Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Impfquote denken

Aus der Rubrik „nützliches Wissen“: Schweden hat 10,2 Millionen Einwohner und 30 COVID-19-Erkrankte auf Intensivstationen. In Deutschland sind es hundert Mal so viel. In Schweden sind 82 Prozent aller über 16-Jährigen geimpft.

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Sie haben ihr Etappenziel erreicht

chesss

Wurde auch Zeit mit den 1600. Amateur, Klasse B, starker Freizeitspieler. Und jetzt lerne ich, weil es so schön war, alles über das Lettische Gambit.

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Avatare schauen Euch an, reloaded

avatare

Damit die Gemüter sich ob der Impfdiskussion wieder beruhigen…. Weitere Meldungen: Bundeswahlleiter erhebt Einspruch gegen Bundestagsergebnis.

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Fragen über Fragen [Update]

sauter vereinsrecht
Sauter/Schweyer/Waldner: Der eingetragene Verein: Gemeinverständliche Erläuterung des Vereinsrechts unter Berücksichtigung neuester Rechtsprechung mit Formularteil – die Bibel für Revolutionäre, die das Kleingedruckte lesen. Neueste Auflage aus aktuellem Anlass soeben eingetroffen.

Il nous faut de l’audace, encore de l’audace, toujours de l’audace! (Georges Danton)

Oderint dum metuant. (Lucius Accius)

Ganz Berlin im Lockdown? Mitnichten! Ein kleiner, aber sich selbst für um so wichtiger haltender Verein macht am Freitag eine Mitgliederversammlung mit Wahlen. Ich habe einem auf das Vereinsrecht spezialisierten Anwalt eine E-Mail geschrieben. Auszug:

Betr. Nichtigkeit der Mitgliederversammlung eines Vereins

(…) am Freitag (übermorgen, 19.11.) findet die Mitgliederversammlung des DJV Berlin/JVBB statt. Ich bin Mitglied. Die Einladung erfolgte fristgerecht am 4.11.2021.

Am 16.11. (gestern) informierte der Vorstand die Mitglieder zusätzlich darüber: „Gemäß den Vorschriften des Landes Berlin und unseres Veranstaltungsortes Maritim Hotel findet die Mitgliederversammlung mit einem 2G-Konzept (Nachweis der vollständigen Impfung bzw. der Genesung) statt.“

Das heißt: Ungeimpfte Mitglieder, auch die, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, werden von der Mitgliederversammlung ausgeschlossen. Die Einladung wäre meines Erachtens nichtig – Beispiel: „Es sind Mitglieder faktisch von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen.“

Ich bin geimpft und werde teilnehmen, weil ich Anträge gestellt habe und es darum geht, gegen die Mauscheleien des aktuellen Vorstands vorzugehen. (…)

Die Antwort wird bestimmt interessant. Ich habe da noch etwas vorbereitet:

Burkhard Schröder
burks@burks.de
01723829895
17.11.2021

An den Vorstand des DJV Berlin/JVBB

Wie ich aus Telefonaten mit Medienredakteuren Berliner Zeitungen erfahre, interessiert sich niemand für eine Berichterstattung über den DJV Berlin/JVBB. Daher werde ich das selbst übernehmen müssen. Vertrauliche Informationen nehme ich auch gern telefonisch oder per verschlüsselter E-Mail entgegen.

Meine Fragen an den Vorstand, wenn es geht, zeitnah zu beantworten:

Warum wurde von einem Vorstandsmitglied gefordert, den Geschäftsführer zu entlassen?

Ist es richtig, dass die neue Geschäftsführerin des DJV Berlin/JVBB [xxx] sein soll? Wenn ja, warum wurde die Stelle nicht, wie bisher üblich, bundesweit ausgeschrieben?

Ist es richtig, dass [xxx] die Nachbarin des noch amtierenden Geschäftsführers ist, der er nach eigenen Angaben bei der Wohnungssuche in Berlin behilflich war?

Wird der Beratervertrag, den [xxx] nach seiner Verrentung erhält, von Mitgliedsgeldern bezahlt? Wer hat diesen Beratervertrag vorgeschlagen und formuliert?

Finanziert sich der Journalistenpreis „Der lange Atem“ selbst, und wird dieser Preis separat bilanziert?

Schaltet der DJV Berlin/JVBB [in Berliner Zeitungen] bezahlte Anzeigen, damit über den Journalistenpreis „Langer Atem“ berichtet wird? Wie teuer waren diese Anzeigen bisher?

