Run through the Jungle

jungle

Dschungel im Landesinneren von Grenada (Kleine Antillen), fotografiert während der leider fast vergessenen Revolution 1982.




Von deinem getreuen

anna seghers schilfrohr

Nein, der Charakter eines Schriftstellers zählt nicht, nur seine Werke. Wenn sie gut sind, erzählen Bücher mehr als der Autor geplant hat: „Zeitlos“ heisst, dass man sie auch dann noch mit Gewinn lesen kann, wenn der Verfasser schon längst tot ist oder wenn er die Gesellschaft, in der seine Bücher verkauft werden, nicht hat vorhersehen können.

So beurteile ich auch Anna Seghers – eine großartige Schriftstellerin, deren Bücher man kennen sollte. Das waren andere Zeiten, mit denen man sich befassen muss, um manche merkwürdigen Verirrungen in linken Biografien erahnen zu können. (Wer alles in einem Buch haben und auch noch gut unterhalten werden will, lese Stefan Heyms Nachruf.)

Ihre Bücher bekommt man sehr preiswert, vermutlich, weil sie nicht mehr im offiziellen Bildungskanon auftauchen darf. Ich habe mich jetzt mit den Werken, die ich von ihr noch nicht hatte, eingedeckt.

Bei der Kurzgeschichte Das Schilfrohr (Erzählungen 1957-1965) stutzte ich: Irgendjemand, ich glaube, es war Stefan Heym, hatte kritisiert, dass der Plot technisch nicht möglich sei – man könne, wenn man unter Wasser sei, durch ein Schilfrohr nicht atmen, weil das Rohr eben Knoten besäße. Die Stelle lautet bei Seghers:
…hatte sie jemand gerettet, sie wußte nicht mehr vor wem und warum, indem er unter das Wasser getaucht war und durch ein Schilfrohr geatmet hatte, solange sie nach ihm suchten. Kurt Steiner sagte, das sei erfundenes Zeug, das sei in Wirklichkeit nicht möglich. (…) Und sie zwang ihn, ins Wasser zu kriechen, und sie schnitt ein geeignetes Schilfrohr ab.

Die Frage, ob es möglich sei, stellten sich schon andere, ohne die Geschichte zu kennen. Fazit: „Bei Karl May oder James Bond geht das ganz gut – ein Schilfrohr abschneiden, abtauchen und atmen. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch realistisch, schließlich nutzen auch Gerätetaucher in bestimmten Fällen Schnorchel. Das klappt aber nur bis zu einer geringen Tiefe.“

Deswegen ist das Wort geeignet genau richtig.

widmung

In einem der gebrauchten Bücher der Anna Seghers fand ich die obige Widmung. Es wäre spannend zu erfahren, wer sich dahinter verbarg und wie es diesem Menschen ergangen ist. 1923 geboren – zwei Jahre älter als meine Mutter, die noch als Kind die Weimarer Republik erlebt hat und sich an Ereignisse, zumal sie durch – leider sehr wenige – Fotos gestützt werden, erinnern kann. Und wer mag der „Getreue“ aus Zwickau gewesen sein, der Bücher von Seghers verschenkte?




Northern Lights aka Aurora Borealis

aurora borealis

A viral item gives a genuine glimpse of the aurora borealis (or aurora australis) from far above the planet.

Man könnte staunen und es dabei belassen. Guckst du aber hier: „Are These the Northern Lights Seen From Space? A purported photograph of an aurora is actually a screenshot from a computer animation.“

Wer es dennoch von oben und dreidimensional mag: Earth’s Magnetic Field to Aurora und ORBIT – A Journey Around Earth in Real Time.




Unterkunft, Verpflegung, 13 Dollar und 75 Cent

mondlandung

Damit ist die Mondlandung eindeutig bewiesen.




Faktencheck aka fake news

fake news

Fake News, revisited. Was stimmt nicht? Gab es keine Selbstinszenierung oder hat Giffey den Vorwurf nicht erhoben? O tempora, o mores, o Logik!




