Warum ging die Weimarer Republik unter?

schönbach

Woran ist die Weimarer Republik untergegangen? Es gibt eine Antwort, die allgegenwärtig ist. Die jeweilige Bundesregierung, Wikipedia, die Bundeszentrale der politischen Bildung, die Mehrheit der deutschen Historiker, alle Medien (mit wenigen, aber irrelevanten Ausnahmen), die Macher der Schulbücher und Materialien für Schüler – alle sind mehr oder weniger der gleichen Meinung, oder sie geben so viele Ursachen an, dass gar kein Standpunkt mehr zu erkennen ist.

Das ist doch merkwürdig, oder? Was wäre, wenn alle irrten oder die historische Wahrheit keine Chance hätte, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen?

Ich empfehle Karsten Heinz Schönbach – für alle, die die Fakten zum Thema wissen wollen und auch die, die sich mit der Geschichte der Weimarer Republik beschäftigen.

Warnung: Das Buch ist Wissenschaft vom Feinsten, also gespickt mit Quellen und Aktenauszügen, 658 Seiten lang. [Inhaltsverzeichnis] Ich habe mehrere Wochen gebraucht, um es komplett durchzulesen. Es war die Mühe wert.

Dass sich kein großer Verlag finden ließ und sich die Medien mit Rezensionen sehr zurückhalten, kann bestenfalls im ersten Moment überraschen. Je mehr man sich in Karsten Heinz Schönbachs Untersuchung »Die deutschen Konzerne und der Nationalsozialismus 1926–1943« vertieft, desto weniger vermag einen das jedoch noch zu überraschen. (Heinz W. Pahlke)

Schönbach ist der erste Historiker, der Firmenakten auswerten konnte, die beweisen, dass ohne die finanzielle Hilfe der deutschen Konzerne die NSDAP nicht an die Macht gelangt wäre. (Ja, vorher hat das niemand gemacht!) Die Mehrheit des deutschen Kapitals wollte das oder nahm es billigend in Kauf, weil es ihren Interessen diente.

Äußerst interessant fand ich auch die Passagen, die anhand zahlreicher Firmenakten, Augenzeugenberichten, Briefen und Protokollen belegen, dass Hitler und die NSDAP-Führung bewusst „sozialistische“ Parolen übernahmen, um Wähler zu bekommen, das aber gegenüber den Vertretern des Kapitals zurücknahmen und relativierten. Alle Kapitalisten, die Geld gaben, wussten, dass es den Nazis damit nicht ernst war. Die NSDAP wir sogar schon pleite und hätte ohne die großzügigen Spenden des Kapitals keinen Wahlkampf mehr machen können.

Die „offizielle“ Theorie wird sich aber nicht ändern lassen, weil sie nicht auf Fakten beruht, sondern auf Ideologie. Geschichte, das beweist Schönbachs Buch, ist immer die Geschichte, wie sie die jeweils Herrschenden sehen wollen. Alles andere wird unter den Teppich gekehrt, auch wenn die Tatsachen etwas anderes sagen. Das ist heute genau so wie damals.

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Kommentare

14 Kommentare zu “Warum ging die Weimarer Republik unter?”

  1. ... der Trittbrettschreiber am November 18th, 2017 7:54 pm

    Wenn man 1 + 1 addiert, fällt es nicht schwer zu erraten, das Kapitalisten jede sozialistische Aussage als taktisches Werkzeug interpretieren und jeden, der dieses Werkzeug ansetzt, um Stimmen zu gewinnen, als einen der ihren ansieht(oder ihn im Glauben lässt, er sei es). Es ist seit langem hinreichend bekannt, das die NSDAP vom deutschen Geldadel auf den Thron gehoben worden war. Vielleicht wäre eine erneute Erbsenzählerei aber dennoch sehr hilfreich, um neue Fakultäten, ja sogar neue subventionierte und hochrangige Universitäten entstehen zu lassen. Dann aber bitte die Elfenbeitürme mit Eigensabber zukleistern, damit nichts mehr nach außen dringen kann, was die Menschheit zum Gähnen und damit zur Ineffizienz bezüglich ihres Untergangs durch Ablenkung vom Wesentlichen bringt.