Wurde das Gehalt des Justitiars und früheren Geschäftsführers gekürzt, weil der Vorstand damit den Versorgungsposten für [xxx] finanzieren will? Hat der Vorstand Beschlüsse gefasst bzw. plant der Vorstand, den Vertrag mit [xxx] aufzulösen?

Mit kollegialen Grüßen
Burkhard Schröder
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[Update] Liebe Kolleginnen und Kollegen,
viele von Euch haben sich in den letzten Tagen gemeldet und ihre Bedenken zur für morgen, Freitag, 19.11.2021 geplanten Mitgliederversammlung des DJV Berlin-JVBB geäußert. Der Vorstand hat diese Rückmeldungen sehr ernst genommen und die aktuelle pandemische Entwicklung in Berlin und Brandenburg verfolgt. Daher sagen wir heute die morgige Mitgliederversammlung ab und verschieben sie auf das Frühjahr 2022. (…)
Steffen Grimberg
Vorsitzender des Vorstands

Schon klar.

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Boost oder nicht boost

Mir sagt gerade ein Mitarbeiter eines Berliner Impfzentrums telefonisch, dass die keine Drittimpfung vor Ablauf von sechs Monaten machen. Sie interessiere nicht, was Spahn sage, sondern man gehe nach den Regeln der Stiko vor.

In den Berliner Impfzentren rezipiert man offenbar keine Medien: Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat eine baldige Ausweitung der Empfehlung für Corona-Auffrischungsimpfungen in Aussicht gestellt. Die Stiko werde am Mittwoch „über die nächste, sozusagen die fortgeschriebene Empfehlung beraten, und das wird nicht lange dauern“.

Dann warten wir mal ab, wie lange das dauert. Ich wurde am 29.6. zum zweiten Mal geimpft und muss vermutlich dann auf Silvester hoffen.

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Qualitätsmedien, revisited

poschardt

Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? (via Fefe)

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Pandemie der [bitte selbst ausfüllen]

pandamie

„Erschreckend ist nicht nur der Tonfall, in den die Corona-Debatte mittlerweile abgeglitten ist. Noch erschreckender ist, dass eine Erzählung hundertfach wiederholt wird, an der genau besehen nichts, aber auch gar nichts stimmt. Wir haben keine „Pandemie der Ungeimpften“. Leider veröffentlicht das Robert-Koch-Institut (RKI) zu den Impfdurchbrüchen keine aktuellen Zahlen, sondern immer nur den Durchschnittswert der letzten vier Wochen. Dadurch wird die aktuelle Situation systematisch unterschätzt. Doch schon in den letzten vier Wochen betrafen 41 Prozent aller Corona-Erkrankungen Geimpfte, also fast die Hälfte. 36 Prozent der Corona-Patienten in den Krankenhäusern und 28 Prozent der Intensivpatienten waren vollständig geimpft. Die gute Nachricht ist: Selbst diese Zahlen zeigen, dass die Impfung immer noch relativ gut gegen schwere Verläufe schützt.“ (Sahra Wagenknecht)

„Es gibt im Moment ein Narrativ, das ich für vollkommen falsch halte: die Pandemie der Ungeimpften. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie. Und wir haben Menschen, die noch sehr gefährdet sind, die älteren Ungeimpften. Bei den über 60-Jährigen haben wir nur eine Impfquote von 86 Prozent vollständig Geimpfter, das ist irrsinnig, das ist wirklich gefährlich.“ (Christian Drosten)

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Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II)

reliquiar mit Korallenast essener Domschatz
Reliquiar mit Korallenast, Niederrhein, 2. Hälfte des 13. Jhs., 33 cm hoch. Die Fassung besteht aus vergoldetem Silber.

Gang út, nesso, mid nigun nessiklínon, út fana themo marge an that bên, fan themo bêne an that flêsg, út fan themo flêsgke an thia húd, út fan thera húd an thesa strála. Drohtin, uuerthe só! (Altsächsischer Wurmsegen, der älteste überlieferte deutsche Zauberspruch, ca. 900)

Ich bitte das Publikum, das zufällig eine Koralle zur Hand hat, um ein Experiment: Man nehme dieses Nesseltier, am besten tot, und trage es eine Weile in einer Hosentasche. Was zu beweisen ist: Man wird nicht mehr krank, und es passieren einem weniger Unglücke als vorher.

Wie? Das sei Unfug? Das müssen wir uns genauer ansehen: Magie wirkt nicht? Alles Aberglaube? Wenn ein Pfaffe ein güldenes Gerät mit einer aufgepflanzten Koralle und Knochensplittern vermutlich unbekannter Herkunft in die Höhe hält und der versammelten Gemeinde zeigt – was geschieht dann? Nichts? Oder doch? Kann man es auch lassen?

