröffentlichen sollen; wir haben sie deshalb zurückgezogen.

Wie erbärmlich! Ich habe überlegt, ob ich denen einen Leserbrief schreibe. Aber da ich die Genderdoppelpunkte, mit denen dort die Artikel übersät sind, eh nicht ertrage, werde ich das lassen. Ich bin gar kein Leser. Wenn ich gute Texte lesen will, kann ich das auch bei der Berliner Zeitung tun.

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Kommentare

7 Kommentare zu “Barbara Streisand!”

  1. Wolf-Dieter Busch am Februar 16th, 2022 12:57 pm

    Neue, noch unerforschte Regionen des Opportunismus.

  2. ... der Trittbrettschreiber am Februar 16th, 2022 2:11 pm

    Die kaleidoskopische Betrachtung des gesamten Diskurses zum Naziregime durch eine Pfandflasche könnte die Wahrnehmungsverzerrung verursachen, dass die moderne, entnazifizierte Gesellschaft der Fortsetzung des Aberglaubens fröhnt, der damals wohl herrschte. Ein indisches Sonnensymbol wurde auf die Reichsfahne gedruckt Epen und Sagen wurden unter dem Gebrüll der Agitatoren und deren manigfaltigen Anhänger im ehernen Heldenshaker gerührt und geschüttelt und im Gestank dieses Cocktails geschah schier Unsägliches unter diesem Symbol. Beides hat jedoch nichts miteinander zu tun. Die Swastika bleibt ein Symbol, Verbrechen bleiben verwerfliche Taten.
    Die Steigerung des Symbol-Aberglaubens heute ist, dass bereits das öffentliche Zeigen strafbar ist, und zwar deshalb, weil Mitbürger nur durch das Sehen bereits ideologisch infiziert werden könnten (Impfungen sind ja nicht Pflicht). Trägt jemand auf einer Demo einen gelben Stern mit einer anderen Aufschrift als die mit dem derzeitigen Bann belegte, schwört er die Geister der ‚Shoa’* herauf und wird zum Antisemiten und beleidigt, indem er Tabus zu brechen meint, dabei ist der Davidstern außer unter den Nazis niemals gelb gewesen, sondern als blaues Hexagramm (Nicht von der Besen reitenden Dame mit Spitzhut sondern wegen seiner 6 Ecken) bekannt. Es ist peinlich für alle ‚Nachgeborenen‘, die sich seit Kriegsende in anerzogener, fast heuchlerischer Schamkauerhaltung redlich eingerichtet haben, dass der oberste jüdische Religionsrepräsentant ausdrücklich betont, man könne ruhig das Wort ‚Jude‘ verwenden anstelle des Neugeschwurbels jüdische Mitbürger oder Menschen jüdischen Glaubens etc.. Dabei ist der Anticoronamaßnahmendemonstrant mit dem Symbol auf dem Arm einfach nur opportunistisches Opfer des staatlichen und gesellschaftlichen Versäumnisses, die Nazizeit gründlich ‚verarbeitet‘ zu haben und er weiß nur, dass er sich ebenso wie der Hobby-Banksy auf seiner nächtlichen Hakenkreuz-Spray-Session der schrillen Aufmerksamkeit der alles nachhaltig unter den Teppich kehrenden Umwelt sicher sein kann.
    Wer Diskussionen effizient auf maximale Argumente reduzieren möchte, braucht heute tatsächlich nur zwei schlagende Joker-Argumente: Nazi und Antisemit (wer Hitler war (vor allem als Mensch) weiß heute fast niemand mehr, die „bashende“ Wirkung in der Auseinandersetzung ist daher gleich Null).
    Also was soll das alles – anscheinend Blinde scheinen von Farben zu reden und die Dummheit applaudiert, wenn die sich gegenseitig auf die Augen hauen. Der Umgang mit der Nazivergangenheit hat sich vom tatsächlichen Geschichtsverlauf längst abgekoppelt; jeder ist per Diskurs dazu verpflichtet, seinen Impuls zum verlegen wissenden oder zumindest ahnenden Räuspern im Rachen zu eliminieren, wenn das Offensichtliche, die dem Thema nicht zur Geltung verhelfende Verblödung zu Tage tritt (z.B. durch einen heftigen Hieb aus einem Wiesn-Maß). Dasselbe gilt auch für die Themen ‚Rassismus‘, ‚Sexismus‘ und ‚Priapismus‘, der letztere ist aber wohl ein eher vieloseaufischer Terminus.

    *
    Niemand spricht das Verbrechen an oder aus sondern man benutzt ein Wort (auch die Bundestagspräsidentin benutzte es anlässlich der Wiederwahl des Bundespräsidenten), das wegen seines soften Klangs alles bedeuten könnte, außer die industrielle Ermordung von Millionen Menschen.

  3. hallino am Februar 16th, 2022 2:14 pm

    Das Gendern ist mittlerweile abartig und stört den Lesefluß. Nur ein Wort gendere ich konsequent: Baerinböckin.

  4. Die Anmerkung am Februar 16th, 2022 2:58 pm

    Ich hatte kurz vor meiner Teneriffa-Sause noch das Video mit Martenstein und Gysi geschaut, weil im gesamten ÖR TV aka Staatsfunk nichts gesendet wurde, was besser gewesen wäre.

    https://www.youtube.com/watch?v=zhf6-Js6cNo

    Da hörte ich zum ersten Mal von diesem Mann und seinen Ausflügen ins Reporter-Handwerk. Naja, eigentlich schien er mir sehr gut zum Tagesspiegel zu passen.

    Ich wüßte jetzt in Marzahn allerdings auch niemanden, der den Tagesspiegel vermißt, wenn die Blattsammlung plötzlich und unerwartet …

    Einen öffentlichen Disput erwürgen, bevor der überhaupt stattfindet, das hat ja auch was. ich wünsche der Belegschaft des Blattes alles erdenklich schlechte, was die deutschen Arbeitsämter so drauf haben. Nein, ich mit nicht solidarisch.

  5. jens am Februar 16th, 2022 3:13 pm

    „Die einzige Kirche, der ich angehören möchte, ist die, die man im Dorf lässt.“

    Der vorletzte Satz ist auch sehr schön.

    Gruß
    Jens

  6. Kay am Februar 16th, 2022 5:16 pm

    Das Erbärmlichste ist immer das Unterwürfige:

    „wir hätten nicht dürfen“

    In Erwartung von Gesetzen, aufgrund derer private Firmen eingesetzt werden, um alle Medien (nicht nur Facebook oder Spotify) zu zensieren*, machen sie es schon jetzt.

    Sozusagen als Kompentenznachweis.

    (* siehe ‚EARN IT‘ Act in USA, bald auch hier)

  7. Mitleser am Februar 17th, 2022 9:27 am

    Die „Berliner Zeitung“ – gute Texte???
    Diese Zeitung eines Ehepaares, das sich erfolgreich im Kapitalismus eingerichtet hat, sich eine Zeitung kauft und in dieser auch mal gerne für die Eigenwerbung für andere „Projekte“ einspannt?
    Diese Zeitung, die immer wieder mit unsäglichem Ossigejammer daherkommt – und gleichzeitig auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist?
    Nur weil der „Tagesspiegel“, nun ja, nicht sonderlich gut ist, muß deswegen eine andere Zeitung aus Berlin noch lange nicht gut sein.

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