China und anderes

laugh

Vor zehn Jahren schrieb ich hier: „Mir fällt gerade nichts ein. Beim Lesen der aktuellen Tagesnachrichten fühle ich mich oft wie die virtuelle Dame hier in Second-Life-Gor.“

Was sonst noch geschah:
Spiegel online preist die Vorzüge des Kommunismus Staatskapitalismus – die chinesischen Eisenbahnen sind besser und umweltfreundlicher als hierzulande: “ In nur viereinhalb Stunden wird der Zug 1318 Kilometer zurücklegen, eine Distanz wie von der Ostsee zum Mittelmeer. Während der Fahrt reißt das WLAN kein einziges Mal ab. Bahnfahren ist in China eine echte Alternative zum Fliegen, besonders in den dicht besiedelten Regionen im Osten des Landes, wo heute praktisch jede Stadt per Zug erreichbar ist.“

Ein weiterer Grund, den BER erst gar nicht zu eröffnen und kleine innerdeutsche Flughäfen zu schließen. Dazu fehlt aber der politische Wille.

South China Morning Post über Hongkong: „The city will never be like Macau, and that’s why it will reach the end of the line come 2047 and will not be anything like the one we have loved and treasured. (…) Now that so many Hong Kong people have shown their readiness to work with American and British politicians against their own governments, the city has crossed a red line to which there is no return.“

Vermutlich werde ich noch erleben, dass Hongkong ganz in die Volksrepubik China eingeliedert wird. Das ist auch gut so: „Die Unternehmenssteuern sind mit 16,5 Prozent die niedrigsten in der westlichen Welt. Die Währung Hongkong-Dollar ist an den US-Dollar gebunden, die Zentralbank ist praktisch eine Filiale der Federal Reserve. Mit 215 Mrd. US-Dollar an US-Staatsschulden gehören Hongkonger Spekulanten nach Japan und China zu den größten Finanziers der westlichen Supermacht.“

Ach so ist das? Schon mal etwas in den Mainstream-Medien über den Konzern Jardine Matheson Holdings gehört? It’s the economy, stupid! „Der größte Konzern ist bis heute, ununterbrochen seit 187 Jahren, Jardine Matheson. Kontrolliert wird er von der Keswick-Familie, direkte Nachfahren des Gründers William Jardine. Mit den Gewinnen aus dem Opium-Schmuggel wurde ein weitverzweigter Mischkonzern aufgebaut…“ Enteignen, sage ich, und in chinesisches Staatseigentum überführen!

Noch was zu China. Telepolis über „Instrumentalisierung der Menschenrechte“ beim Thema Uiguren. Ich bin immer misstrauisch, vor allem dann, wenn die Zahlen zwischen einer Million und „Zehntausende“ schwanken, und informierte mich eher zum Beispiel bei der BBC oder bei der New York Times. (Ich habe in einigen deutschen Zeitungen online einen Link zum Leak der New York Times gesucht, aber nicht gefunden. Ich welchem Jahrhundert leben die eigentlich? Linkfreie Artikel sind unverschämt und verprellen die Leser. Oder sind die einfach nur zu doof für das Internet?)

Beim Thema Uiguren sympathisiere ich eher mit der Politik der chinesischen Regierung. Religion (Islam) und Terrorismus? Die Chinesen sind nicht besser oder schlechter als die USA, nur effektiver. Alles andere ist Heuchelei.

Storkower Strasse
Foto: Storkower Strasse, Berlin, 03.12.2009

– Auch bei der Rettung der boat people auf dem Mittelmeer sollte man auf die Ökonomie sehen: „Die nicht beabsichtigten Folgen der Seenotrettung von Migranten“ titelt die Neue Zürcher Zeitung: „Die Vermutung steht schon lange im Raum, dass die Seenotrettung im Mittelmeer von Schleppern genutzt wird, um ihren Profit zu maximieren. Drei Ökonomen haben die These jetzt überprüft.“

„Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Seenotrettung insgesamt kaum einen Sicherheitsgewinn bringe, da sie Überfahrten verbillige und so die Nachfrage erhöhe. Zudem schöpfen die Schlepper einen Teil des Nutzens ab, den die Rettung stiftet: Sie setzen die Migranten statt in seetüchtige teure Holzboote in billige chinesische Schlauchboote mit schwachen Aussenbordmotoren.“

Möchte das jemand hören? Natürlich nicht.

New York Times: „He Was One of Mexico’s Deadliest Assassins. Then He Turned on His Cartel.“ Wie Killer geschult werde. Kriegt mal Albträume von.

Im Bonsaiformat hat die Berliner Morgenpost etwas: „2018 hat in Neukölln eine Clan-Familie ohne Genehmigung auf ihrem Grundstück ein Haus gebaut. Davon wusste der Baustadtrat.“ Verantwortlich ist (Paywall) der grüne (natürlich!) Baustadtrat Jochen Biedermann [sic].

