Betr.: Klassenbewusstsein und die statistische Realität
Credits: Wikipedia: Harry Fain, coal loader. Inland Steel Company, Kentucky 1946
In einer Studie aus dem Jahr 1998 über Mitgliedschaft in Parteien sagten 38% der Befragten, dass sie Arbeiter seien. 20 Jahre später sagen das nur noch 9%. Der reale Anteil der Industriearbeiter ist aber weitaus weniger gesunken: 2017 betrug er 17-19% der Bevölkerung.
Heute behaupten 68% der Bevölkerung, sie seien Angestellte. Das sind 27% (!) mehr als 1998.
Vor zwei Jahrzehnten sagten 36% alle Befragten, sie gehörten der Unter- oder unteren Mittelschicht an. Heute behauptet das die Hälfte, obwohl die Gesellschaft mehr gespalten ist als damals. Gegen den Trend ordnen sich also mehr Menschen der Mittelschicht zu.
Auf der anderen Seite definieren sich mehr Menschen als „Oberschicht“ – vor allem bei der FDP. Das Klassenbewusstsein der Oberschicht scheint nicht nur intakt – auch deren Selbstbewusstsein scheint derart gestiegen, dass die Oberen ihre Stellung nicht mehr als „Mitte“ verschleiern und damit die Ungleichheit ganz offen zelebrieren.
1998 waren 22% der SPD-Mitglieder Arbeiter, bei der (damalige) PDS waren es 17%. Heute sind noch mehr Arbeiter in der SPD als die „Linke“ insgesamt Mitglieder hat. „Die PDS und auch die „Linke“ waren nie Arbeiterparteien, sondern hatten nur den Anspruch, es zu sein.“
14% der SPD-Mitglieder ordnen sich subjektiv der Unterschicht zu. Nur bei der „Linken“ sagen das mehr Menschen als früher – 2017 rund ein Drittel.
Bei allen Parteien außer der „Linken“ geht der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder drastisch zurück – auf jetzt durchschnittlich auf rund 20% in allen Parteien bei der CDU in den letzten 20 Jahren um ein Drittel, bei der SPD um ein Viertel.
1998 hatten 54% der Beschäftigten einen Hauptschulabschluss, heute nur noch ein Drittel, bei den Mitgliedern der Parteien und ein Fünftel. Die CSU und die SPD sind 2017 die Parteien mit dem höchsten Anteil an Mitgliedern mit Hauptschulabschluss. Am schwächsten repräsentiert sind die einfachen Bildungsabschüsse bei Grünen (4%), FDP (85) und den „Linken“ (13%). Beim Realschulabschluss liegt die Anteil bei den Grünen, der FDP und den Linken am niedrigsten.
(Janis Ehling; (Linke) Parteien und ihr Klassenbezug 1998-2017, in Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 123, September 2020 Seite 94ff., bei den Zitaten (kursiv) habe ich Gendersternchen usw. entfernt und die Binnen-Großschreibung korrigiert.)
Kommentare
9 Kommentare zu “Betr.: Klassenbewusstsein und die statistische Realität”
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Bei den Zensuren heute, wo es Einsen nur so hagelt.
Rudi Dutschke geht ganz klar als Sieger hervor – der Weg durch die Instituionen bis in den Leder-Chefsessel mit Dauerklebstoff, das glorreiche zertifizieren aller, gleich welchen Kenntnisstands hat gefruchtet. Fahrstuhleffekte wuchteten die Gernekosumenten des Wohlstands in die oberen Etagen und die angestellte Arbeiterklasse parkt ihren SUV vor meinem Keller und versperrt dem Delirioten die verschwommene Sicht. Ich sage ja zur konservativen „Drei“: Zisch, Plopp und Hicks. Die Eins im Abi kann ja wohl jede(r) m/w/d.
Ich fühle mich bestätigt
Die Arbeiterklasse verschwindet
Schade das nicht nach den Einkommen gefragt wurde.
Von Vermögen wollen wir ja garnicht sprechen, dass Wort ist ja aus dem allgemeinen, und bei der SPD aus dem speziellen Wortschatz gestrichen worden.
Vermutlich wegen Rassismus.
>>Vor zwei Jahrzehnten sagten 36% alle Befragten, sie gehörten der Unter- oder unteren Mittelschicht an. Heute behauptet das die Hälfte, obwohl die Gesellschaft mehr gespalten ist als damals. Gegen den Trend ordnen sich also mehr Menschen der Mittelschicht zu.<< – grübel…
Wenn sich vor 2 Jz. also im Umkehrschluss 64% höher als Mitte ansiedelten, jetzt nur noch 50%, dann wird doch das weitere Auseinanderdriften dadurch sichtbar.
Oder gab es nennenswerte % "keine Angabe"?
Die Arbeiterklasse verschwindet nicht, sie wird nur von anderen Ländern gestellt
Weil es gerade so schön passt und an diesem Sonntag gesendet wurde.
Tele- Akademie
Daniel Goffart
„Das Ende der Mittelschicht“
https://www.tele-akademie.de/01_startseite.php
Wusstet Ihr das die Bezeichnung „Redneck“ einer Gewerkschaftsbewegung der US- Minenarbeiter (Kohle) entspringt. Sie trugen angeblich rote Halstücher als „Uniform“.
Sachen gibts..
Solange die LinkInnen #LOL# noch bürgerliche Attitüden….
https://www.jungewelt.de/artikel/385863.viele-illusionen.html
Ist empirisch nicht ganz korrekt aber darum geht’s ja nicht. Storytelling.
Bei Unterschicht denken die meisten an das Zerrbild² der „arbeitslosen Harzer“ die im Vorabendprogramm von RTL in den scripted Reality Sendungen vorgeführt wird.
Wer will sich damit schon identifizieren?
Und warum soll der Arbeiter Unterschicht sein? Gerade in den Exportindustrien (Chemie, Maschinenbau, Automobil) finden sich genügend Facharbeiter die gut verdienen.
Das sind übrigens auch die Branchen in denen die gewerkschaftliche Organisation hoch ist.
Auch der selbstständige Handwerker ist Arbeiter, aber nicht Unterschicht.
Schlecht bezahlte Arbeiter finden sich im Dienstleistungssektor der sich neben einer geringen gewerkschaftlichen Organisation auch durch eine große Mengen an verfügbaren Arbeitern auszeichnet.
Typisch das Friseurhandwerk oder bei der Gebäudereinigungsbranche.
² Switch hat das ganze auch gut mit dem „arbeitslosen Arbeitslosen“ parodiert…