Wir wiederholen: „Orale Gesellschaften theoretisieren nicht, sie inszenieren. koralleDas Ritual ersetzt, ja ist geradezu ihre soziale Theorie.“ (Johannes Fried) Objekte wie Reliquien sind dingliche bzw. verdinglichte Zeichen der sozialen Hierarchien und der Rituale.

Das Reliquiar mit der Koralle ist mein Lieblingsstück im Essener Domschatz – eine Mischung aus urkomisch bis lächerlich und gleichzeitig so fremd wie ein Alien, so dass es einen neugierig macht. Was haben die sich damals dabei gedacht? Und wozu das alles?

Wikipedia sagt darüber: Korallen und Korallenäste, vornehmlich von roter Farbe, wurden schon in der Antike für Amulette verwendet. Sie galten als Schutz gegen Krankheiten, Blitzschlag und Misswuchs. Sie waren im alten Ägypten der Isis und in Rom der Venus heilig. Rosenkränze aus Korallen („Paternosterkrallen“) waren im Nachmittelalter sehr beliebt. Im italienischen Volksglauben schützen Korallen Kinder gegen Unheil. Daher findet man auch viele Darstellungen des Jesuskinds mit Korallenkette und Halsband mit Korallenast.

Ich besitze auch eine Koralle (vgl. Foto), die ich vom Schnorcheln in Belize mitgebracht hatte: Sie war bunt, verlor aber alsbald ihre Farbe, nachdem ich sie abgebrochen hatte. Ich hatte nicht daran gedacht, dass es sich um ein Lebewesen handelt. Ich würde der Koralle auf meinem Bücherregal aber keine besonderen Kräfte zusprechen. Aber warum andere das tun und warum es im Katholizismus vor Magie offenbar nur so wimmelt, muss erklärt werden. Dann fragen wir noch ganz naiv als Bonus: Was unterscheidet ein Reliquiar von einem Talisman, einem Amulett oder Votivgaben?

Marcel Mauss schrieb 1950, eine Religion nenne die Überreste älterer Kulturen „magisch“. „Stehen zwei Zivilisationen in Kontakt miteinander, so wird die Magie gewöhnlich der schwächeren zugewiesen.“ Aufgeklärte Menschen nennen das Hantieren der Katholiken mit Reliquien magisch, und das Christentum schaut auf die „primitive“ Vielgötterei älterer Religionen herab. Allerdings übernimmt der Katholizismus vorsichtshalber dann doch den „Volksglauben“ (Mauss nennt Magie „Religion für den Hausgebrauch“). Die angebliche Wirkung der Koralle ist theologisch nicht abgesichert, aber man weiß ja nie, und es schadet auch nicht, wenn man daran glaubt.

Erste These: „Wir müssen die Magie als ein System apriorischer Induktionen ansehen, die unter dem Druck von Bedürfnissen von Gruppen von Indiviuen vollzogen werden.“ Ich halte diesen Satz von Mauss für ziemlich genial, impliziert er doch, dass es keine „individuelle“ Magie gibt, sondern dass Gegenstände oder Rituale nur dann „wirken“, wenn sich die Gruppe vorher darauf geeinigt hat, dass es so sei.

Mauss behauptet auch, dass es keinen religiösen Ritus gebe, der nicht seine Entsprechungen in der Magie hätte. Der Ritus sei eine Sprache; mündliche Riten nennt man Inkantation, auch ein Synonym für „Beschwörung“.

Die Reliquiare und die mit ihnen verbundenen Rituale „sprechen“ also, sie zeigen, wie die Gesellschaft beschaffen sei. Das ist im Kapitalismus nicht so oder nur in maginalisierter Form vorhanden. Im antiken Rom war die Gesellschaft „verschriftlicht“, aber viele Rituale blieben dennoch magisch, zum Beispiel bei der pompa funebris (vgl. Egon Flaig) oder bei den zahlreichen Schadenzaubereien.

armreliquiar Beatrix von Holte essener Domschatz

Oben: Armreliquiar der Beatrix von Holte (Äbtissin von 1292 bis 1327), gestiftet um 1300. Höhe 72 cm. Holzkern, mit Silberblech beschlagen, vergoldetes Kupfer. Der Holzkern hat eine Öffnung, dahinter ist ein Hohlraum für die Oberarm-Reliquie. Im Türchen, das von der Hand gehalten wird, sind weitere Reliquien, angeblich Körperpartikel der Stiftspatrone Kosmas und Damian (vgl. Essener Domschatz I) und der Heiligen Barbara.