„‚Dem Bezirksamt ist auf dem besagten Grundstück ein Flachbau bekannt, für den kein Antrag und insofern auch keine Genehmigung vorliegt‘, erklärte Biedermann. Auf Nachfrage sagte ein Rathaus-Sprecher, dass man bereits seit dem vergangenem Jahr von dem Bau wisse. Biedermann habe zwar daraufhin eine Überprüfung angeordnet. Allerdings ist seitdem nichts weiter passiert.“

Warum auch.

Telepolis hat ein Fetaure über die hiesige Brexit-Berichterstattung: „Das Wahlergebnis zeigte, dass die Berichte über den großen Brexit-Frust in Großbritannien Chimären waren“. Nein! Doch! Oh!




Hachis!

Küche

Ich habe jetzt sechs 12-Stunden-Schichten in sieben Tagen, mit nur einem Tag Pause dazwischen, und muss mich mental vorbereiten. Ich koche Erbsensuppe für drei Tage vor, aber heute gibt es Hachis parmentier!




БОГА НЕ СУЩЕСТВУЕТ, reloaded

es gibt keinen Gott

Falls Verehrer höherer Wesen (was diese verhüten mögen) mich besuchen sollten, hat mein neues Kissen die richtige Botschaft für deren Allerwertesten.




Die spinnen, die Übersprungshandler [Update]

brexit
Brexit (Symbolbild)

Meine prophetischen Fähigkeiten Ich kann nicht so gut prophezeien, wie ich dachte. Die Niederlage Corbyns habe ich vorhergesehen, aber nicht, dass es ein Durchmarsch zur absoluten Mehrheit sein würde. Das englische Wahlsystem ist aber so kompliziert, dass Details viel wirken.

Zum Thema las ich die New York Times: “ How Conservatives Won in a Landslide“ und den Guardian: „Five reasons why Labour lost the election – Corbyn’s unpopularity, a muddled manifesto and its Brexit stance cost the party dear“.

Interessant ist, welche Konsequenz das für uns hat und ob man vergleichen kann. Seit dem Deutschen Zollverein von 1833 wissen wir der Ökonomie kundige Leser, dass der Kapitalismus letztlich die nationale Kleinstaaterei abschafft. (Es wäre eine ausführlich Diskussion wert, inwiefern neue Nationalstaaten wie „Kurdistan“, Katalanien und jetzt „England“ den Gesetzen des Kapitalismus zuwiderlaufen und ob das nicht ein Nebenwiderspruch sei.)

Die Mehrheit der Briten hat sich also irrational entschieden (wie die meisten Wähler allüberall). Mich erstaunt aber um so mehr, dass die herrschende Klasse Großbritanniens gegen ihre eigenen Interessen handelt – die hat ihr Klasseninstinkt noch nie verlassen. Aber stimmt das? Wer wen? würde Lenin fragen. It’s the economy, stupid!. Und die Deutschen gewinnen.

Man kann Johnson durchaus mit Trump vergleichen: Bei haben sich „gegen“ das „Establishment“ kostümiert; bei Johnson kam noch dazu, dass die Krise des Kapitalismus mit den bekannten Nebenwirkungen für die kleinen Leute wie in einer Übersprunghandlung der EU zugeschoben wurde – so ähnlich wie ein Teil der AfD-Wähler im Beitrittsgebiet, die – zu Recht! muss man natürlich als Linker sagen – etwas „gegen das System“ haben, aber nicht den wahren Gegner – das Großkapital – bekennen wollen oder können, sondern stattdessen sich dem ökonomisch nicht wirklich relevanten Thema „Einwanderung“ widmen.

In Großbritannien setzt sich der europaweite Trend fort, dass die klassischen Wähler der Arbeiterklasse sich von der Linken abwenden und Rechtspopulisten wählen. Genderklos und-sprache, „Klimadings“ und „Nachhaltiges“ interessiert die Leute nicht. Das wird die hiesige Gefühlslinke noch bitter aufstoßen.

Das wird alles auch auf uns auch zukommen, obwohl ich glaube, dass das hiesige Parteisystem alle diejenigen, die Charisma haben und unabhängig denken, schon aussondert, bevor sie nach „oben“ kommen. Jemanden wie Johnson und Trump würde der jeweilige Ortsverein schon zu Beginn in den Orkus schicken.

brexit
Brexit (Symbolbild)

[Update] Der Guardian stellt das Programm der Konservativen vor. Das zum Thema „links kostümieren“.

