Turk Stream, revisited

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Ich hatte hier am 20.11.2018 und am 31.03.2016 ausführlich über die ökonomischen Interessen gebloggt, die bei den kriegerischen Konflikten im nahen und mittleren Osten eine Rolle spielen. (Und kommt mir nicht wieder mit der Wasserfrage.)

Es zeigt sich: Der damalige „Streit“ zwischen der russischen und der türkischen Regierung war nur temporär, da es um ökonomische Interessen geht – und hierbei kann es sich Erdogan gar nicht leisten, die Russen endgültig zu verprellen. Heute wurde Turk Stream von beiden Präsidenten offiziell eröffnet.

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Jens Berger 2010: „Die Türkei will künftig zum größten Energiehub der Welt werden. Dies geht natürlich nur, wenn man mit Iran und vor allem mit Russland kooperiert.“

By the way: Staaten, Nationen (Deutschland hat derer fünf) oder gar Völker, was auch immer das sein soll, haben keine Interessen. Nur Klassen haben Interessen. Und die können sich widersprechen oder sind temporärer Natur. Just saying.

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Warmi Wañusqa oder: Die Frau, die starb

Warmi Wañusqa
Warmi Wañusqa, 4200 Höhenmeter, „…a mountain pass in the Cusco Region in Peru. It is located in the Urubamba Province, Machupicchu District.“

Aus meinem Reisetagebuch, Juli 1984, auf dem Camino de los Incas, Peru, auch bekannt als Inca-Trail:

… Es geht unablässig steil aufwärts, mit kurzen, nur meterlangen Passagen zum Ausruhen. Der Berg hinter uns gilt als Maßstab; wir steigen wirklich sehr schnell. Bald sind die drei weißen Steine [Wayllabamba] des ersten Zeltplatzes zu sehen, aber B. kann das letzte Stück einfach nicht mehr. Ich gefalle mir darin, ein wenig mit zwei Rucksäcken zu laufen. Wir erreichen mit letzter Kraft den Platz. Uns folgt der verrückte Kalifornier, der vor vier Wochen einige Sechstausender bestiegen hat und der zudem Marathonläufer ist.

Wir descansaren und sehen nach und nach noch einige total fertige Gringos eintrudeln; andere – nur wenige – steigen scheinbar ohne Ermüdungserscheinungen weiter.

Bald klettern wir weiter und hängen trotz des erzwungenen Beinahe-Gänsemarsches einige noch ab – sie hätten sich vielleicht ausruhen sollen. Jetzt geht es durch einen Märchenwald steil, sehr steil aufwärts, knapp zwei Stunden, und dann taucht kurz vor Erreichen der Baumgrenze ein wunderschöner kleiner Platz auf, eine Wiese mit Büschen und Bäumen. Wir zelten oberhalb, wo schon zwei andere Zelte stehen, weil es näher zum Wasser ist. Letzteres ist eher flüssiges Eis statt Wasser.

Wir müssen uns mit allen warmen Sachen anziehen, kochen unser Essen und genießen den prächtigen Blick auf der Berge ringsum, deren Hänge und Schneefelder sich in der Dämmerung langsam rosa färben. Gleichzeitig wird es kalt und kälter. Unter großen Mühen entfachen wir noch ein Feuer, das alle zitternden Umstehenden für eine kurze Zeit wärmt, dann zieht es alle ins Zelt.

Am nächsten Morgen stehe ich als erster draußen; das Zelt ist mit einer Eisschicht überzogen, B.s T-Shirt liegt gefroren auf einem Busch und die Wiese ist total glitschig. Der Ofen macht Schwierigkeiten, wir sind über 4000 Meter hoch, aber irgendwann bequemt er sich, und der warme Kaffee weckt allmählich die Lebengeister, selbst die kalten Zehen erwärmen sich. So beginnt der dritte Tag….

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Causa: Soleimani [Update]

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Credits: Michael Moore

Dass ausgerechnet pazifistische Linke es betrauern, wenn religiöse Faschisten wie #Soleimani ausgeschaltet werden, zeigt mal wieder, dass der Pazifismus objektiv profaschistischen Charakter hat. (Nico Hoppe)

Natürlich werden wir nie genau erfahren, warum der iranische Terroristen-Anführer Soleimani just zu dem Zeitpunkt (und nicht schon viel früher) getötet wurde. Angeblich (via Fefe) war er im Irak, um eine diplomatische Note zu übergeben. Angeblich.