Unten auf der Tür der Öffnung ist ein Bild der Äbtissin sowie die lateinische Inschrift (übers.:) „Die Essener Äbtissin Beatrix von Holte ließ mich machen.“ Diese feudale Dame war tatkräftig und streitbar und hatte sogar eine Gegenäbtissin, mit der sie sich vor Gericht befehdete. Nachdem die Stiftskirche 1275 abgebrannt war, ließ sie den Komplex wiederaufbauen und sicherte sich den Zugriff auf die Essener Vogtei, die der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg beanspruchte (steht bei Thomas Schilp, habe ich nicht gelesen).

„Auf dem Stifterbild steht die betende Äbtissin in prachtvoller, pelzgefütterter Kleidung mit Wimpel und Weihel unter einer Arkade.“ (Zit n. Sonja Hermann)

Zweite These: Die „Gesetze“ der Magie sind 1. Kontiguität, 2. Ähnlichkeit und 3. Kontrast. Das meint:

1. Dinge, die sich berühren sind oder bleiben eine Einheit – das Teil steht für das Ganze. Ein Fingernagel eines Heiligen ist so gut wie der ganze Kerl (pars pro toto).

2. Ähnliches bringt Ähnliches hervor: Similia similibus curentur oder attractio similum (womit gleichzeitig bewiesen wäre, das Homöopathie Magie ist, also Quatsch mit Soße und nicht besser als Alchemie). Dazu Mauss: „Die Alten, Griechen wie Römer, haben geglaubt, die Augenkrankheiten dadurch heilen zu können, dass sie das Sehvermögen einer Eidechse auf den Kranken übertrugen; die Eidechse wurde getötet und danach mit Steinen in Berührung gebracht, aus denen Amulette gemacht wurden.“

3. In der Magie werden Dinge in einer Gruppe gefasst, die jeweils das Gegenteil sind, aber aufeinander wirken. Wie Lichtenberg sagte: „Grade das Gegenteil tun ist auch eine Nachahmung…“

Als Fazit der drei Gesetze bei Mauss: „Ähnliches erzeugt Ähnliches, Ähnliches wirkt auf Ähnliches, Konträres wirkt auf Konträres, und diese Formeln unterscheiden sich voneinander nur in der Anordnung ihrer Elemente. Im ersten Fall denkt man zunächst an das Fehlen eines Zustandes; im zweiten zunächst an die Anwesenheit eines Zustandes; im dritten vor allem an das Vorliegen eines Zustandes, der demjenigen entgegengesetzt ist, den man zu erzeugen wünscht. Im einen Fall denkt man an die Abwesenheit des Regens, den es mittels eines Symbols zu realisieren gilt; im anderen Fall denkt man an den strömenden Regen, dem es mit dem Mittel eines Symbols Einhalt zu gebieten gilt; auch im dritten Fall denkt man an den Regen, den man dadurch zu bekämpfen hat, daß man mittels eines Symbols sein Gegenteil hervorruft.“

Auch bei Amuletten, Talismanen und anderen Dingen, denen magische Kräfte zugeschrieben werden, sind diese drei Gesetze in Kraft. Vermutete Eigenschaften eines Objekt werden im kollektiven Denken auf andere Objekte übertragen, die entweder ein Teil des verehrten Ganzen sind, dessen man nicht mehr habhaft werden kann, oder dem ähnlich sind und/oder es berührt haben (wie in vielen Reliquiaren die angeblichen Nägel vom Kreuz Christi), oder das Gegenteil, mit dem man zum Beispiel etwas abwehren will.

Die Reliquiare wirken magisch, weil der Glaube, dass diese irgendwie wirkten, einen intellektuellen „Mangel“ überbrückt – man kann die Gesellschaft und ihre Hierarchien nicht im heutigen Sinn rational begreifen. Die Individuen eignen sich durch die Reliquien und die mit ihnen untrennbar verbundenen Rituale kollektive Kräfte an.

reliquiar des hl. Basilius essener Domschatz
Armreliquiar mit Reliquien des Heiligen Basilius, 2. Hälfte des 11. Jhs., Höhe 47 cm. Die Standplatte ist aus Blech und mit Scharnieren am Holzkern befestig. Die „Hand“ lässt sich öffnen. Das Reliquiar stilisiert die liturgische Dalmatik der Bischöfe. Die Zierborte wurde graviert. Die Oberfläche des „Handschuhs“ zeigt eine Art Fischgrätmuster. Auf dem Handrücken ist ein Medaillion (das ich zu fotografieren vergessen habe) mit der lateinischen Aufschrift (übers.:) „Heiliger Basilius, Diener des lebendigen Gottes, segne uns“ und „Die Rechte Gottes“.