Die New York Times schreibt über „The Labour Party’s devastating defeat in an ex-stronghold has grave consequences for a party: Its two wings — older and working class and urban and educated — appear to have irreconcilable differences“. Genau wie hier, und auch die hiesige Linke hat den Schuss nicht gehört.




Karibische Agitprop oder: Revo stay up

grenada agitprop

Gesehen und fotografiert auf Grenada (Kleine Antillen) während der leider fast vergessenen Revolution 1982. Auf dem großen Schild steht: EVERY WORKER A LEARNER, rechts unten Revo stay up, das kleine Schild wirbt für Bier aus Trinidad.




Alles künstlich

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Kommt trotzdem keine Stimmung auf….




Terminator: Dark Fate

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Gestern habe ich mir Terminator: Dark Fate angesehen. Mist – lohnt sich nicht. Außer Arnold Schwarzenegger und Linda Hamilton kann man auch die Schauspieler vergessen. Natalya Reyes („Dani Romos“) passt überhaupt nicht für die Rolle, die ihr zugedacht ist, und Mackenzie Davis als die Beschützerin der Heldin ist wohl nur ein Tribut an die geforderte political correctness: Jetzt sollen auch Lesben und Androgyne eine Identifikationsfigur haben. Fraser James macht den „Quotenneger“ – als hätte man kurz vor Schluss noch gemerkt, dass immer ein Farbiger mitspielen muss und ihn dann ohne Grund Hals über Kopf irgendwo eingebaut.

Und dann erst die deutschen Stimmen! Der pseudospanische Akzent der Latinos klingt grässlich. Ich bin Synchronisation fremdsprachiger Filme gar nicht mehr gewöhnt, weil ich alles im Original mit Untertiteln anschaue.

EJ Moreno: „The only positive of this film is it confirmed for me that I don’t think there will ever be a good Terminator film after 1991. A complete miss.“

Full ack.




VietBowl

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Gestern war ich mit einer guten Freundin im neu eröffneten VietBowl hier im böhmischen Viertel von Rixdorf aka Neukölln. Empfehlenswert! Trotz des gendrifizierten und sehr geschmackvollen Interieurs sind auch die Preise akzeptabel.

Das Essen schmeckte hervorragend. Ich hatte die Suppe Pho Ha Noi (Classic Hanoi Style) und als Hauptgericht Pho soja (Lang thuong style) mit Tofu. Auch die Bedienung war freundlich und des Deutschen mächtig, was bei asiatischen Lokalen nicht selbstverständlich ist, aber sinnvoll, wenn man kleine Modifikationen der Mahlzeiten wünscht.

Ich hatte ursprünglich eine Wantan-Suppe bestellt, man machte mich aber darauf aufmerksam, dass das ein Hauptgericht sei. Das nächste Mal weiß ich schon, was ich probieren werde – und natürlich auch die Nachspeise.




Rumpelstilzchen und merkwürdige Verbrechen

„Deshalb ist es auch ziemlich egal, ob man Herrn Höcke „Faschist“ nennen darf, was jetzt manche Antifaschisten gerne tun, vor allem im Fernsehen, in der kindlichen Hoffnung, dann würden „die Menschen“ sagen: Ja wenn das so ist!, und wieder SPD wählen oder wenigstens AKK. Dabei übersehen sie, dass Herr Höcke nicht gewählt wird, obwohl er Faschist ist, sondern weil er es ist. Und dass Herr Höcke sich nicht wie Rumpelstilzchen in der Luft zerreißt, wenn man seinen geheimen Namen herausgefunden hat. Die heutige Jugend jeden Alters glaubt leider an Zauberwörter und denkt, „Faschismus“ sei, wenn man Juden hasst, albern spricht und Antifaschisten zusammenschlägt. Das täuscht.“ (Thomas Fischer, 05.12.2019)