    658 Seiten für die Gewissheit, dass Hitler Geld für den Wahlkampf bekommen hat? Wie wäre es mal wieder mit Proust?

    Nichts ist verloren, schon garnicht die Zeit:

    https://www.youtube.com/watch?v=4e6R9zkaks0&feature=youtu.be

  2. Petronius am November 18th, 2017 7:58 pm

    „… die beweisen, dass ohne die finanzielle Hilfe der deutschen Konzerne die NSDAP nicht an die Macht gelangt wäre. (Ja, vorher hat das niemand gemacht!) Die Mehrheit des deutschen Kapitals wollte das oder nahm es billgend in Kauf, weil es ihren Interessen diente. “ – doch hat man gemacht, im Osten aka DDR: hat nur keiner wissen wollen, weil die Geschichtswissenschaft dort ein grundsätzliches Glaubwürdigkeitsproblem hatte (was nicht weiter verwundert, wenn man sich ansieht, was da zuweilen für Mist verzapft wurde)

  3. Messdiener am November 18th, 2017 8:07 pm

    John Heartfield reicht ein einziges Blatt Papier.

    https://en.wikipedia.org/wiki/File:Heartfield_Hitler_Salute.jpg

  4. Siewurdengelesen am November 18th, 2017 8:12 pm

    Könnte mit einer AfD wieder so laufen…

  5. woogie am November 19th, 2017 10:30 am

    ebenfalls eine Empfehlung wert und deutlich kürzer (135 Seiten) ist das Buch „Weimarer Republik“ von Manfred Weißbecker.
    Aber ist halt „DDR-Wissenschaft“.

  6. admin am November 19th, 2017 2:42 pm
  7. A. Eppner am November 19th, 2017 8:31 pm

    Geschichte – Lehrbuch für Klasse 9; Volk und Wissen – Volkseigener Verlag, Berlin 1983

    Ab Abschnitt 4, Seite 103 ff sowie Abschnitt 5, Seite 145 ff.

    Zum Glück habe ich meine diese Geschichtsbücher der Klassenstufen 8 bis 10 nicht 1989/90 entsorgt. Leider fehlen mir die der Klassenstufen 5 bis 7 aus der DDR sowie der Wälzer „..Geschichte der Arbeiterbewegung..“ od. so ähnl., welcher Lekture in Klasse 11 ward.

    Wie Petronius oben schon schrieb ..

    Wir wissen es eigentlich, nur ist es nicht jedem bewußt. Dasselbe ist ja das Problem mit dem Klassenbewußtsein der heutigen doppelt freien Lohnarbeiter.

    Zum Ende der Weimarer Republik: Kabitel 4.9 S.142ff
    Dort ist auch das Bild abgedruckt, welches Messdiener verlinkt hat.

  8. Dirk am November 20th, 2017 1:16 am

    Entspricht Schönbachs Buch den Thesen die Sohn-Rethel in Ökonomie und Klssenstruktur des deutschen Faschismus entwickelt hat ?

  9. Serdar am November 20th, 2017 11:10 am

    Burks mach doch mal eine Literaturliste zu bestimmten Themen. Du machst immer interessante Bücherempfehlungen verstreut in vielen Beiträgen.

    Fass doch mal alle in einer Liste zusammen. Wäre auch leichter für die Leser deines Blogs.

  10. rainer am November 20th, 2017 11:44 am

    …..die Story hat doch schon nen langen Bart….

  11. admin am November 20th, 2017 2:36 pm

    Schönbach setzt sich auch kritisch mit den zu platten Thesen auseinander, die in der DDR verbeitet wurden.

  12. LordPiccolo am November 20th, 2017 4:11 pm
  13. A. Eppner am November 21st, 2017 7:00 pm

    aktuelle Werbung vom Verlag PapyRossa, drei Titel von Kurt Pätzold:
    – Geschichte der NSDAP
    – Wahn und Kalkül
    – Kein Streit um des Führers Bart
    die dieses Thema mit abhandeln oder zumindest erwähnen dürften. Genau weiß ich es nicht, da nicht gelesen außer die Kurzinfo der Werbung.

  14. 9. November et al : Burks' Blog am November 9th, 2019 3:53 pm

    […] Reprint vom 18.11.2017 […]

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