Tamaziɣt oder: Babylonien

Babylonien, 42.0: Tamaziɣt, eine Berbersprache.

Ich musste mein racial profiling wieder überprüfen. Der Herr wurde von der Polizei gebracht und sah ein wenig derangiert aus. Dazu „urbane“ Kleidung à la Görlitzer Park, sowie halblange Wursthaare aka Rasta-Look. Arbeitsthese laut meiner privaten phänotypischen Statistik, über die ich nie öffentich sprechen würde: Der ist ein Nafri und ein Fall für die Ornithologen der Notaufnahme. Macht nur Ärger, pöbelt die Schwestern an usw..

Ich habe gern den Überblick, wer was wo macht. Das ist bei manchmal mehr als 50 anwesenden Personen in der Rettungstelle nicht immer einfach. Bei einem Kontrollgang traf ich den besagten Herrn auf dem Männerklo, grüßte ihn auf Arabisch und sprach ihn dann in allen mir bekannten Sprachen an, ob alles o.k. sei. Er wusch sich weiter und antwortete auf Englisch, dass er nur wenig Arabisch spreche. Es sei Schwede. Damit war meine Statistik perdu.

Kurz darauf kam mein Arbeitskollege (Facebook) vorbei, der Arabisch, Deutsch und Englisch spricht, aber auch ein wenig Schwedisch, weil der Rest seiner Familie aus Syrien dorthin ausgewandert ist und er sie manchmal besucht.

Mein schwedischer „Nafri“ und er unterhielten sich kurz. Es stellte sich heraus, dass er in Algerien geboren war, aber Tamaziɣt sprach. Jetzt besaß er die schwedische Staatsbürgerschaft. Er war auch nicht „psych“, wie man hier sagt.

Über die Berber hatte ich hier schon gebloggt. Kāhina kannt ich nicht, habe aber mit Entzücken darüber gelesen.

Ein Kollege, der hier im Krankenhaus fachmännisch alles reinigt, spricht neben Deutsch auch Twi. Das will ich aber nicht lernen.

Und wenn in den nächsten Tagen ein anderer Kollege Streifendienst hat, werde ich mein Spanisch üben können. Das spricht er genauso gut oder schlecht wie ich, weil er dort mehrere Jahre als doorman gearbeitet hat, sein Deutsch klingt noch nicht gut. Seine Muttersprache ist Litauisch, und er spricht natürlich auch Russisch und ein wenig Polnisch. In Litauen war er mal Schwergewichtsboxer, hat keine natürlichen Feinde und sieht auch so aus – die Schwestern nennen ihn den „Schrank“, obwohl er kleiner ist als ich und auch nicht sehr viel breiter. Dabei ist er Familienvater und sehr nett und ruhig. Unsere zahlreichen Problemkunden bleiben aber alle still auf den Stühlen und verhalten sich unauffällig, wenn mein Litauer freundlich lächelnd nur vorbeigeht. Es ist eben eine Frage der Attitude.

Ich hatte neulich einen besoffenen und pöbelnden polnischen Bürger auf Wunsch des Personals auf die Straße gesetzt, und er versuchte, im Rahmen seiner Möglichkeiten, noch eine Diskussion anzuzetteln. Mein Kollege kam zufällig vorbei, und der betrunkene Herr machte sich unverzüglich von dannen, als er ihn sah. Noch nicht einmal das unvermeidliche kurwa kam über seine Lippen. Mein Kollege grinste und sagte: „Zwei Mann… immer besser.“

Sehr babylonisch hier, aber lustig.