In Shitstormgewitterchen

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Wenn Männer sich mit #feminist und #vegan taggen, muss ich immer lachen. Das Klischee scheint ausnahmslos zu stimmen. Fehlt nur noch der Herren-Dutt für Hipster, die prekäre pseudo-intellektuelle Randexistenz und die völlige protestantische Humorlosigkeit.

Auf Fratzenbuch sinnierte ich vor mich hin, ob es nicht sinnvoll sei, auch öfter bei Twitter vorbeizuschauen, weil in der Kürze bekanntlich auch die Würze liegt. Oder: Wer nicht mit 120 Zeichen Propaganda auskommt, sollte es ganz lassen. (Oder sind es jetzt sogar mehr?) Ich bin mir aber nicht sicher, ob das nicht komplette Zeitverschwendung ist. Andererseits liebe ich es, mit dem Holzhammer zu argumentieren, weil das mehr Leben in die Bude bringt. Wer nicht eine Million Instagram-Follower erwartet, sollte gar keine Fotos posten. (Johann Wolfgang von Goethe)

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„Sei stolz, Kamerad, du bist ein Arbeiter!“ (Sowjetisches Poster 1982, credits: Soviet Visuals)

Nimm dies zunächst, Twitter-Blase!
§ 241a – Politische Verdächtigung: Wer einen anderen durch eine Anzeige oder eine Verdächtigung der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt- oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in seiner beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ich hatte hier schon auf einen Artikel von Fatina Keilani im „Tagesspiegel“ hingewiesen. Die erlebte einen flame war Shitstorm der üblichen Verdächtigen in den üblichen Social-Media-Blasen. Letztere halte ich nicht für so relevant wie sie selbst, sondern für eine Art moralisierende und selbstreferenzielle Lichterkette, die sich – wie diese – nur an die eigene Peer Group richtet, also irrelevant ist.

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Zum Thema las ich, um mich zu amüsieren, Don Alphonso, der Politik, obzwar stilvoll und elegant, aber dennoch nur aus der Klassenperspektive des Couponschneiders beschreibt (was die Kommentare beweisen), eine Meinungsschießscharte unter vielen, die ich gegenüber den Positionen bevorzuge zu konsumieren, die mich unnötigerweise nur bestätigen. Ich meine zu allem etwas, und zwar stark, und brauche niemanden, der mir sagt, dass ich recht habe – das weiß ich selbst. Also schaue ich beim Klassenfeind nach dort nach, wo vielleicht eine winzige und interessante Korrektur meines gefestigten Weltbilds zu erwarten wäre.

Der Don bemerkt über einen Kollegen, der auch für die Jungle World schreibt (die im übrigen genausowenig antideutsch“ ist wie Don Alphonso großbourgeois): Wer ist dieser Krsto Lazarevic, woher hat er all die Zeit, einer Autorin hinterherzuforschen, solche Bezüge zu konstruieren, sie bei Twitter zu verbreiten und sich am Rufmord zu beteiligen? Darüber sagt sein Profil bei Twitter wenig aus, dort steht nur, er würde im Europaparlament arbeiten: „Working @Europarl_EN„. Das ist natürlich eine Spitzenreferenz, die er da für sich in Anspruch nimmt, aber die Realität von Krsto Lazarevic sieht anders aus. Er arbeitet nicht etwa direkt für das Europaparlament, sondern, wie eine kurze Recherche ergibt, als Mitarbeiter eines Abgeordneten. Konkret ist Lazarevic der Pressesprecher des grünen Europaparlamentsabgeordneten Erik Marquardt – nur agiert er im Netz ohne diese Information, die man eigentlich bei mit Steuergeldern finanzierten Pressemitarbeitern von Parlamentariern erwarten müsste. Denn sein Chef Erik Marquardt wiederum ist innerhalb der Grünen Experte für Migration, und hat als Aktivist das Projekt Civilfleet verantwortet. Das Projekt begann 2018 mit großer Medienaufmerksamkeit und scheiterte dann spektakulär: Gelder waren weg, das Schiff konnte nicht zu Rettungseinsätzen starten. Als der Skandal im September 2019 ruchbar wurde, war der Aktivist Marquardt für die Grünen auf einer Welle der Popularität schon ins Parlament eingezogen.

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Die riechen schon, was kommt und rufen prophylaktisch „Hurra“. Ich bin dankbar, beweist dieser Politschleim doch meine These, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Die oberen Schichten des angestellten und verbeamteten Bürgertums und deren Milieu fraternisieren mit der Großbourgeoisie. Das nennt man in revolutionären Zeiten „Stockholm-Syndrom“, in nicht-revolutionären Zeiten „gesunder Klasseninstinkt“.

Es ist wie überall. Man muss sehen, wo man bleibt und wo die finanzielle Alterssicherheit herkommt. Meinungen stören da nur. Positionen, die nicht stromlinienförmig sind, machen das digitale Leben zu unbequem. Die Attitude der Blockwartin ist die den Deutschen gemäße. Melden, durchführen, verbieten und sich dabei moralisch höherwertig fühlen – ich sagte es hier schon.

Ich halte den Opportunismus der übergroßen Mehrheit übrigens für einen Vorteil: Diese Mischpoke passte sich auch schnell an und hielte die richtigen Winkelemente hoch, wenn ein kommunistischer Arbeiter-und Soldatenrat plötzlich von einem höheren Wesen (anders ist es nicht vorstellbar) an die Macht geputscht worden wäre.