Qualm für das Proletariat
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein militanter Nichtraucher bin. Aber:
„Soziologisch gesehen handelt es sich bei der Durchsetzung des Rauchverbots um die systematische Vertreibung der Unterschichten aus dem öffentlichen Raum. Denn Rauchen ist längst zu einem Erkennungszeichen der tatsächlich oder potenziell sozial Schwachen geworden – derer, die in dieser Gesellschaft nichts mehr werden wollen oder können. In den USA ist diese Entwicklung schon sehr viel weiter fortgeschritten als in Europa, doch wir holen tüchtig auf. Wer am Qualmen festhält, sich nicht zumindest bemüht, es aufzugeben oder es wenigstens nur schamhaft und mit schlechtem Gewissen betreibt, gilt als charakterlos und potenziell untauglich, einen konstruktiven Beitrag zur menschlichen Gemeinschaft zu leisten.
Die Unterschichten aber können und wollen nicht auf das Qualmen verzichten, denn es ist eines der kleinen Fluchten aus einer absoluten Gegenwart, die keinen Zweifel mehr daran aufkommen lassen will, dass sie die beste und einzig denkbare aller Gegenwarten ist. Rauchen, fettes Essen und übermäßiges Trinken aber sind solche kleine Alltagsfluchten aus dieser Diktatur des Unmittelbaren, der jederzeit Fitten und Verwendbaren, und deshalb werden diese unerwünschten Gewohnheiten von einer Allianz aus durchkommerzialisierten Aufstiegsmenschen und grünen Öko-Gesundheitsaposteln unbarmherzig verfolgt. (Beide Gruppen überschneiden sich dabei mittlerweile schon sehr weitgehend.)“ (Richard Herzinger)
Kommentare
8 Kommentare zu “Qualm für das Proletariat”
Schreibe einen Kommentar
Ach du heiliger BimmBamm. I´m rollin´ up.
Ich bin ein militanter Raucher und weiß, wenn ich ein Bierchen trinken möchte, dass ich nur eine begrenzte Auswahl habe, mit einem gewissen Publikum. So bleibe ich handwerklich allerdings immer auf dem neusten Stand.
Das ungesunde Leben von damals war geselliger, reicher und wesentlich kommunikativer. Wer heute zur Arbeit joggt, hat mit Sicherheit Schneckengene im schadstoffunbelasteten Blut. Diese Leute überziehen das Großraumbüro mit einem devoten Schleim auf dem man ja nur nach oben rutschen kann.
Prost!
Äh – hastema Feuer?
Wusste gar nicht, dass die ganzen jungen rauchenden Frauen ihre teuren DesignerKlamotten nur tragen und Sekt trinken um von ihrem Unterschichtendasein abzulenken..
Marc Reiser:
Wer raucht kriegt Lungenkrebs, wer nicht raucht Arschkrebs.
Bei der Mehrheit der Kommentatoren erzeugt das Bekenntnis zum militanten Nichtrauchertum eine Reaktion der Reaktanz hervor.
Diesen Kommentatoren schließe ich mich an (und zwar mit Freuden).
Ich bin zwar Nichtraucher (seit 2001, davor Ketten-Solcher), aber wer bei blöder Vorschreiberei keine Reaktanz produziert, ist ein intellektueller Blumenkohl.
Jedenfalls setze ich mich in der Kneipe grundsätzlich mitten zwischen die Raucher. Dort ist der Ort, wo das Leben abgeht. Und nirgends anders.
Und sollte es je zu einem Verbot kommen, würde ich ernstlich eine Rückfall in Erwägung ziehen. Aus Reaktanz, zu der ich mich bekenne (rückhaltlos).
Schiere Demagogie.