„In Augsburg ist ein Mann durch Gewalteinwirkung getötet worden; ein zweiter Mann wurde verletzt. Wenn man den seither anhaltenden Verlautbarungen und Berichten folgt, ist die Tat, vorab und auf jeden Fall, als entsetzlich, grauenhaft, fürchterlich, schockierend, zutiefst verstörend, unfassbar usw. zu bezeichnen. Alles andere wäre fast schon wieder selbst ahndungswürdig, da es „verharmlost“, die Opfer missachtet, die Realität verkennt, Verbrechen entschuldigt, usw. Man kann sich also vermutlich, sofern man nicht alsbald, ungefragt und bedingungslos in das lautest mögliche Wehgeschrei einstimmt, nur unbeliebt machen, mindestens aber verdächtig der Förderung von Gewalt, Verrohung und Menschenverachtung.“ (Thomas Fischer, 11.12.2019)




Insel der Sterne

Iglesia de San Antonio Abad

Die Iglesia de San Antonio Abad auf der peruanischen Insel Amantani, fotografiert im April 1984 (Ich habe nur zwei Fotos dieser Kirche gefunden). Damals gab es weder gepflasterte Straßen auf der Insel noch irgendeine Herberge. Wir waren bei Bauern privat untergebracht. Aus meinem Reisetagebuch:

Der Aufenthalt in Amantaní ist das interessante Gegenstück zu Cabanaconde. Der vierstündige Bootstrip [von Punu aus] zeigt Plätze, an denen die Schilfboote gebaut werden. In Amantaní werden wir von der Familie schüchtern empfangen und bekommen ein sauberes und hübsches Zimmer mit zwei Betten inklusive einer Matratze aus Schilf und einem Steintisch. (…)

Zu allen Mahlzeiten gibt es den obligatorischen Mate de Muña, ein Kraut, das den Magen beruhigen soll, bei mir aber nach drei Tagen das Gegenteil bewirkt. Zum Frühstück Brot und Ei. Mittagessen und cena: Suppe (sieht gut aus und schmeckt gut), secundo: Ei mit papas fritas und Reis, am Sonntag Fisch (Pejerrey).

Vermutlich hat mein Magen das Fett der papas fritas nicht vertragen, denn ich kriege Durchfall. Das baño ist ein ordentlich mit Steinen eingefasstes Loch hinter dem Haus, das bald von unserem Klopapier vollgestopft ist. Nachts ist das ärgerlich, aber der señor [Hausherr] stellt mir schließlich einen ehemalige Topf als Pinkelpott ins Zimmer.

Amantani

Die Frauen sprechen nur Quechua und tragen als Inseltracht einen schwarzen Schleier, den sie, wenn sie die Insel verlassen, gegen den obligatorischen Hut eintauschen. Wir sehen die Mädchen weben, die beiden Jungen bauen kleine Boote aus Schilf, wie ich es nicht hätte tun können. Die ultima (das jüngste Kind der Familie, das keinen Namen hat) trägt einen riesigen Hut mit breiter Krempe wie alle ultimas.

Auf dem Pachatata ist eine kleine Ruinenstadt mit einem viereckigen ummauerten Platz, wo sich am 22. Januar alle Leute der Insel treffen, um zu feiern. Der señor, der uns führt, erzählt, noch sein Vater habe die Häuser der heutigen Ruinen intakt gesehen, aber da das Land knapp ist, brauchten die Leute die Steine. Er sagt, auf Taquile [was damals bei Touristen „angesagt“ war] gebe es nichts Interessantes, und die Leute zögen ihre Trachten nur an, damit Touristen kämen.

Die ganze Insel ist wie ein großer Garten: viele kleine, gepflasterte Wege zwischen Gartenzäunen laufen auf Terassen kreuz und quer, so dass er schwer fällt, die Richtung einzuhalten. Die Höfe sind ziemlich ärmlich: ein zweistöckiges schmales Haupthaus und die Küche ohne Kamin daran gebaut. Die Frauen haben verquollene Augen, wenn sie gekocht haben. Je nach Reichtum sind sie mit Wellblech oder mit Schilf gedeckt. Es gibt auch eine Adventisten-Kirche, wohl nach dem Motto: Wer zuerst da ist…

Wir unterhalten uns mit dem einzigen Ladenbesitzer, dessen Inventar mit deutscher Hilfe eingekauft worden ist. Später klärt uns der señor auf, dass der Laden comunal sei.

Amantani

Das ist auch der Unterschied zu den Orten in der Sierra und auf dem Altiplano: Um überhaupt in den Geldverkehr eintreten zu können, müssen die Leute gemeinsam handeln. Je 30 besitzen ein Boot. Gemeinsam tauschen sie das steinharte Eukalyptusholz gegen Lebensmittel. Außerdem handeln sie mit den Urus.