Es passt für Trump, wie schon für Clinton (siehe oben) – niemand redet jetzt mehr darüber, dass die US-amerikanischen Demokraten den amtierenden Präsidenten des Amtes entheben wollen. Die Jerusalem Post folgert ganz richtig und nachvollziehbar, dass auch Netanjahu vermutlich die nächste Wahl gewinnen wird, da sein größter Widersacher nicht anders gehandelt hätte.

Es hat schon seinen Grund, warum ich zum Thema deutsche Medien nicht mehr zur Kenntnis nehme. Was für einen gequirlten Unsinn man da lesen muss!

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Arye Sharuz Shalicar schreibt auf Facebook: An das ntv Nachrichten Team: Eure Schlagzeile ist mega-unprofessionel. ‬Suleimani ’nur‘ als General zu bezeichnen wäre ungefähr so, als würdet ihr Himmler als Polizisten bezeichnen.‬ Diese Art der verzerrten Berichterstattung ist eine Frechheit.‬ Ein anderer Nutzer kommentierte: …und die al-Quds-Brigaden werden medienweit (z.B. „Welt“) in Deutschland zur militärischen „Eliteeinheit“ aufgewertet. Obwohl schon der Name, das arabische „Jerusalem“, eindeutig zeigt, wohin die Reise geht.

Ob ein Terrorist und Schlächter „getötet“ oder „ermordet“ wird, ist eben eine Frage des Standpunkts – wie auch schon bei der deutschen RAF. Besonders dämlich formuliert Telepolis: „USA ermorden mit gezielter Tötung General Soleimani“. Mit einer Ermordung töten? Oder umgekehrt?

Ich muss leider der Bild zustimmen: „Trump hat die Welt von einem Monster befreit“: Der iranische Terror-Pate Ghassem Soleimani stand für eine Welt, die kein friedliebender Mensch wollen kann: Eine Welt, in der man jederzeit von einer Bombe zerfetzt werden kann, weil man zur falschen Zeit am falschen Ort ist.

Eine Welt, in der ganze Städte ausgelöscht werden wie Aleppo, in der blutrünstige Milizen von Tür zu Tür gehen und Zivilisten exekutieren. In der Kindergärten in Deutschland jederzeit in einem Feuerball verglühen können, bloß weil die Kinder darin jüdisch sind. In der Israel jeden Tag von der Auslöschung bedroht ist.

Die Linke faselt nur dummes Zeug. Was wäre gewesen, wenn die Alliierten ab 1939 Drohnen und Raketen besessen hätten und Hitler erledigt hätten? Wäre das auch „völkerrechtswidrig“ gewesen? By the way: welche Völker? Wahre Linke haben kein Vaterland, sagte mal irgendjemand sinngemäß.

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Für den Anfang empfehle ich eine kühle Analyse der New York Times: „Trump Kills Iran’s Most Overrated Warrior. Suleimani pushed his country to build an empire, but drove it into the ground instead.“

Wie schon so oft macht Trump außenpolitisch instinktiv vieles richtig: Er kann sich jetzt nach dem großen Palaver im irakischen „Parlament“ zurückziehen und vorher noch die Rechnung bezahlen lassen.

Der Iran ist keine militärische Gefahr für die USA, wie schon auch der Irak. Das hat der erste Golfkrieg gezeigt. Die religiös-faschistische Mullah-Bande, die dort das Sagen hat, muss sich weiter auf asymmetrische Kriegsführung aka Terrorismus beschränken.

Übrigens habe ich in den letzten Tagen viele Kommentare zum Thema gehört von denen, die in den Medien nur selten vorkommen, Polizisten, Arbeiter, Putzfrauen und -männer, Menschen, die sich abrackern und nur wenig verdienen: Fast ausnahmslos, wenn es sie überhaupt interessierte, fanden die Trumps Aktion gut und richtig. Ich weiß nicht, mit wem die Funktionäre der „Linken“ reden, aber mit den so genannten „kleinen Leuten“ bestimmt nicht. Die „Linken“ sind in ihrer eigenen Echo-Kammer gefangen – gemeinsam in den Untergang und unter die Fünfprozent-Hürde.

Ceterum censeo: Der Tod Soleimans ist aus vorwiegend innenpolitischen Gründen (der USA) erfolgt. Jemand wird ihn ersetzen. Punktuelle Angriffe von außen unterstützen immer das jeweilige Regime und führen mitnichten zu einem Regime Change.

