" vor die Glocke

newsletter die linke

Schön, dass bei der Partei „Die Linke“ alles transparent ist, auch die Newsletter. Der Nachteil der Transparenz: Leute wie ich meckern dann herum, und ich finde immer etwas zum Herummeckern.

Die Cyberlinken erstellen ihren Frontalunterricht Cybernewsletter per Typo3 („X-Mailer: TYPO3“) Das ist immerhin um Klassen besser als mit Outlook. Man könnte ihnen jetzt etwas über den Zeichensatz in HTML sagen oder über Querköpfe Leute wie mich, die sich ihre E-Mails nicht in HTML anzeigen lassen – nach dem Motto: Erste Wörter rasch gelöschter E-Mails: „Sollte diese E-Mail nicht richtig angezeigt werden, klicken Sie…“. Aber das lassen wir mal. Lieber auf den Inhalten herumtrampeln.

Die wohlwollenden Oberstudienräte für Deutsch im Publikum und die geneigten sprachkundigen Leserinnen wissen vermutlich schon, was kommt: Ung, ung, ung. Sie können es einfach nicht lassen. Bei „Vergesellschaftung“, so gut, schön und geeignet diese auch sei, können wir nachsichtig sein, aber dennoch sollte man immer Rössin und Reiterin nennen und ganz leninistisch fragen: Wer wen? Die deutsche Sprache kennt, und das mag die „Linke“ überraschen, Verben, auch bekannt als Tuwörter. Die sollte man um der Dynamik und Eleganz des Ausgesagten willen so benutzen wie in der Glocke:

Hört ihr’s wimmern hoch vom Thurm!
Das ist Sturm!
Roth wie Blut
Ist der Himmel.
Das ist nicht des Tages Glut!
Welch Getümmel
Straßen auf!
Dampf wallt auf!
Flackernd steigt die Feuersäule,
Durch der Straße lange Zeile
Wächst es fort mit Windeseile,
Kochend wie aus Ofens Rachen
Glühn die Lüfte, Balken krachen,
Pfosten stürzen, Fenster klirren,
Kinder jammern, Mütter irren,
Thiere wimmern
Unter Trümmern,
Alles rennet, rettet, flüchtet,
Taghell ist die Nacht gelichtet…

Kommt da ein Wort vor, das mit -ung -oder -keit endet? Mitnichten. Warum nicht? Weil Schiller keins eingefallen ist? Auch nicht: Der wollte, dass sein Gedicht die Leser aus dem Sessel reißt, dass ihnen der Schweiß ausbricht und die Münder offenstehen, und vor allem, dass es sich so anhört wie das, was dort beschrieben wird.

„Die Corona-Pandemie ist global und ihre Eindämmung muss auch global erfolgen. Dafür müssen die Impfstoffe aber auch global schneller zur Verfügung stehen.“

Das ist garantiert nicht von Schiller, weil ich gähnen musste. Ginge es besser? Natürlich, aber muss man sich anstrengen und denken. Zwei mal Lautsprecherduktus mit „muss“ hintereinander. Nein, das hört sich an wie: Die Revolution muss kommen, und alle müssen mitmachen. Überzeugte mich nicht. Satzlänge: Mehr als neun Wörter sollten die Stirne runzeln lassen und das Herz vor schlechtem Gewissen wummern. Wie dumm und begriffsstutzig oder auch arrogant muss man sein, um trotzig alle Regeln zu missachten, wie Texte verständlich sind oder auch nicht? Kann die mal jemand ohrfeigen, dass sie wachwerden (das ist jetzt eine unzulässige verbale „Mikroaggression“)? Oder heißen Kaffee über die Holzköpfe schütten?

Die COVID-19-Pandemie ist global. Global müssen wir sie auch eindämmen.

„Muss erfolgen“ steht auf der schwarzen Liste derjenigen abgedroschenen und sinnfreien Textbausteine, die niemand verwenden darf, bei Strafe des Indenseegeworfenwerdensmitgewichten. Das gilt auch für „zur Verfügung stehen“.

Wir müssen weltweit über ausreichend Impfstoffe verfügen. Ja, tatsächlich! Zu „Verfügung“ gibt es ein Tuwort!

„Wir wollen uns eben nicht damit zufriedengeben“: „Eben“ ist überflüssiges Füllwort, wie ein Furz an falschen Stelle. Zudem muss ich jetzt rätseln: „Wir wollen nicht zufrieden sein mit“? Ist das gemeint? Ach so: Das Wichtige, was die Leser aufrütteln soll, wird im hinteren Teil des Satzes versteckt: „dass ein großer Teil der Menschen im globalen Süden erst irgendwann ab 2022 mit einer Impfung rechnen kann.“ Spätestens beim Süden sind alle weggezappt. Der Satz ist schon wieder zu lang: Zerschlagen wir ihn!

Viele Menschen im globalen Süden [weiß der Henker, was das ist] in der Dritten Welt können erst 2022 geimpft werden. Das akzeptieren wir nicht!

„Dafür halten wie [sic!] auch eine Vergesellschaftung der Produktion, [Kommafehler] der zu einem großen Teil mit öffentlichen Mitteln entwickelten Impfstoffe für notwendig.“

Alles falsch. „Für notwendig halten“ In den See mit euch, mit ganz vielen schweren blauen Bänden an den Füßen! Ein Satz mit zwanzig Wörtern, und das angedeutete Tuwort gaaaaanz hinten gut verborgen, dass auch niemand auf Anhieb kapiert, was wer will. (Man kann auch Newsletter Korrektur lesen und alles richtig schreiben! Oder fehlt euch die Manpower Womenpower dazu?)

Die Produktion von Impfstoffen wurde zu einem großen Teil mit Steuergeldern finanziert. Sie sollte vergesellschaftet werden.

Wie soll das denn umgesetzt werden? Meint die „Linke“ Staatskapitalismus? Die Firma BioNTech in eine Genossenschaft umwandeln? Oder alles beschlagnahmen? Oder fordern, aber bis zum Kommunismus warten?

Leute, das ist alles heiße Luft. Niemand nimmt euch ernst, wenn ihr so herumfaselt. Es muss schon konkret und sinnlich sein. Und bevor es konkret werden kann, müsst ihr so formulieren, dass es jeder versteht. Schaut dem Volk aufs Maul!

„Mit einem anschauen“ verstehe ich nicht, trotz langen Überlegens. Kann jemand helfen?