Noch eine Notgemeinschaft

rostlaube
Eine Postkarte aus den 80-er Jahren: Der Eingang der so genannten „Rostlaube“ der Freien Universität Berlin, damals das Gebäude für die Historiker und Germanisten. Genau dort habe ich studiert.

Rund 70 Wissenschaftler haben ein „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ gegründet.

Wir beobachten, dass die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit von Forschung und Lehre zunehmend unter moralischen und politischen Vorbehalt gestellt werden soll. Wir müssen vermehrt Versuche zur Kenntnis nehmen, der Freiheit von Forschung und Lehre wissenschaftsfremde Grenzen schon im Vorfeld der Schranken des geltenden Rechts zu setzen. Einzelne beanspruchen vor dem Hintergrund ihrer Weltanschauung und ihrer politischen Ziele, festlegen zu können, welche Fragestellungen, Themen und Argumente verwerflich sind. Damit wird der Versuch unternommen, Forschung und Lehre weltanschaulich zu normieren und politisch zu instrumentalisieren. Wer nicht mitspielt, muss damit rechnen, diskreditiert zu werden. Auf diese Weise wird ein Konformitätsdruck erzeugt, der immer häufiger dazu führt, wissenschaftliche Debatten im Keim zu ersticken.

Obwohl es schon zahlreiche Medienberichte gibt, sieht man davon noch kein Echo auf der Website (des Vereins?) (Stand 19.00 Uhr, 04.02.).

Ich sehe das mit Skepsis, nicht der berechtigten Inhalte wegen, sondern weil ich annehme, dass die meisten Wissenschaftler Opportunisten sind, die abwarten, woher der Wind weht. Viele krebsen auch nur als prekäre Existenz mit kurzen Verträgen herum und können es sich nicht leisten, gegen den gefühlten Mainstream zu argumentieren. Zudem werden die Purifikations-Rituale in den (sozialen) Medien dafür sorgen, dass die Gruppe in den Geruch des „Rechten“ gerät. (Kahane, übernehmen Sie!)

Wenn man sich die soziale Herkunft der Studenten heute ansieht, wird man auch von dort keine Rebellion erwarten oder gar, dass diese sich mit Wissenschaftlern verbinden, die sich etwa der gegenderten Sprache verweigern oder die zu oft alte weiße Männer wie Tacitus zitieren.

Zu meiner Zeit gab es so etwas übrigens auch, nur unter anderen Vorzeichen – die Notgemeinschaft für eine freie Universität. Ich hielt die damals für eine Kampfgruppe von Ultrareaktionären, ein Urteil, was definitiv falsch war – aber ich hatte schlicht das Verdikt meiner Peer Group übernommen.