[Update] – Washington Post: „Don’t believe Iranian propaganda about the mourning for Soleimani“.
Ali Safavi (Twitter): „OMG! Massive crowd at funeral of TERMINATED TERRORIST-IN-CHIEF, Soleimani. LOL! Tehran has a pop. of 12m. Regime offered free ride, breakfast, lunch & promised students „good“ grades to entice ppl. to attend. Attached notice from #Iran’s Industries Univ.“

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Tabatinga am Solimões, revisited

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Tabatinga (Brasilien) im Dreiländereck Kolumbien-Brasilien-Peru. In Tabatinga war ich 1982 mehrere Tage. Ich war von Bogota nach Leticia (Kolumbien) geflogen und von dort aus per Fähre nach Tabatinga. Ich habe hier schon mehrfach darüber geschrieben:
Tabatinga am Solimões (11.08.2014), Am Solimões (18.01.2011), Die Mutter aller Flüsse (02.02.2004) und Am Amazonas (14.12.2004).

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Fremd

Trajanssäule
Relief (Detail) der Trajanssäule – Objektdatenbank und kulturelle Archive des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln und des Deutschen Archäologischen Instituts

Was ist „fremd“?

Die erste und wohl unmittelbarste Reaktion auf Neues und als fremd Erkanntes stellt eine Form von Beunruhigung dar, die auf der individualpsychologischen Ebene meist als Angst beschrieben werden kann. Auf kultureller Ebene erwächst Beunruhigung aus dem Bewußtsein, dass dasFremde die Normalität und damit die Identität besonders der eigenen Gruppe in Frage stellt und somit die Stabilität der gesamten Gesellschaft gefährdet. Auf der anderen Seite kann gerade das radikal Andere, das absolut Fremde, eine nicht geringe Attraktion besitzen. Faszination und Schrecken liegen in Situationen der Fremdheitserfahrung eng beieinander, allerdings nur solange, wie radikale Verschiedenheit keine Bedrohung für die eigenen gesellschaftlichen Werte und das soziale Gefüge darstellt. Meist wird nämlich das Fremde durch seine Unbekanntheit von vornherein als unbegreiflich wahrgenommen, was ihm eine Aura des Unheimlichen verleiht. Das Fremde vermag ebenso abzuschrecken wie auch zu verlocken, und zwar besonders in dem Sinne, dass man sich dieses Fremde einverleiben möchte. Die durch das Fremde in Frage gestellte eigeneOrdnung soll so vor dem sonst möglicherweise zersetzenden Einfluß eben dieses Fremden geschützt werden. (…)

Im Grunde ist also die Benennung von etwas Anderem als fremd nur dann möglich, wenn es eine (wenn auch nur geglaubte) Identität gibt, von der sich dieses Fremde unterscheidet. Fremdheit kann sich damit nur über Identität konstitutieren und geht aus einer gleichzeitigen Ein- und Ausgrenzung hervor. Tatsächlich handelt es sich bei der Distinktion um ein Grundmuster der individuellen wie auch der kollektiven Identitätsbildung.

Aus Christian Heitz: Die Guten, die Bösen und die Hässlichen – Nördliche ‚Barbaren‘ in der römischen Bildkunst. Hamburg 2009 (Online auf Academia.edu)

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Baumgart am Styr, reloaded

Ich habe eine Ortsangabe in der heutigen Ukraine bei Baumgart am Styr (02.01.2019) korrigieren müssen.

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Bundestrojanische Gäule

bundestrojaner

Mit großem Interesse habe ich den Heise-Bericht über den „Spionage-Trojaner FinFisher“ gelesen. (Das heisst nicht „Trojaner“, sondern „Trojanisches Pferd“ – die Trojaner waren in Troja, und die Griechen saßen im Pferd.)

Schade, dass die Analyse des CCC „Evolution einer privatwirtschaftlichen
Schadsoftware für staatliche Akteure“ noch nicht erschienen war, als ich mein Buch veröffentlichte – es hätte Die Online-Durchsuchung gut ergänzt. Jetzt können wir „Butter bei die Fische“ tun. Kann die Frage: Wie fange ich mir so etwas ein? beantwortet werden?

