Unter uns Sprachprofis

ja wie denn nunNeulich bekam ich Ja wie denn nun? Der Sprachratgeber für Textprofis geschenkt. Unter uns Sprachprofis: Ein Profi, der Deutsch beherrscht wie Jimi Hendrix die Gitarre, braucht selbstredend keine Bücher mehr. Er weiß schon alles oder schreibt selbst. Aber man lässt sich ja [überflüssiges Füllwort] gern unterhalten.

Froh gestimmt begann ich zu blättern. Da sprang, ja stieß mir ein Name in die Augen. Prof. Dr. Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, hat die Einleitung verfasst. Mein großer Vorsitzender versucht sich am Deutschen?! Da müssen wir näher hinschauen.

Zum Handwerk des professionellen Textens gehört vor allem die Beherrschung einer korrekten Sprache.

Hört! Hört! Zum Dichten und Denken gehört auch, dass man Geschwurbel vermeidet. Ich habe meinen Studenten klare Regeln für ihre Hausarbeiten vorgegeben. Ich sage es gern klar und angenehm, was erstens, zweitens, drittens käm. Ich will kein Wort sehen, dass mit -ung endet. Punktum. Es geht immer besser, verständlicher, interessanter und eleganter als im bürokratischen Nominalstil à la Katja Kipping.

Merke: Alle Wörter mit UNG, KEIT, ION und ISMUS sind des Gefasels verdächtig und sind nicht (in Worten: überhaupt nicht) erlaubt. Das gilt auch für Verben mit IEREN.

Geschätzter Kollege Professor und Doktor Überall, wir texten also zukünftig wie folgt: Wer professionell schreibt, muss vor allem die Sprache beherrschen.

Das klingt aber leider, als hätten wir einen Schimmel ziemlich hell angestrichen. Gemeint ist: Wer sich kühn daran macht, verständlich und gut schreiben zu wollen, muss zuvörderst die Sprache beherrschen, obzwar letzteres Verb genderpolitisch des Unkorrekten verdächtig ist. Dialektisch-logisch ist also das Beherrschen eine Teilmenge des professionellen Textens. Der Advocatus Diaboli zweifelte natürlich an, dass noch mehr dazu gehöre, sondern würfe ein: Wer perfekt die Sprache beherrscht, kann eh schon genauso gut schreiben. Er müsste also rein gar nichts tun. Wir wollen außerdem nicht die unkorrekte Sprache beherrschen, was mindestens Professor Überall verhüte, sondern die korrekte. Wie meinen? Der Schimmel ist jetzt nicht nur hell, sondern strahlt in Weiß?

Zum Handwerk des Schreibens gehört – wer hätte das gedacht? -, die Sprache zu beherrschen. Texten schreiben wir nicht, weil das ein nur schwaches Verb ist. Wir lieben es hingegen stark, das klingt immer besser.

Es ist stets ein Genuss, gut geschriebene Ausführungen zu lesen oder ihnen bei einem guten Vortrag zuzuhören.

Ausführungen? Ist das eine Art Gassi gehen mit Wörtern? Ich führe den Sprachdackel aus und durchführe ihn, womöglich durch eine dunkle Gasse? Verboten, Professor Überall, erstens wegen des UNGs, zweitens wegen des Geschwurbels, und drittens weil ein Nomen schlechter als ein Verb klingt. Das wissen wir schon seit Heinrich von Kleist, der 1810 besseres Deutsch schrieb als alle Funktionäre des DJV zusammen. Ich wette, dass in dessen gesammelten Werken kein einziges Mal von „Ausführungen“ die Rede ist.

Gerade für Journalistinnen und Journalisten sowie für seriöse Bloggerinnen und Blogger ist es wichtiger denn je (bla bla)

Was wäre, wenn unseriöse Blogger sich auf das berühmte Urteil des Bundesverfassungsgerichts beriefen und behaupteten, sie seien auch Journalisten, da die Definition von „Presse“ seitens des höchsten deutschen Gerichts auch auf sie zuträfe? Oder, wieder die Attitude des Advocatus Diaboli imitierend -: Gerade für die, die nichts zu sagen haben, ist es wichtig, interessant zu schreiben, um den Mangel an Inhalt zu verdecken. Ach so? Das ist auch nicht gemeint?

Ich bin auch gegen gendrifiziertes [das Wort habe ich soeben erfunden] Schreiben, weil das die Sätze schwerfällig dahinstolpern lässt und außerdem den Autor unverzüglich in ein bestimmtes sprachesoterisches Milieu stößt. Journalisten sollten aber diskret sein und das, was sie denken, verbergen. Just saying. Vielen Dank übrigens an meine Studentinnen (mit kleinem i), die sich dem Gendersprech allesamt verweigern, ohne dass ich hätte a priori intervenieren müssen.

Sprache gehört zu unserer Kultur, und korrekte Sprachanwendung trägt dazu bei, dass öffentliche Kommunikation gelingen kann.

Sprachanwendung. Wieso muss ich jetzt an Hautcreme denken? Und wieso höre ich das Echo vor der Eiger Nordwand jodeln: UNG UNG UNG?

Aus Beziehungsdiskussionen (nicht zufällig lugen hier ein UNG und ein ION hervor und machen das Wort an sich so hässlich wie das, was gemeint ist) wissen wir, dass auch die private Kommunikation misslingen kann. Reden ist schwer, und Schreiben auch. Was aber verstehen wir unter „gelingen“ und gar dem öffentlichen Gelingen? Dass der Empfänger der Botschaft sie so versteht, wie der Absender sie abgeschickt hat?

Nur wenn richtige und präzise Wörter gewählt werden, tragen sie zum gesellschaftlichen Diskurs wirkungsvoll bei.

Zu Risiken und Nebenwirkungen sinnfreien Geschwafels im herrschaftsfreien Klassenkampf studieren Sie die Worte des Vorsitzenden Professor Doktor Frank Überall.