Turkstream, revisited

turkstream

Ich hatte hier am 31.03.2016 ausführlich über die ökonomischen Interessen gebloggt, die bei den kriegerischen Konflikten im nahen und mittleren Osten eine Rolle spielen. (Und kommt mir nicht wieder mit der Wasserfrage.)

Warum streiten sich Russland und die Türkei? Wer hat welche Interessen in Syrien? Ich fühle mich durch die Medien nicht wirklich informiert und hatte mir die Hausaufgabe gestellt, das selbst zu recherchieren. Und natürlich die zwei journalistischen Fragen zu beantworten, die alles beantworten: „Wo kommt die Kohle her? Wo geht die Kohle hin?“ (Matthew D. Rose)

Das „Streiten“ steht jetzt, wie zu erwarten war, im Imperfekt. Schon am 30.04.2018 meldete UPI (wie hier schon erwähnt): „Gazprom completes section of TurkStream pipeline. The new pipeline is part of Russia’s efforts to pump more natural gas into the European market.“ – “ For Russia, the link through Turkey is part of its growing ambition to add diversity to export arteries to the European market….) Turkey, meanwhile, aims to capitalize on its geographic position by becoming an energy bridge between Central Asian and Middle East suppliers and the European market.“

Die deutschen Mainstream-Medien hoppeln jetzt hinterher – nervend, dass „Spiegel online“ einen mit der Attitude belästigt, man wisse nichts, aber die Journaille geruht, dem unwissenden Bürger alles zu erklären – auf dem Niveau der Sendung mit der Maus. Dabei wird kaum etwas erläutert, stattdessen Kreml-Astrologie betrieben: “ 2014 hatte Putin erst genervt den Bau einer Schwarz-Meer-Pipeline in die EU gestoppt“. Woher, zum Luzifer, wollen die wissen, ob Putin „genervt“ war? Es heißt auch nicht „Moskau tut dieses und jenes“, sondern „die herrschende Klasse Russlands“, die bestimmte Interessen hat, wie auch die der Türkei, wobei die Moral und die Psyche der jeweiligen Charaktermasken irrelevant sind.

Über meine Linksammlung habe ich mich umgesehen, ob etwas Neues zum Thema anliegt. Das Handelsblatt schwadroniert herum, das Ding sei noch nicht in trockenen Tüchern, da sowohl Russland als auch die USA Waffen an die Türkei liefern wollten. „Doch Washington hatte seine Waffenlieferungen an den Nato-Partner davon abhängig gemacht, dass die Türkei auf das Geschäft mit Russland verzichtet.“ Ich prophezeihe, dass die USA den Kürzeren ziehen wird. (Interessant, dass das Wall Street Journal aktuell gar nichts zum Thema „Turkstream“ hat – die müssten sich eigentlich dafür interessieren?)

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Man schrickt vor der Dummheit, die einem in deutschen Wirtschaftsteilen entgegenschlägt, immer wieder zurück. Das Manager Magazin übt sich (zum Thema Ölpreis) in vulgärökonomischer Spökenkiekerei: „Die Frage drängt sich auf: Wie kommt es zu diesem dramatischen Preisrutsch? Nüchtern betrachtet ist es wohl eine klassische Marktreaktion, die aus dem Zusammenspiel von Nachfrage und Angebot entsteht…“ Das ist wohl gequirlter klassischer „Volkswirtschaftler“-Blödsinn. Ich empfehle, Lohn, Preis und Profit nachzuschlagen; ich wette, der Redakteur („Verlagskaufmann, Diplom-Ökonom, Volontariat und Redakteur beim Beratermagazin Cash“ – schon klar!) kennt die Schrift gar nicht. (Und wenn doch, dass ist sein Text pure Apologetik.)

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, die man manchmal als Quelle mit der Kneifzange anfassen muss, berichtet, Cüneyt Akalın, Mitglied einer Wirtschaftsdelegation der Türkei, habe gesagt, „dass im Rahmen des Konzepts der ‚West-Asiatischen Union‘ eine Zusammenarbeit zwischen der Türkei, Russland und dem Iran wichtig sei, um einen regionalen Frieden herzustellen und ausländische Interventionen abzuwehren.“

Wie kann man diese Propaganda unkommentiert nachdrucken? Ausgerechnet der Iran und die Türkei sorgten sich um denlokalen Frieden? Soll das Journalismus sein? Ist es mitnichten.

Ich muss jetzt die Leserschaft um Hilfe bitten: Von einer „West-Asiatischen Union“ habe ich noch nie etwas gehört. Haben die sogar die türkische Quelle falsch übersetzt oder ist der Begriff rein metaphorisch gemeint und diese Organisation gibt es gar nicht?