Im Liber Ordinarius der Essener Stiftskirche wird beschrieben, welche Rolle das Armreliquiar spielte: Die „Hand“ wurde in eine Kirche nach Stoppenberg getragen und dort auf dem Altar präsentiert; eine Woche später wieder zurück. Unter Gesängen schlug der Priester dann ein Kreuz mit dem Reliquiar über die Anwesenden. [Es gibt ein Examplar eines Liber Ordinarius aus dem Jahr 1908 online – wer extrem komplizierte Rituale gern schriftlich mag.]

Seit dem 5. Jahrhundert sind Reliquiare in Form von Körperteilen mündlich überliefert, seit dem 11. Jh. als Objekt. Aus dieser Zeit sind insgesamt nur fünf Armreliquiare erhalten. Das aus dem Essener Domschatz ist also exotisch und extrem selten.

In der Schatzkammer der Kirche St. Ludgerus in Werden ist sogar noch ein erhaltenes Original eines solchen Handschuhs zu sehen. [Merke II: Obwohl Werden heute ein Stadtteil Essens ist, war das dortige karolingische Reichskloster fränkisch, der Dom in Essen aber lag schon in Sachsen.]

reliquiar essener Domschatz
Armreliquiar des hl. Quintinus, nach 1491. Gestiftet von Margarete von Castell, Pröpstin des Stifts Essen. Das Exemplar ist insofern interessant, als es rund 200 Jahre jünger als die anderen Arm- und Handreliquiare ist. Das Prinzip bleibt, aber handwerklich ist es aufwändiger gearbeitet – gegossene Statuetten von Engeln, vergoldeter Brokat“stoff“, sogar Adern sind an der Hand zu erkennen. Hinter dem Fenster im Arm sind die Reliquien. Das Wappen der Stifterin ist verlorengegangen. In den Fingerspitzen sind stilisierte Nägel zu sehen, die an die Folter des Quintinus erinnern sollen: Dieser wurde angeblich im 3. Jh. zur Zeit der Kaiser Diokletian und Maximian in Gallien mit Nägeln traktiert, umgebracht und in die Somme geworfen.

Fortsetzung folgt.

* Soziologie und Anthropologie: Band 1: Theorie der Magie / Soziale Morphologie, vgl. auch Rezeption Mauss‘ in Deutschland]
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Bisher zum Thema Feudalismus erschienen:
– Reaktionäre Schichttorte (31.01.2015) – über die scheinbare Natur und die Klasse
– Feudal oder nicht feudal? tl;dr, (05.05.2019) – über den Begriff Feudalismus (Fotos: Quedlinburg)
– Helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun (08.05.2019) – über die Funktion der verdinglichten Herrschaft in oralen Gesellschaften (Quedlinburger Domschatz I)
– Tria eburnea scrinia com reiquis sanctorum (09.05.2019) – über Gewalt und Konsum der herrschenden Feudalklasse als erkenntnistheoretische Schranke (Quedlinburger Domschatz II)
– Die wâren steine tiure lâgen drûf tunkel unde lieht (10.05.2019) – über die Entwicklung des Feudalismus in Deutschland und Polen (Quedlinburger Domschatz III)
– Authentische Heinrichsfeiern (13.05.2019) – über die nationalsozialistische Märchenstunde zum Feudalismus (in Quedlinburg)
– Der Zwang zum Hauen und Stechen oder: Seigneural Privileges (15.06.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [I] (24.07.2019)
– Yasuke, Daimos und Samurai [II] (03.05.2020)
– Agrarisch und revolutionär (I) (21.02.2021)
– Trierer Apokalypse und der blassrose Satan (17.03.2021)
– Energie, Masse und Kraft (04.04.2021)
– Agrarisch und revolutionär II (15.05.2021)
– Gladius cum quo fuerunt decollati patroni nostri (Essener Domschatz I) (28.10.2021)
– Magische koloniebildende Nesseltiere mit kappadokischem Arm und Hand (Essener Domschatz II) (14.11.2021)
– Ida, Otto, Mathilde und Theophanu, kreuzweise (Essener Domschatz III) (27.11.2021)
– Hypapante, Pelikane und Siebenschläfer (Essener Domschatz IV) (17.12.2021)
– Pantokrator in der Mandorla, Frauen, die ihm huldigen und die Villikation (Essener Domschatz V) (23.12.21)
– Jenseits des Oxus (09.01.2022)
– Blut, Nägel und geküsste Tafeln, schmuckschließend (Essener Domschatz VI) (18.04.2022)
– Missing Link oder: Franziska und kleine Könige (28.05.2022)
– Die Riesen von Gobero (Die Kinder des Prometheus Teil I) (18.07.2022)
– Die Liebhaber von Sumpa, Ackergäule und Verhüttung (Die Kinder des Prometheus Teil II) (25.07.2022)

