Verschwörologie oder: Schatten des Papageis

conspiracy theory

Erst links, dann rechts, aber nie wieder zurück? Und umgekehrt – ist das möglich und glaubwürdig? Ich muss zugeben, dass ich Gestalten wie Horst Mahler oder Jürgen Elsässer nicht wirklich verstehe. Ich sollte aber, da ich nicht nur mehrere Bücher über „Aussteiger“ geschrieben, sondern das Thema, die eigene Ideologie komplett über den Haufen werfen zu müssen, selbst erlebt habe, sogar zwei Mal.

Daher weiß ich, dass man nicht einfach das Gegenteil von dem sagt, was man vorher meinte. Dazu passt mein Hausphilosoph Georg Christoph Lichtenberg, der meine Generalkritik an „Aussteigern“ jedweder Art schon vor rund 250 Jahren exakt formulierte: „Grade das Gegenteil tun ist auch eine Nachahmung, und die Definitionen der Nachahmung müßten von Rechts wegen beides unter sich begreifen.“

Es braucht auch nicht immer eine Art Damaskus-Erlebnis zum Guten oder Bösen. Manchmal ist es einfach, wenn man etwa die „Schwarze Front“ mit den Nationalbolschewisten vergleicht – die Unterschiede sind so „groß“ wie die zwischen der KPD/ML und der KPD/ML-Neue Einheit. Wenn man bedenkt, dass die übergroße Mehrheit der Menschen sich ohnehin den Ideen der jeweiligen peer group opportunistisch anpasst und selbst die merkwürdigsten Wirrungen der Meinungsführer goutiert mitmacht, ahnt man, dass „Weltanschauung“ etwas sehr Labiles sein kann.

Ich habe zwei Thesen – ich nenne die erste das „Papagei-Syndrom„, am besten dargestellt vom – nach eigenen Worten „Gesichtsvermieter“ – Harald Juhnke im Film. Jemand, der etwas gut verkaufen kann, wird von einer rechten Politsekte angeheuert und verschafft denen Publicity, ohne dass der „Verkäufer“ selbst an den Unsinn glaubt, den er predigt. Dann aber gefällt ihm der Beifall des Publikums und er beginnt, wie schon Karl May, sich selbst in der Rolle wohlzufühlen, in sie hineinzuwachsen – ähnlich wie Kagemusha.

Die zweite These bezieht sich auf die hier schon erwähnte kompensatorische Gratifikation: Wer den sozialen Aufstieg plant, durch Ausbildung und das dazu passende internalisierte Verhalten, aber durch die starre Hierarchie einer Gesellschaft daran gehindert wird, also scheitert, wird versuchen, diesen „Aufstieg“ dennoch zu erreichen, indem er sich einer Gruppe anschließt, die vielleicht sozial geächtet ist (ob eine religiöse oder eine politische Sekte macht keinen Unterschied), aber innerhalb der Gruppe oder des Kleinst-Milieus einen „Aufstieg“ ermöglicht oder zumindest verspricht.

Wer eine aus Beton gemeißelte Ideologie vertritt, ist immer versucht, das „Publikum“ zu vergrößern, wenn ihm nach eigener Meinung nicht genug Respekt gezollt wird, dergestalt, dass man den Zuhörern zumindest partiell nach dem Mund redet – und dann immer öfter, bis man endlich bei etwas angelangt ist, was man ursprünglich abgelehnt hätte – aber der Beifall ist einem dann wichtiger – oder das Geld. Wie Franz Josef Strauss gesagt haben soll: „Mit Hilfstruppen darf man nicht zimperlich sein.“

Das Phänomen kennen professionelle Redner (zu denen ich mich, ohne falsche Bescheidenheit, zähle): Man schaut unwillkürlich zu denen, die einen selbst mit Augenkontakt zu bestätigen scheinen, und muss sich zwingen, auch die anderen anzusehen, die vielleicht eher kritisch gesinnt sind und das durch die Körperhaltung demonstrieren.

Aber alles erklärt das nicht. Vielleicht haben solche Leute einfach nur einen Knall und konnten das vorher irgendwie kaschieren.