Proletarier aller Milieus, vereinigt euch!

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Symbolbild für alles

Interessanter Artikel von Dennis Graemer, leider in Gendersprache und mit Geschwurbel: „ProletarierInnen aller Milieus, vereinigt euch!“

Bordieu, Eribon, Baron – das hiesige Publikum kennt das Thema schon.
Die Milieutheorie Bourdieus kann beschreiben, wie Menschen und Menschengruppen mit jenem Machtgefälle umgehen, das der Kapitalismus hervorbringt. Die marxistische Theorie kann mehr. Indem sie auf die strukturelle Logik des Kapitals verweist, legt sie offen, warum Klassen überhaupt existieren.

Der Vorwurf, die linken Gruppen würden aus „Mittelschichtkindern“ bestehen, kann überhaupt nur auf der Grundlage der Bourdieu’schen Theorie erhoben werden. Mit dem Marxismus, der die Zugehörigkeit zu einer Klasse auf Grundlage der Stellung im Produktionsprozess definiert, ist er unvereinbar. Marx erkennt mit dem Kleinbürgertum durchaus die Existenz einer „mittleren“ Klasse an, die sich zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat befindet; Doch er hat etwas völlig anderes im Sinn als jene gefühlslinken Möchtegern-KlassenkämpferInnen, welche die Kinder von LehrerInnen und IngenieurInnen als „kleinbürgerlich“ diffamieren. Marx definiert das Kleinbürgertum nämlich schlichtweg als Klasse jener, die Produktionsmittel besitzen und ihre Arbeitskraft deshalb nicht an andere verkaufen müssen, jedoch im Gegensatz zur Bourgeoisie keine ArbeiterInnen beschäftigen. Wer seine Arbeitskraft verkauft, statt von den eigenen Produktionsmitteln zu leben, ist keine KleinbürgerIn, sondern Mitglied des Proletariats.

Dem stimme ich nicht zu, obwohl die Frage an sich richtig ist. Die antisemitische Politsekte MLPD hat daraus den Schluss gezogen, marginalisierte Intellektuelle seien jetzt auch das revolutionäre Subjekt und „natürliche“ Verbündete der Arbeiterklasse, da nach der klassischen Definition von Marx jemand, der keine Produktionsmittel besitze, eben Proletarier sei. (Man könnte auf ähnlichem „Niveau“ behaupten, die Klassenbasis der Studenten von heute sei das Kleinbürgertum und das Beamten- und Angestellten-Milieu – vgl. Bordieu-, also ein Haufen opportunistischer Reaktionär*_&Innen, die man getrost ignorieren kann.)

Wer es demgegenüber ernst meint mit der sozialistischen Sache, ist bereit zu akzeptieren, dass das revolutionäre Subjekt, die proletarische Klasse, nicht als existierende Gemeinschaft im Bestehenden vorgefunden werden kann, sondern vielmehr erst im Prozess des Klassenkampfes zu sich kommt.

Aber warum kommt es nicht zu sich? (Und, realistisch gesehen – vermutlich zu allerletzt in Deutschland.)

Aus der Perspektive der KommunistInnen gilt: Theoretische Aufklärung und praktische Interventionen sind notwendig, um aus einer bunten Ansammlung von Milieus, religiösen Gruppen, nationalen Kulturen und urbanen Subkulturen die Klasse für sich zu schmieden, die Vollstreckerin der universellen Emanzipation.

Nein, das ist nicht so. Das ist Voluntarismus – die revolutionäre „Elite“, die mehr weiß als die Masse, bringt der das Schöne, Gute und Wahre bei. Falsch geraten. Lenin, ick hör dir trapsen.

Bevor die Linke überhaupt an einen solchen Klassenkampf denken kann, muss sie verinnerlichen, dass die proletarische Klasse nicht durch ihre Kultur bestimmt wird, sondern durch ihre Position innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise.

Richtig, obwohl man zum „Verinnerlichen“ protestantische Ethik brauchte. Gendersprache ist auch Kultur, also überflüssig. Statt die Spaltung der ArbeiterInnen noch weiter zu befördern, müssen sich Linke auf das konzentrieren, was die Klasse vereint.

Quod erat demonstrandum.

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Kommentare

4 Kommentare zu “Proletarier aller Milieus, vereinigt euch!”

  1. flurdab am November 8th, 2019 6:20 pm

    Ganz ehrlich, ich verstehe den ganzen Jums nicht.
    Dieses „wir suchen ein revolutionäres Subjekt“ ist doch geisteswissenschaftlicher Dung.
    Das erinnert mich an Marx, aber an Gaucho: „Wenn ein Verein jemanden wie mich aufnehmen wollte, würde ich dort kein Miglied werden wollen“.
    Und mit dem Unfug kann man Geld verdienen?
    So ganz ohne Revolution.
    Na dann.

  2. Roland am November 9th, 2019 12:05 am

    Groucho, nicht Gaucho.
    Er war Nordamerikaner.

  3. Godwin am November 9th, 2019 11:07 am

    „[…] ist auch Kultur, also überflüssig.“
    *husthust*
    ich bin ja begeistert, dass du inzwischen auch auf Bourdieu verweist. Aber eben jener hält Kultur aka „kulturelles Kapital“ für eine der drei Hauptachsen des sozialen Raumes und somit für elementar zur Bestimmung der eigenen Lage (Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse) und den Habitus.
    Kultur ist verbindendes oder trennendes Element
    (die Rechten lesen nicht um sonst Gramsci )

    Unter Verweis auf diesen Blogeintrag sei nochmal ein Blick auf die aktuelle gesellscaftliche Entwicklung geworfen:
    die Digitalisierung macht den Menschen zunehmend als Produzenten überflüssig.
    Es braucht ein paar hoch-gebildete, die neue Technik erfinden, herstellen, bedienten/warten und weiterentwickeln können.
    Dazu eine Gruppe von Personen, die den Laden am laufen hält – von Armee, Polizei über Ärzte, Pflegepersonal usw.
    Der Rest wird nur noch als konsumierende Bio-Masse mit Brot und Spielen am Leben gehalten, weil irgendwer muss ja die hergestellten Produkte in bare Münze umsetzen. Das hat schon seinen Grund, dass Entertainment immer dümmlicher wird und längst Teil der Nachrichten- und damit Propaganda-Welt geworden ist.
    Knöpfchen drücken, Bildschirm streicheln und es macht Bling-Bling und alles freut sich.
    das neue Opium fürs Volk.
    und diese Trennung wird mit dem deuten Bildungssystem gerade im Galopp durchgepeitscht.
    Die Revolution kommt dann nur noch als Addon für Fortnite

  4. Messdiener am November 9th, 2019 3:29 pm

    https://www.youtube.com/watch?v=uTSPqKDNNIM

    Todos somos proletarios (0:57)

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