Metzpolitik.org hatte schon vor vier Jahren geschrieben: „Die Begrenzung auf Windows 7 und Vista erscheint veraltet. Bereits vor zwei Jahren haben wir berichtet, dass FinSpy Mobile auch für alle mobilen Systeme (also iOS, Android, BlackBerry, Windows Mobile und Symbian) existiert. Und letztes Jahr haben interne Folien bestätigt, dass FinSpy alle großen Betriebssysteme (Windows, Linux und Mac OS X) infizieren kann.“

Der wichtigste Satz: „Über den Infektionsweg sagt das Team um Morgan Marquis-Boire wenig. Nur: Falls die Trojaner die mobilen Betriebssysteme nicht direkt angreifen, benötigen alle untersuchten Exemplare eine Interaktion des Nutzers, wie dem Klicken auf einen Mail-Anhang oder eine Webseite.“

Genau das – und nur das! – habe ich immer behauptet, während fast alle Medienberichte entweder das Problem, wie die Spionage-Software zu installieren sei, vornehm ignorierten oder zu Magie – der Hacker hackt und ist irgendwann drin – greifen mussten.

Aber wie soll das funktionieren, wenn das Zielobjekt nicht total bekloppt ist? Klicken auf einen Mail-Anhang? Oha! Oder gar auf einer Website? Mit oder ohne Javascript erlaubt? Selbst wenn ein unerfahrener Windows-Nutzer Virustotal nicht kennt: Leben wir denn noch in Zeiten des Loveletter-Virus, als Outlook (wer nutzt das??) Anhänge nicht korrekt anzeigte?

Netzpolitik.org wies noch auf drei weitere Schwachstellen hin: Windows 7 SP1 – Acrobat Reader PDF Exploit, Windows 7 SP1 – Browsers Exploit, Windows 7 SP1 – Microsoft Office 2010 DOC-XLS Exploits. Schon klar. Das erinnert mich an 2003: „UK government gets bitten by Microsoft Word“.

Trojaner

Hilfe, jemand wollte einen Bundestrojaner bei mir installieren! (25.06.2011) Nur gut, dass ich immer wachsam bin und die zunehmende Radikalisierung und Extremismusierung der E-Mail-Attachments bekämpfe!

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Ein frohes neues Jahr aus dem Urwald!

chive

Ein Nachtrag zu meinen Postings vom 01.05.2019 „Tag der Arbeit“ und vom 04.04.2011 „Der Kautschuksammler, revisited“: Die Ehefrau des Kautschuksammlers, ihr Kind und ich (fotografiert 1984).

Es ist nicht mehr herauszufinden, wo das genau war – wir sind von Chive ein paar Stunden über einen kleinen Trampelpfad noch Nordwesten gegangen. Auf der Karte ist ein Flusslauf zu erkennen, eine Siedlung gab es damals nicht, nur zwei Hütten. Die werden natürlich nicht mehr da sein, aber der Mann hatte den Urwald ein wenig gerodet. (Es könnte hier gewesen sein.)

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Babylonische Penunzen

Vielen Dank an den edlen Spender E.G. für die Penunzen!

Geld

Ich habe gestern mit einem Kollegen aus Bulgarien, der auch Russisch, Deutsch, Polnisch und Türkisch spricht, über das Wort Penunzen geredet, das ich aus dem Ruhrgebiet kenne. Es schien ihm irgendwie vertraut. Warum, fand ich in einem Buch über Polen:
Umgekehrt haben nur ganz wenige polnische Wörter den Weg ins Deutsche gefunden, sozusagen als Gepäck der Wanderarbeitei; die vor einem Jahrhundert vor allem ins Ruhrgebiet kamen. Die bekanntesten sind das umgangssprachlichc «Penunzen» für Geld (pieniądze“) und das im Ruhrgebiet geläufige «pitschen» (trinken «» pić‘).

Man muss sich das live vorstellen: In der Silvesternacht diskutieren zwei Sicherheitsmitarbeiter über linguistische Fragen, während ringsum der Wahnsinn fette Beute macht und ein komatöser Getränkeunfall nach dem anderen per Feuerwehr angeliefert wird. Und dazu gesellt sich ein Putzfachmann des Krankenhauses aus Ghana, der schmutzige Tragen säuberte und etwas beizutragen hatte: Ashanti aka Twi, seine Muttersprache, sei mit Fante aka Mfantse aka Fante-Twi fast identisch, sagte er, aber Fante werde ganz anders ausgesprochen, so dass man es kaum verstehen könne.

Wir unterhielten uns übrigens auf Deutsch und haben uns köstlich amüsiert, trotz des silverstertypischen Tohuwabohus in einer Notaufnahme. „Geh, wos wuist denn mit dera oidn Hiawan?“ hätten wir alle drei nicht verstanden.

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