Den Deutschen etwas vorenthalten

Die Süddeutsche über Raul Hilberg und sein Buch Destruction of the European Jews:
Bald darauf kündigte der Droemer Knaur Verlag den 1963 geschlossenen Lizenzvertrag mit Hilberg. Der dort zuständige Cheflektor Fritz Bolle (1908-1982) zählte damals zur Spitze der Münchner Verlagswelt und betreute neben dem „Knaur Lexikon A-Z“ Autoren wie Peter Bamm, Johannes Mario Simmel und Hans-Joachim Schoeps. Im Kündigungsbrief an Hilberg gab er 1965 vor, das Buch könne wegen der Passagen über die Judenräte von Böswilligen benutzt werden: „Dass es diese Böswilligen gibt, wissen Sie. Dass sie gefährlich werden können, wissen wir.“ Um neuem Antisemitismus vorzubeugen, sei es geboten, das Buch den Deutschen vorzuenthalten – „trotz der grauenhaften Details über die Vernichtung der Juden“.

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Kommentare

3 Kommentare zu “Den Deutschen etwas vorenthalten”

  1. Wolf-Dieter Busch am Oktober 19th, 2017 2:03 pm

    Insbesondere der Schlusssatz ist von ausgezeichneter Qualität:

    Sie waren bis zum Generationswechsel in den 1980er-Jahren zu keinem Zeitpunkt in der Lage, Werke zu schreiben, die auch nur entfernt an die Qualität der Darstellung Raul Hilbergs herangereicht hätten. Das ist, um es Hilberg’isch zu sagen, keine Schande, sondern eine historisch zu erklärende und zu beschreibende Tatsache.

  2. Fritz Bolle am Oktober 19th, 2017 7:10 pm

    Wichtigster Absatz im Text zum Thema Entnazifizierung:

    …Wie ich vor zwei Jahren herausfand, kannte Bolle einige der „grauenhaften Details“ bestens. Denn vom 21. September 1943 bis zum 13. April 1945 hatte er als „Chefassistent“ nahe Saalfeld gearbeitet. Dort wurde mit Raketentriebwerken experimentiert, und dafür mussten KZ-Häftlinge ein unterirdisches Werk für Flüssigsauerstoff errichten, das unter der Tarnbezeichnung Vorwerk Mitte firmierte. Die von der SS gestellten Sklavenarbeiter waren im unmittelbar benachbarten Außenlager Laura des KZs Buchenwald untergebracht. Von den 2600 Häftlingen starben infolge der höllischen Arbeitsbedingungen in den Stollen der Triebwerksfabrik Hunderte, 538 sind namentlich bekannt. Etwa 300 kranke Häftlinge wurden in das KZ Bergen-Belsen abtransportiert, 400 in das KZ Dora-Mittelbau, etwa 600 in den letzten Kriegswochen nach Dachau getrieben. Fritz Bolle hatte eigene Motive, den so gründlichen, auf Namen, nicht allein auf „historische Zusammenhänge“ bedachten Hilberg loszuwerden…

  3. Serdar am Oktober 19th, 2017 8:55 pm

    Hier gibt es eine Kritik an Aly:

    Wollten deutsche Historiker NS-Forschungen totschweigen?

    https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article169725090/Wollten-deutsche-Historiker-NS-Forschungen-totschweigen.html

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