Identitärer Wahn

Leider hinter einer Paywall von FAZ.net (von Horst Bredekamp): „Warum der identitäre Wahn unsere größte Bedrohung ist“.

„Der schauerlichste Zug des Postkolonialismus liegt in seiner strukturell antijüdischen Konsequenz. Viel ist über den vorhandenen oder nur unterstellten Antisemitismus von Achille Mbembe diskutiert und geschrieben worden. Die Ausblendung des für alle Fragen des Rassismus höchst sensiblen Impulses jüdischer Anthropologen wird jedoch niemals thematisiert. Diese Strategie entspricht dem Ziel, eine Kulissenverschiebung von Auschwitz nach Namibia vorzunehmen und damit die Unvergleichlichkeit des Holocaust zu bestreiten.
Es ist dieser totalitäre Gestus, gegen den sich Wolfgang Thierse wehrt. Wie naiv muss man sein, um nicht zu erkennen, dass am Ende einer identitären Politik, wie er sie kritisiert, nicht etwa eine aufgeklärte multikulturelle Realität steht, sondern die Reinheit einer so sauberen wie menschenverachtenden Orientierung.(…)

Die AfD und Schlimmeres sind eine ständige Herausforderung, die aber zu bewältigen sein dürfte. Die Überwindung des identitären Angriffs auf die Vernunft dürfte schwerer zu erbringen sein, weil sie sich hinter dem Ethos einer linken Befreiungsrhetorik verpanzert hat. Wolfgang Thierse hat die Courage aufgebracht, den Unterschied von Sprache und Effekt auszusprechen und deutlich zu machen, dass die politische Korrektheit das Ende der Sozialdemokratie bedeutet. Sie sollte ihm ein Denkmal setzen.“