Queerimperialistische Pizza Hawaii

pizza Hawaii

O je, die Pizza Hawaii wird jetzt auch (von wem, sagen Journalisten normalerweise nicht, gemeint ist die soziale Medienblase), „kontrovers diskutiert“. (Ist das nicht ein Pleonasmus?) Von „linken Aktivisten“? Das bestreite ich. Diese Leute sind nicht „links“, sondern kleinbürgerliche Lifestyle-Reaktionäre oder, wie Engels das ausdrückte, „deklassierte Bürgerliche“, was im übrigens auch exakt das Milieu beschreibt, aus dem – nicht nur in Deutschland – unsere Kapitalismus-affinen Gender und Diversity-Fans fast ausschließlich stammen.

Dazu habe ich aktuell ein paar interessante Texte gefunden. René Pfister im Spiegel (man erlebt noch Zeichen und Wunder! Paywall, aber der Teaser ist korrekt): Die Linke wäre besser beraten, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, statt sich mit der Frage zu verzetteln, wer am meisten Leid durch die Verhältnisse erfährt: Frauen, Latinos, Schwarze oder vielleicht doch Transgender.

queerimperialistisch

Wir wissen alle, dass die Angesprochenen sich jetzt beide Ohren zuhalten, solange, bis sie unter die Fünf-Prozent-Hürde gefallen sind. Zugunsten der „Linken“ muss man sagen, dass die vergessen hat gar nicht mehr weiß, was ihr Kerngeschäft ist. Weniger als ein Fünftel der Mitglieder der „Linken“ sind Arbeiter, aber mehr als die Hälfte Akademiker. Was will man da an Klassenbewusstsein erwarten?

Vojin Saša Vukadinović auf Welt online (Paywall) über den „Kulturkampf“: Verbunden wird diese Vorstellung, die sich selbst für Fortschritt hält, von einer Reihe an auffälliger Formulierungen, die mittlerweile wie Bekenntnisse vorgetragen werden. „Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße“ lautet ein solches Mantra, „Transfrauen sind Frauen“ ein anderes. Die ritualhafte Wiederholung dieser Sätze unterstreicht den ersatzreligiösen Eifer, mit dem rhetorisch operiert wird, und verleiht Erhabenheit. Sie fungiert als digitaler Rosenkranz und als grelle Leuchtreklame, die Gleichgesinnten signalisieren soll, dass vom jeweiligen „Sprechort“, wie es im Jargon heißt, die vermeintlich richtige Einstellung strahlt.(…)

Neben diesen Fallstricken fallen an der heutigen Identitätspolitik vor allem psychologische Aspekte auf: das Verbannen von Unliebsamem; der Wille, zu zerstören; die Tendenz zur Phalanx. Penetranz im Auftritt und kraftmeierische Rhetorik, Apodiktik der Forderungen und Lust an öffentlicher Zurechtweisung weisen Ähnlichkeiten mit autoritären Phänomenen der 70er-Jahre wie den K-Gruppen auf. Während die maoistischen Sekten jedoch auf sich selbst angewiesen waren, weiß die identitätspolitische Agenda heute Teile der Geistes- und Sozialwissenschaften hinter sich. Sie drangsaliert zielgenau diejenigen Kollegen und Kolleginnen, die andere Positionen vertreten.

Als ich das las, kam aus den Tiefen meiner Seele wieder der Maoismus hoch, und ich war versucht, laut zu rufen: „Studenten in die Produktion„! Aber ich habe es mir verkniffen.

Antirassisten glauben, politische Korrektheit rückwirkend durch die Zerstörung alter Denkmäler durchsetzen zu können. Sie erinnern mich an militante Islamisten, die Buddha-Statuen in Afghanistan und sumerische Tempel im Irak in die Luft jagten mit der Begründung, sie seien nicht islamisch!“ (Hamed Abdel-Samad, Leserbrief in der aktuellen „konkret“)

Stefan Laurin schreibt auf Ruhrbarone: Und deswegen „darf“ eine PoC-Autorin wie Hengameh Yaghoobifarah in den Augen intersektional Denkender auch „alles“, wie es hieß. Wer ihr das abspricht – und etwa an der Kolumne herummäkelt –, ist kein guter „ally“, Verbündeter der Diskriminierten, sondern verteidigt seine Privilegien. Und wer ihr das abspricht und selber PoC ist, ist in dieser Lesart ein „token“, also von Weißen manipuliert.
Entscheidend ist die Zugehörigkeit zu einem privilegierten oder zu einem unterdrückten Kollektiv. Aus Letzterem soll Definitionsmacht erwachsen – das Recht also, zu bestimmen, was diskriminierend ist. Rassistisch etwa ist demnach, was von einer (…) PoC so empfunden wird. Für intersektional Denkende ist dies zwingend.

Diese sektiererischen Anglizismen und Kunstwörter sind in diesem Milieu Klassismus in Reinkultur – niemand kapiert das, der nicht dazugehört, und gleichzeitig werden die, die nur Bahnhof verstehen, ausgegrenzt. Das ist der Sinn und Zweck eines Jargons.

botanischer Sexismus

Sogar ein Old-School-Liberaler wie Harald Martenstein wird mit einem Shitstorm überschüttet, wenn er auf die historisch unstrittige Tatsache hinweist: Es gibt keine besseren oder schlechteren Menschen, nach Hautfarbe sortiert. Sklaverei war Teil der Menschheitsgeschichte – und ist keine Frage der Hautfarbe oder einzelner Kulturen.

Waldemar Alexander Pabst auf Fratzenbuch: Hengameh möchte Polizeischutz. Natürlich ist es völlig legitim, darüber erst einmal laut loszulachen. Muss sie durch. All diese Befindlichkeitswesen, die nur austeilen können, sind mir zutiefst zuwider.

Aber Hengameh beweist gegen ihren Willen, was das Beste an unserer Gesellschaft ist. Der von alten weißen Männern erfundene Rechtsstaat, in dem jeder vor dem Gesetz gleich ist und jeder gleichen Schutz verlangen und erwarten kann, egal wer er ist und ob er die, die ihn schützen sollen hasst. Kein subjektives Kriterium ist gestattet, keine Sympathie oder Antipathie, keine richtige oder falsche Überzeugung. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein. Nur das zählt.

Danke Hengameh, dass Du das heraus gearbeitet hast. Natürlich hast Du ein Recht auf Schutz durch die Polizei!

Noch mal der Historiker Vukadinović: Rassismus und andere Formen von Diskriminierung, Demütigung und Hass werden die identitätspolitischen Forderungen der Gegenwart nicht aus der Welt schaffen; Form und Inhalt dürften das Problem vielmehr noch vertiefen.