Trump? [Update] [2. Update]

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Trump. I told you so.

Alle diejenigen, die sich über den Klassencharakter des bürgerlichen Staates Illusionen gemacht haben und meinten, Biden sei besser als Trump, müssen jetzt sehr stark sein.

Zum mentalen Einstimmen auf das Thema empfehle ich Georg Lukács: „Der Staat als Waffe“: „Man kann“, hat schon Talleyrand gesagt, „mit den Bajonetten alles mögliche anfangen, nur kann man sich nicht auf sie setzen.“ Jede Minderheitsherrschaft ist also sozial in einer Weise organisiert, die die herrschende Klasse konzentriert und zum einheitlich-geschlossenen Auftreten tauglich macht und zugleich die unterdrückten Klassen desorganisiert und zersplittert.

Ist die Sache schon gelaufen? Welt Online: Entscheiden könnte sich die US-Wahl in drei Staaten: Michigan, Pennsylvania und Wisconsin. Wer auch immer zwei von diesen drei Staaten holt, die 2016 alle republikanisch wählten, dürfte siegen. (…)
– Michigan (16 Wahlleute): Aktuell sind hier 75 Prozent der Stimmen ausgezählt, derzeit liegt Trump (52 Prozent) in Führung (…)
Pennsylvania (20 Wahlleute): Hier liegt nach Auszählung von 74 Prozent der Stimmen Trump deutlich mit 55,7 Prozent der Stimmen vorn. (…)
– Wisconsin (10 Wahlleute): 83 Prozent der Stimmen sind aktuell ausgezählt, Trump liegt knapp mit 50,9 Prozent vor Biden (47,3).
[Biden scheint hier hauchdünn gewonnen zu haben.]

Wie konnte das passieren? Im Januar 2018 zitierte ich die New York Times: The anti-Trump movement suffers from insularity [„Tunnelblick“]. Most of the people who detest Trump don’t know anybody who works with him or supports him. And if they do have friends and family members who admire Trump, they’ve learned not to talk about this subject. So they get most of their information about Trumpism from others who also detest Trumpism, which is always a recipe for epistemic closure.

Es sieht so aus, als wäre der Wahlsieg Trump rechnerisch kaum noch zu nehmen, es sei denn, die Briefwähler zum Beispiel in Pennsylvania würden sich überraschend mehrheitlich für Biden entschieden haben – was aber unwahrscheinlich ist.

Aber darauf kommt es gar nicht an. Trump weiß bekanntlich, warum er was sagt -und zu wem. Er hat angekündigt, sich an den Obersten Gerichtshof der USA wenden zu wollen, um zu verhindern, dass weiterhin Stimmen ausgezählt werden. Das gab es schon einmal.
Das Gericht kritisierte u.a. in seinem Urteil vom 12.12.2000, „dass es in den verschiedenen Distrikten des Bundesstaates Florida keine einheitlichen Standards dafür gebe, wie die strittigen Stimmen ausgewertet werden sollen“.

Das Motiv Trumps ist sonnenklar: Entscheidend ist das Wahlmännerkollegium. Die Wahlmänner geben ihre Stimme in den Bundesstaaten am 15. Dezember ab. Wenn keine klare Mehrheit abzusehen ist, wonach es jetzt aussieht, entscheidet das Gericht, nicht der Ausgang der Wahl. Es geht also darum (darum ging es auch 2000), welcher Bundesstaat wann wie viele Wahlmänner in dieses Gremium schickt. Was geschieht aber, wenn das bis zur Frist nicht klar ist?

Übrigens: „Wenn keiner der Präsidentschaftskandidaten die Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhält, sieht der 12. Zusatzartikel der Verfassung vor, dass die Wahl durch das Repräsentantenhaus entschieden wird. In diesem Fall wählt das Repräsentantenhaus den Präsidenten durch Mehrheitsentscheid unter den drei Kandidaten, die die meisten Wahlmännerstimmen erhalten haben. Jeder Staat gibt eine Stimme ab.“ Da die Demokraten hier die Mehrheit haben, wird Trump letzteres auf jeden Fall verhindern wollen.

[Update] Nevada gibt das Ergebnis erst am Donnerstag bekannt. Das scheint ein so enges Rennen zu werden – in Michigan liegt Biden nur mit ca. 30.000 Stimmen vorn bei 96 Prozent ausgezählten Stimmen, dass Trump vermutlich versuchen wird, die Sache noch einmal auszählen zu lassen. Die Republikaner haben außerdem den Senat gewonnen, so dass Biden keine Gesetze ohne deren Zustimmung erlassen kann.

[2. Update] Meine Annahme, dass Trump gewinnen würde, fußte auf der statistischen Tatsache, dass bisher jeder Kandidat Präsident wurde, der Texas und Florida gewann. Vielleicht ändert sich das jetzt. Mehr wissen wir erst, wenn die Wahlmänner Mitte Dezember zusammentreten.