Der Laden ist sinnvoll, weil die Armen die Schiffspassage nach Puno gar nicht aufbringen könnten. Wir könnten für den Ladenbesitzer „Schicksal“ spielen, indem wir irgendwelchen Reiseführern [damals gab es noch keine außer dem South American Handbook] mitteilten, dass er auch ein alojamiento hat, was bis jetzt [1984] niemand weiß.

Die Situation ist vielleicht untypisch. Früher haben nur 900 Leute auf der Insel gelebt, und vermutlich hat erst der Handel mehr ermöglicht. Die Leute auf Amanataní seine fleißig. (…)

Alle Kinder rufen ständig da me plata (gib mir Geld), weil irgendwelche Touristen ihnen wohl für Weg- und andere Auskünfte etwas bezahlt haben. Die ersten Touristen, Franzosen – vor ca. zwei oder drei Jahren -, haben mit ihren blonden Haaren noch die Kinder erschreckt.

Die Rückfahrt ist schrecklich: ziemlich hoher Wellengang, und mir ist kotzübel, was sich nach einer Weile ein wenig bessert. Ein Kotzeimer wird auf dem Boot herumgereicht, und ich muss die ganze Zeit kacken, was die Neugier auf die Urus, bei denen wir anlegen, vermindert. Eine „Herde“ von Schilfbooten empfängt uns und cargo wird umgeladen. Ich weiß nicht, ob die Urus nur von Fisch leben?




Fernfuchtler et al

Telepolis: „Von Fernfuchtlern, Zeitungsratten und Knüppelwörtern – Der Streit um Peter Handke ist auch eine Auseinandersetzung um Literatur und Journalismus.“

„Dass in deutschsprachigen Medien einseitig über Jugoslawien berichtet wurde, haben inzwischen zahlreiche universitäre Forschungen von Doktoranden und Professoren belegt. Doch in den Leitmedien werden allem Anschein nach weder Dissertationen noch Sammelbände wissenschaftlicher Symposien ernsthaft wahrgenommen.“

Warum auch, wenn man im Schießschartenmodus schreibt…




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Food porn, revisited

kasselerbraten

Sauerkraut-Kasseler aus dem Römertopf. Das Rezept sieht frischen Ingwer und Apfelsaft als Spurenelement vor. Da ich beides nicht hatte, musste ich improvisieren: Ich habe meine selbst gemacht Apfel-Ingwer-Marmelade genommen – und sieht, es schmeckt großartig. Die Klöße passen IMHO besser als Brei.




I Fucking Love Frauen und Disketten und Wissenschaft

disketten
Meinen ersten Roman hatte ich nur auf Diskette gespeichert. Als ich den Text vor ein paar Jahren im Original haben wollte, musste ich erst einen Freund bemühen, der irgendwo ein Diskettenlaufwerk organisierte.

Falls jemand noch kein Weihnachtsgeschenk für eine Dame hat – hier mein Vorschlag: Jurek Beckers Amanda herzlos – das beste Buch über Frauen und Männer, das ich kenne, ironisch, elegant geschrieben, einfach schön zu lesen.

Rezensionen gab es schon 1992, im Jahr des Erscheinens. Vielleicht verstehen Frauen das Buch gar nicht: Warum Iris Radisch ihn verreißt, kann ich nicht begreifen: „Drei nette Herren erzählen drei launige Geschichten über eine schöne Frau im Sozialismus.“ Nett sind sie ganz und gar nicht, jedenfalls nicht immer, und „launig“ ist das falsche Wort. Vielleicht hatten die Rezensenten nur keine Lust auf ein DDR-Sujet. Der „Sozialismus“ ist aber nur Staffage, man hätte sich alles – mit wenigen Änderungen – auch im Kapitalismus vorstellen können.

Oder eine Frau missbilligt, sich selbst uneingestanden, dass dieser Roman eine Frau aus der Sicht der Männer schildert, die Frau aber nur indirekt, in Form von Zitaten in indirekter Rede, vorkommt? Das ist die Pointe – jeder sieht jede(n) anders, es ist aber immer dieselbe Person. Becker hat eine unglaublich scharfe Beobachtungsgabe – selbst winzige Details im Verhalten lässt er nicht aus.