Zum Thema Sklavenhaltergesellschaft:
Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil I]) 05.11.2020)

Doppeldenk oder: Die politische Macht kommt aus den Legionen [Teil II]) 27.12.2020)

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Kein Weckruf

„Heute vor sechs Jahren ermordeten islamische Djihadisten in Paris 130 Menschen, deren einziges Vergehen es war, das Leben geniessen zu wollen. Denn das Leben geniessen zu wollen, das hassen sie am meisten.
Wer damals gedacht hat, es wäre für den Westen endlich ein Weckruf, der wurde bitter enttäuscht.
Dem Westen sei gesagt: „Ihr müßt noch viel lernen, bevor ihr begreift, welcher Feind euch gegenüber steht.“
Und den Mördern Mohammeds sei gesagt: “ Die Freiheit ist eine Idee; man kann sie nicht erschießen.“ (Net Luke auf Fratzenbuch)

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Ajijic am Lago Chapala, revisited

ajijic

Fotografiert 1981 in Ajijic am Lago Chapala, Mexico. Über Ajijic hatte ich hier schon mehrfach geschrieben. Heute sieht es da anders aus, und die Grundstückspreise dürfte wegen der nahen Großstadt Guadalajara denen am Tegernsee gleichen.

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Japanische Nudeln mit Pilzen und Chinakohl

Japanische Nudeln mit Pilzen und Chinakohl

Japanische Nudeln mit Pilzen und Chinakohl – ich wollte mal etwas anderes ausprobieren und auch die Unmengen an japanischen Nudeln aufbrauchen, die sich in meinem Vorratsschrank breitmachen. Das fertige Gericht sieht ein bisschen so aus, als hätte man einen Tintenfisch gekillt und wollte den essen, oder wie ein Mix aus Würmern, die mit winzigen Käfern bestreut wurden. Es schmeckt aber sehr gut.

Das Rezept verlangt Sonnenblumenöl, das hatte ich gerade nicht, sondern nahm Rapsöl. Da beide Öle relativ geschmacksneutral sind, dürfe das Ergebnis identisch sein. Wie man Sesam korrekt röstet, musste ich googeln. Das hatte ich noch nie gemacht.

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Bad Asses

warriors from trevewarriors from treve

GorWiki: „Treve ist eine Stadt in den Voltai-Bergen. Die genaue Lage der Stadt ist nicht bekannt, nur ihre eigenen Bürger wissen darüber Bescheid. Es gibt keine Handelswege nach Treve. Aufgrund der isolierten Lage sehen sich die Tarnkämpfer Treves genötigt, jedes Jahr zur Herbstzeit eine andere Stadt zu überfallen und deren Vorräte zu rauben. Treve ist besonders wegen seiner Tarnkämpfer bekannt, die sich auch als Söldner verdingen und allgemein gefürchtet sind. Die Tarnkämpfer Treves können es sogar mit den Legionen von Thentis und Ar aufnehmen.“

Das ist mal ein anspruchsvoller Plot. In Englisch klingt das Fantasy-Ambiente viel besser:
Treve is a hidden city, it is understood that if your character somehow gains knowledge of its whereabouts you will have a target on the back of your head, your character Will be hunted, Captured and very possibly killed, we advise that you think before you act, we understand Treve can be quite the temptation to find, even for characters that have no knowledge of Treve, but finding it the incorrect way is dangerous to your character, and anyone your character might tell if you do find Treve icly. Keep in mind that if you plan on re-rolling a character to be „Born of Treve“ with the intent to „Betray“ Treve, that character will also be targeted, hunted, and most likely killed. We take IC Actions very seriously, and if you cannot handle In Character Actions = In Character Consequences, we suggest you hold off on trying to find treve, or creating a Treven character with the sole intent of betraying the oath to the Home Stone. This has been your warning, do not cry if you find your character bound and about to be killed for not listening to it.

The Story here, is that Treve has made the Village of Minus its vassal village, and oversees its laws and protection. Some are From Minus, others that live in Minus, might actually be Trevian.