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Kommentare

8 Kommentare zu “Trump? [Update] [2. Update]”

  1. flurdab am November 4th, 2020 4:49 pm

    Ist schon lustig was so alles als „Demokratie“ durchgeht.

  2. Juri Nello am November 4th, 2020 5:59 pm

    Deren Wahl wird jedes mal mehr Bedeutung zu Teil, dabei hat es für uns immer weniger Auswirkungen, ob dort nun deren AFD oder deren CSU regiert.
    Es ist sowieso unverständlich, warum man sich an so einem Drittweltland überhaupt orientieren sollte.

  3. bentux am November 4th, 2020 7:33 pm

    Das stimmt so nicht ganz, der US Präsident sagt, an welchem Hindukusch die Demokratie zu verteidigen ist. Soll heißen wenn Simon sagt Jump, dann klappen die Pumps und Sie fragt wie hoch. Dazu hat die BRD noch die Atomare Teilhabe. Soll heißen wenn es heiß wird, mit dem kalten Krieg, dann sagen die Amis wo die Dinger landen dürfen.
    Eigentlich ist der Präsident das Sprachrohr nach dem Rest der Welt, also alles was außerhalb der Vereinigten Staaten ist. In den Staaten kann der Präsi nur mit Geld und Beziehungen regieren. Weil die Senatoren mögen es manchmal nicht so gerne wenn Jemand ihnen was vorschreibt. https://usaerklaert.wordpress.com/2006/06/25/die-grobstruktur-der-usa-oder-wo-man-vor-bush-am-sichersten-ist/

  4. ... der Trittbrettschreiber am November 4th, 2020 8:37 pm

    Die letzten Nächte lag ich schlaflos an die Decke starrend auf meiner Pritsche. Die Flaschen um mich herum interessierten mich kaum, auch die vollen. Wen, murmelte ich immer wieder in die stickige Luft des Gewölbes, in dem ich oft Ruhe fand vor der Welt, deren Komplexität mich täglich durstiger macht, wen soll ich nur wählen: Trump, den ehrlichen, einem Pardiesvogel ähnelnden Elefanten im politischen Porzelanlanladen oder Biden, den leicht spöttelnden rückwärtsgewandten, längst vermodernde Diskurse wieder beleben wollenden Elitegreis. Erst heute morgen, beim mühsam in mich hinein gelöffelten Biomüsli mit Hopfenaroma platze mir der Kragen und ich schrie mit heiserrauher Röchelstimme aus dem Fenster: „Es Reicht! Ich werde nicht wählen gehen!“. Danach ging es mir besser. Ich fühlte mich wie ein Deutscher mit Rückgrat – jemand , der wieder weiß, was das Wort Zivilcourage im ursprünglichen Sinne eigentlich bedeutet: Einfach nicht hinsehen… bis es ploppt.

  5. Juri Nello am November 4th, 2020 9:56 pm

    „Das stimmt so nicht ganz, der US Präsident sagt, an welchem Hindukusch die Demokratie zu verteidigen ist.“

    Das Gebiet ist ohnehin egal, irgendwas wird immer gerade in Grund & Boden gebombt, völlig unabhängig vom anderweitig gewählten Präsidenten.

    „Dazu hat die BRD noch die Atomare Teilhabe. Soll heißen wenn es heiß wird, mit dem kalten Krieg, dann sagen die Amis wo die Dinger landen dürfen.“

    Wenn es heiß wird, gibt es Deutschland nicht mehr! Daran hat sich seit Generationen nix geändert. Dafür muss ich nicht mal Blüchel unter C4 setzten, so gerne ich das würde. Frei nach Lawrow: „Russland gibt es nach dem nächsten Krieg noch. Das ist der Unterschied.“

  6. Jorg am November 5th, 2020 2:03 pm

    Es bleibt auf jeden Fall spannend und ich habe sogar eine Wette auf Trumps Sieg laufen. Wer verliert gibt den Sieger einen Döner aus…

    Soll mich das Ergebnis freuen…

    Keine Ahnung. Hoffe nur das die Wahl bald um ist und ja vielleicht sehen wir bald den ersten Präsidenten der Texas nicht brauchte.

  7. Juri Nello am November 6th, 2020 3:04 pm

    Bis die mit den ganzen, nun nötigen Gerichtsurteilen durch sind, haben wir schon längst gewählt, obwohl unsere Wahl verschoben werden wird.

  8. Herbert Eisenbeiß am November 12th, 2020 10:29 pm

    Der US-Journalist Greg Palast hat ein Buch mit dem vielsagenden Titel „How Trump stole 2020“ geschrieben; das gab es für kurze Zeit auch kostenlos zum Download.

    Palast rechnet vor, dass Trumps Republikaner mindestens 7 Millionen Stimmen für die Demokraten mit unterschiedlichsten Mitteln verhindert haben.

    Das wusste natürlich Trump. Trotzdem wurde er abgewählt, das ist schon bei all dem systematischen Beschiss ein kleines Wunder. Genau weil er es wusste, wollte er aber auch den Ausgang der Wahl nicht wahrhaben.

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