Bories vom Berg trifft es schon eher: „Wie immer beim Autor des berühmten Romans «Jakob der Lügner» ist auch hier seine ureigene literarische Methode deutlich zu erkennen, nämlich selbst außerordentlich ernste Sujets «komödienähnlich» zu bearbeiten, wie er selbst es formuliert hat. Ironie und Komik wären der von ihm präferierte Ton, das habe möglicherweise auch was mit Unterhaltsamkeit zu tun. Dieser Roman ist thematisch eindeutig mehr ein Liebesroman als ein DDR-Roman… (…) Herzlos ist Amanda, weil sie ihre Männer nicht nur physisch bespöttelt, sondern vor allem psychisch demaskiert, – und den Unrechtsstaat, den sie verachtet, gleich mit dazu!“

Ich habe das Buch schon mindestens zehn Mal gelesen und amüsiere mich immer noch köstlich.

Ein Detail ist aber eher unfreiwillig komisch: Einer der Männer will einen Roman über die Heldin schreiben, aber irgendjemand hat die Diskette, auf dem der Entwurf war, zerstört oder gelöscht. Welches Zeitfenster war das, in dem das technisch einen Sinn macht? Ab wann hatten „Heimcomputer“ Festplatten? Oder ist die fiktive Person nur einfach total zu blöd, kein Backup auf einer zweiten Diskette gemacht zu haben? Oder wusste Becker das nicht?

abbruch
Symbolbild für die deutschen Medien

Was sonst noch geschah: Die Wissenschaft empfiehlt, immer in die Dusche zu pinkeln. Gut zu wissen. (Man lernt auch viel über deutschen Humor, wenn man sich vorstellt, warum I Fucking Love Science niemals von Deutschen betrieben werden könnte.

National Geographic: „Secret Room Holds ‚Lost‘ Michelangelo Artwork
These rarely seen drawings on the chamber walls may have been created when the famed artist took refuge from the Medici family in 1530.“ Sehr hübsch.

The Guardian: „Amazon indigenous leaders killed in Brazil drive-by shooting. Gunmen opened fire on a group from the Guajajara tribe on a highway in Maranhão state, killing two and wounding others.“ Davon schreiben die deutschen Medien ab, wenn sie überhaupt etwas zum Thema bringen. Wenn man vorwiegend ausländische Medien konsumiert wie ich, wird einem klar, wie beschränkt und provinziell es hierzulande zugeht. Ausser der SPD und dem Klima (ich kann das Wort nicht mehr hören) scheint es nichts zu geben, was zur Zeit „interessant“ ist.

Wenn man auf Fratzenbuch über die schreckliche Lage der Flüchtlinge in Bosnien berichtet, kritisiert niemand ein Zitat der Bild kurz danach: „Fünf Messer-Attacken in deutschen Städten“. Man kann sich die Kommentare selbst dazudenken. [Update von gestern][Update von heute]

Die Beißreflexe bei den grünguten Menschen sind ähnlich vorhersehbar und genauso dämlich. Ich hatte einen älteren Artikel gepostet: „Der Verband Ditib kontrolliert auch in Deutschland zahlreiche islamische Prediger. Einige seiner Mitglieder wettern gegen Weihnachten“. Jemand kommentierte: „Gibt es nichts Aktuelleres zum Hetzen als fast drei Jahre alten Käse?“ Jeder blamiert sich so gut, wie er kann. Wer Religion verabscheut und noch mehr weltanschauliche U-Boote Erdogans, „hetzt“. Darauf muss man erst einmal kommen. Vielleicht kommt so etwas von den Gendersternchen.

disketten
Ich weiß nicht, wofür das Teil ist, das über der Autobahn bei Halensee hängt – zum Füttern von irgendwetwas? Oder ein Wasserspender?

Auch schön von Russia Beyond: „It’s official: Native Americans and Siberians are cousins“. Ist nicht so ganz überraschend. Noch mehr Wissenschaft: Zebrafinken müssen Singen und Pfeifen erst lernen. Auch die IT-Ableitung der Uni Gießen muss noch viel lernen. „Die Hacker“ waren es vermutlich nicht.

Zum Schluss: Genau meine Postleitzahl war betroffen; ich habe aber alles bekommen. Nur funktioniert der neue Scanner auch nicht richtig… Mal sehen, ob ich das hinkriege.




Aguas Calientes

chivay

Fotografiert am 25.03.1984 in Chivay, Peru. Chivay ist bekannt für heiße Quellen. (Leider ist das Foto von mir ein bisschen verwackelt.)