Siam-Nico, Buzzwords und der chinesische Imperialismus

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Bei manchen Buzzwords (früher sagte man frankophil Slogan) schlägt mein Bullshit-Detektor sofort an, bei einigen Themen auch. Ich bedauere, die des Politischen kundigen Lesern und die an Medienkompetenz interessierten Leserinnen mit einer kleinen und vorläufigen Etüde in Recherche behelligen zu müssen.

Klassenkampf. Chinesischer Imperialismus. Mahnwache. Kommt alle. Fehlen nur noch die Fackeln Lichterketten, aber die sind mittlerweile sowas von out. Wer steckt dahinter? Aufmerksamkeitshuren, Marketing-Agenturen, etwas getarnt Politisches oder alles?

Setzen wir das Puzzle zusammen. Man sollte vermuten, dass bei a) Klassenkampf irgendwas „Linkes“ mitmacht, in Kombination mit b) chinesischer Imperialismus ergibt das aber zunächst wenig Sinn. „Die Linke“ lässt sich zwar von der pro-uigurischen Propaganda einlullen, aber sie würde nicht so weit gehen, eine „Volksrepublik“ als imperialistisch zu benennen. Die Grünen wiederum kriegen beim Begriff Klassenkampf sofort die Krätze. Beides – so unserer Arbeitshypothese nach 30 Sekunden – scheidet aus. Im Sinn haben wir den Namen „Nico Buchmüller“, der als Organisator der Mahnwache genannt ist.

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Die „Süddeutsche“ (Paywall) zitiert die (virtuelle) Gruppe German Solidarity with Myanmar Democracy. Man könnte irrig vermuten, dass die „Süddeutsche“ recherchiert hat, ob es diese Gruppe gibt. Dass sie das nicht getan hat, beweist die Zeichenkette „setzt sich nach eigenen Worten [bitte selbst ausfüllen] für ein freies Myanmar ein.“ Ohne drei unabhängige Quellen zu haben, durfte man früher, in den goldenen Zeiten des Journalismus, noch nicht mal furzen gehen. Heute reicht eine abhängige.

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Wait a minute. Warum sollte sich überhaupt jemand hierzulande ausgerechnet für Myanmar einsetzen, und was ist „frei“? Kapitalismus unter der Schirmherrschaft der NATO und faschistischer Banden wie in der Ukraine? Warum nicht Freiheit für Äquatorialguinea? Robbenbabys Negerkinder auf Fotos werden doch von jeder Werbeagentur mit Kusshand angenommen, weil sie immer in die Kamera lachen, außer wenn sie kurz vor dem Hungertod stehen (Amnesty, Brot für die Welt usw.). Kann man also für praktisch alles vermarkten.

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Doch halt, wie haben ein Motiv, sagt jetzt der Kommissar (wir sind erst bei Minute fünf der Recherche). Hier spricht Nico Buchmüller, man sieht ihn die Hände ringen und tränenkullernd schluchzen: Brutalität! Gewalt! Die ist nicht geil, sondern pöhse. Wir werden alle störben. Da muss man doch was tun!

Merke: Der Herr schreibt schlechtes Deutsch, und auch die Kommata fehlen oder stehen an der falschen Stelle. (Er hat also kein Abitur. Leider kann man heutzutage bei der Recherche aus diesem Tatbestand nichts folgern, weil das Kriterium sogar für die meisten Journalisten zutrifft.)

Wir merken uns in Rechercheminute fünf: Kein Profi, vermutlich keine der vorhandenen Parteien im Hintergrund (Arbeitshypothese, es fehlen die vorgestanzten Textbausteine), die Volksmassen jubeln noch nicht (was bei Myanmar auch extrem unwahrscheinlich ist, da vermutlich 90 Prozent der Bevölkerung das Land nicht auf einer Karte lokalisieren könnten). Appell an Gefühle, wie schon beim Kampf gegen „Hass“. Gefühle entpolitisieren sofort jedes Thema, lassen sich aber natürlich bei den intellektuell Schmalbrüstigen geistig Armen gezielt mobilisieren. Wer „gegen Gewalt“ ist, redet zur Mittelschicht. Man appelliert, sich zu benehmen: Man möchte bei denen da oben nicht unangenehm auffallen und sich gleichzeitig von denen da unten absetzen. „Klassenkampf“ und „gegen Gewalt“ – das passt nicht und spricht bei mir sofort für einen geistig verwirrten Einzeltäter oder Drogenmissbrauch.

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In Minute zehn der Recherche müssen wir nur noch die falschen Nico Buchmüllers aussortieren. Der richtige ist Klima-Nico von der Klimaliste Baden-Württemberg. Einw der Abspaltungen von der Befreiungsfront Judäas den Grünen, die sich auf nur ein Thema focussieren und den Kapitalismus reformieren wollen, aber selbstredend weiterhin zum GlottisschlagStimmritzenverschlusslaut-Milieu gehören. Ergo: Schon wieder nur Winkelreformer der buntscheckigsten Art.

Unser Klima- und Siam-Nico drückt mit Karacho auf alle Tränendrüsen: Er sammelt Spenden für Waisenkinder in Mayanmar. Das volle Programm also. Ich frage immer noch: Warum ausgerechnet Birma? (Ich hatte ein Kinderbuch über die KatzenTigerjagd in Siam – so hieß das früher.) Er hat dort eine Zeit verbracht. Das muss uns reichen. Man muss nicht alles runtermachen, auch wenn man „Entwicklungshilfe“ als eine Art Embryo des Imperialismus ansieht und „helfen“ durchweg als ein niedriges Motiv, um sich selbst besser zu fühlen.

Man kann natürlich noch weitermachen und den beruflichen Werdegang recherchieren, Bildersuche und -vergleich eingeschlossen). Wir haben Nico unrasiert, auf Linkedin rasiert. Bei krauth technology im Schwarzwald wurde er offenbar ausgebildet (7. von links). Bei highQ war er auch oder ist er noch.

Der „Klassenkampf“ war also nur ein Versehen und wird in die Rubrik attention whore eingetütet. Wenn man unseren Siam-Nico fragte, was Imperialismus sei, würde er garantiert ins Stottern kommen oder „die Uiguren, die Uiguren“ murmeln.

Übrigens: Die so genannte Opposition in Myanmar würde ich auch nur mit der Kneifzange anfassen.