Was macht mein Avatar da im Dorf Minus? Ich habe eine Stunde gebraucht, bis ich mein Anliegen den richtigen Leuten in character darlegen konnte. Wenn man bad asses anheuern will, ist man dort richtig. Am Wochenende wird eine virtuelle Stadt eine böse Überraschung erleben…

Die Sim-Regeln sind ziemlich klar und für Neulinge vermutlich einschüchternd:
So, You want to enter Treve. Lets get one thing straight, if you enter Treve incorrectly, you will be killed, its that simple, entering Treve incorrectly will get your character killed and quickly. Treve is a hidden city, nobody truly knows the route or way in unless they are Treven born, or have been given citizenship by the Ubar through correct in character methods.
The incorrect ways to get into Treve:
1. Flying directly into Treve – This will get you downed, and likely killed.
2. Finding your way through the hidden pathways to the hidden Gates of Treve – This is a way to get into Treve, but you will still likely be downed once you cross a certain threshold and depending on the situation, you may be killed.

Ich kenne mich da zum Glück aus und wurde natürlich nicht umgebracht. Es gab schon viele gescheiterten Versuche, diesen Plot auf einer Sim in Secondlifezu realisieren. Dazu braucht man aber auch Rollenspieler, die mit den großen Vögeln fliegen und gleichzeitig herumballern können. Das ist gar nicht einfach.

Gestern hab eich mich aber im Schnee herumgetrieben.

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Bare Sticks Holiday

kurasov

Heute ist Single’s Day. Und die Bilder Georgy Kurasovs würde ich, wie schon gesagt, mir alle kaufen – sie sind großartig.

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Toxic

sharon ehman

Mein Beitrag zu Karneval. Mir hat sich zwar nicht erschlossen, wer das kauft und wer sich so anzieht, aber die Dame ist eine große Künstlerin.

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Dare il gambetto

chess

Mein schwarzer Gegenspieler (darf man das sagen?) war am Zug und gab – trotz Gleichstands der Figuren – auf (Königsgambit). Zu recht?

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Class background matters

working class
Picture source: Infoshop News

Was sollte die Linke tun? Eine Umfrage in den USA gibt Antworten. (via Fefe)

Working-class voters prefer progressive candidates who focus primarily on bread-and-butter economic issues, and who frame those issues in universal terms. This is especially true outside deep-blue parts of the country. Candidates who prioritized bread-and-butter issues (jobs, health care, the economy), and presented them in plainspoken, universalist rhetoric, performed significantly better than those who had other priorities or used other language. This general pattern was even more dramatic in rural and small-town areas, where Democrats have struggled in recent years.

„Is nich wahr! Drohende Obdachlosigkeit ist den Leuten wichtiger als Gendersternchen? Abwendung der Altersarmut ist dem Wähler wichtiger als paritätische Listenbesetzung? Na sowas!“

Populist, class-based progressive campaign messaging appeals to working-class voters at least as well as mainstream Democratic messaging. Candidates who named elites as a major cause of America’s problems, invoked anger at the status quo, and celebrated the working class were well received among working-class voters — even when tested against more moderate strains of Democratic rhetoric.

Progressives do not need to surrender questions of social justice to win working-class voters, but certain identity-focused rhetoric is a liability. Potentially Democratic working-class voters did not shy away from progressive candidates or candidates who strongly opposed racism. But candidates who framed that opposition in highly specialized, identity-focused language fared significantly worse than candidates who embraced either populist or mainstream language.

„Ach. Ach watt. Leute, die die Miete kaum zusammengekratzt kriegen, haben keinen Bock, sich auch noch wegen „institutionalisiertem Rassismus“ anpöbeln zu lassen? Wer hätte das gedacht!“

Working-class voters prefer working-class candidates. A candidate’s race or gender is not a liability among potentially Democratic working-class voters. However, a candidate’s upper-class background is a major liability. Class background matters.

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#beitrittzudänemarkjetzt

rettungsstelle

Informativer Artikel im Tagesspiegel (leider Paywall, aber ausnahmsweise ohne Gendersprache) über das beste Gesundheitssystem in einem kapitalistischen Staat: „Die erste E-Health-Strategie verabschiedete Dänemark 1999, da nutzten in Deutschland gerade 14 Prozent der Haushalte regelmäßig das Internet. Und die Dänen räumten ihr Gesundheitswesen auch politisch auf. Grob vereinfacht lassen sich beide Staaten so gegenüberstellen: Die Dänen haben eine steuerfinanzierte Staatskrankenkasse, die Deutschen über 100 verschiedene gesetzliche Versicherungen.“

„Vor allem aber laufen Millionen Deutsche jedes Jahr in eine Rettungsstelle, ohne dass sie ein Notfall wären. (…) Seit 1967 haben alle Dänen eine ID-Nummer, eine individuelle Zahlenfolge für den Verkehr mit Ämtern, Banken, Ärzten. (…)

Über Impfstatus, Allergien, Tablettenroutine erfährt ein deutscher Arzt zunächst nichts. Erkenntnisse telefoniert er sukzessive heran und tippt sie in eine klinikeigene Computerakte, die oft nur dem eigenen Krankenhaus und der jeweiligen Kasse nützt. Faxgeräte sind noch in Gebrauch, Röntgenbilder werden oft per Post, zuweilen per Bote verschickt. (…)

Dass Deutsche öfter im Krankenhaus liegen, hat – auch wenn das wenige offen sagen – wohl damit zu tun, wie die Kliniken an ihr Geld kommen. (…) Es gibt Eingriffe, die im Schnitt mehr kosten, als die Kassen zahlen, und solche, die ein Nettoplus einbringen. Diese Eingriffe werden auch dann durchgeführt, so der Vorwurf, wenn sie medizinisch nicht zwingend geboten sind.“

In Norwegen scheint es sogar noch besser zu sein. Die Migrationspolitik könnte Deutschland auch komplett von Dänemark übernehmen.

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11. November, revisited

Revolution
Reprint vom 09.11.2008

Der heutige Tag, der 9. November, verkörpert wie kein anderer die deutsche Geschichte. Am 9.11.1848 wurde Robert Blum, ein Revolutionär aus Köln und Vizepräsident des Frankfurter Vorparlaments, in Wien erschossen. Blum war während der Märzrevolution 1848 Vertreter des republikanischen Flügels und würde heute von der CDU als „Linksextremist“ diffamiert werden. Man sieht: Die Rechte ist sich immer treu geblieben in Deutschland.

Jedes Schulkind sollte heute etwas von den Novemberpogromen 1938 gehört haben – die größten antisemitischen Ausschreitungen im „Land der Dichter und Denker“ seit dem Mittelalter. 2000 Jahre christlicher Antijudaismus war die Basis, ohne die der organisierte Judenmord nicht denkbar gewesen wäre. Auch das wird gern verschwiegen. Die heutigen Evangelen haben gerade ihre Reformation in der Kirche gefeiert, an deren Mauern noch heute die Judensau zu sehen ist.

Am 9. 11. 1989 fiel die Berliner Mauer. Am 9.11.2001 beschloss der Deutsche Bundestag das Anti-Terror-Paket, in dem unter anderem das Religionsprivileg im Vereinsrecht abgeschafft wird, um das Verbot „islamistischer“ Organisationen zu ermöglichen. Am 9.11.2007 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Es scheint, als sei der 9. November ein Schicksalstag, an dem mit großer Wahrscheinlichkeit irgendein Unheil in Deutschland geschieht.

Mein Lieblingsdatum ist aber der 9.11.1918 – die deutsche Revolution. Die scheiterte leider, wie alle Revolutionen in Deutschland. Aber die Guten haben es immerhin versucht. Diese Revolution mag ich besonders, weil sie so gar nicht typisch deutsch ist, außer in ihrem Ende. Ich hätte gern in jenen Tagen gelebt, aber ich wäre vermutlich schnell erschossen worden und könnte daher heute nicht bloggen.

Auf der Website des Deutschen Historischen Museums zum Thema lesen wir: „Am Morgen des 9. November erreichte die Revolution die Reichshauptstadt. Aufgerufen von Revolutionären Obleuten, zumeist dem linken Flügel der USPD nahestehende Vertrauensleute in den Betrieben, traten die Berliner Arbeiter in den Ausstand. Zu Hunderttausenden formierten sie sich zu gewaltigen Demonstrationszügen durch das Zentrum. Ihnen schlossen sich die Soldaten der drei Jägerbataillone an, die zu diesem Zeitpunkt als einzige Truppen in Berlin stationiert waren. Auf Flugblättern bekundeten die Demonstranten ultimativ ihren Willen zum Bruch mit dem monarchischen Obrigkeitsstaat und zu einer umfassenden Neugestaltung der politischen Verhältnisse.“

Die Revolution endete, wie die wohlwollenden Leserinnen und geneigten Leser sicher wissen, in der Ermordung der Anführer der Linken, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Es muss unbedingt erwähnt werden, dass die Mörder Liebknechts und Luxemburgs, die namentlich bekannt sind, vor Gericht freigesprochen wurden. Das Urteil wurde vom SPD-Minister Gustav Noske unterschrieben und gebilligt. Man müsste heutige Sozialdemokraten mal fragen, ob sie wissen, wer Noske war und welcher Partei er angehörte.

„Reprint“ vom 09.11.2008

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11. November

novemberpogrome

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#getthejab

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