Leibesübungen, reloaded

Heute nach einen knappen Jahr Pause wieder gelaufen. 45 Minuten ohne große Anstrengung. Noch zwei oder drei Mal: Dann trau ich mich wieder, Endomondo einzuschalten und zu berichten.

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Beissreflexe der Kleingeister

Bundesrichter Thomas Fischer schreibt über Hatespeech, kleine Geister und die Schuster- & Leistentheorie, die „umschreibt den unbedingten Willen, die berechtigte Scham über die eigene Beschränktheit mit dem unberechtigten Stolz auf den eigenen Kleingeist aufzuwiegen. Die Schuster aller Zeitalter haben sich, wie wir wissen, zu unserm Glück an diese Theorie noch nie gehalten. Wenn schon nicht der Journalismus frei ist, sprach Cicero, berüchtigter Lateinlehrer und Chefredakteur, dann doch wenigstens der Schuster: Er baut Siebenmeilenstiefel und fliegende Pantoffel, wo der Journalist gebückt einherschleicht.“

Ich frage mich, wie es in den Gehirnen der Leute aussieht, die Fischer nicht lustig finden? Ich darf die Kolumne jedenfalls nicht mehr beim Abendessen lesen, weil ich beinahe den Grünkohl-Eintopf über das Tablet gespuckt hätte.

„Die selbsternannten bedeutenden Intellektuellen in Redaktionen, Parteien und Netzwerken bescheinigen sich gegenseitig so lange die überragende Bedeutung, bis die ganze große Veranstaltung nur noch aus Kaisern ohne Kleider besteht: Mit Attitüden, aber ohne Rückgrat; mit Frisuren, aber ohne Verstand;, mit Selbstberauschung, aber ohne einen Funken Mut. Mit lauter Worten, die die Fratzen der Wirklichkeit zum Horrorclown ihrer eigenen Präsentation machen.“

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Wenn nur die Regierung Waffen hat

sue googe

Ich habe den Eindruck, dass unsere hiesigen hysterischen Clinton-Groupies vom kulturellen Mainstream und von den Trump-Wählern in den USA nicht die geringste Ahnung haben. Auch Freiheit heisst in den USA etwas ganz anderes als bei unserem dampfplaudernden Pfaffen Gauck.

Vielleicht hilft dieses Plakat weiter. Als Linker könnte man sofort zustimmen: „Waffen für das Volk“ war immer eine revolutionäre Forderung. Zur Erinnerung:

Da eine gut organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden.

Und was sagt Alice Schwarzer dazu? Oder die Peschmerga?

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Deutsches Finanzkapital har har

Jens Berger informiert auf den Nachdenkseiten über: „Wie deutsch ist die Deutsche Bank?“

Zum großen Reich der Deutschen Bank AG gehören auch tausende Firmen wie die Azurix Corp., die Kingfisher Holdings LLC oder die China Recovery Fund LLC mit Sitz in Wilmington Delaware – einer Steueroase auf amerikanischem Boden, die vor allem für ihre Briefkastenfirmen bekannt ist. Rund jedes zweite Unternehmen, dessen Bilanz in die konsolidierte Konzernbilanz der Deutsche Bank AG eingeht, hat seinen Sitz in Wilmington. Zum Reich der Deutschbanker gehören auch hunderte Firmen wie die Rheingold Securitisation Limited in Saint Helier auf der kleinen Kanalinsel Jersey, die TRS Oak II Ltd. und die DB Alternative Strategies Limited, deren Sitz laut Konzernabschluss in „Georgetown“ liegt … nein, nicht Georgetown in Washington D.C., sondern George Town auf Grand Cayman in der Karibik.

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Hitler, Sex, CIA und Stasi

tenenbomDie Süddeutsche über Tuvia Tenenborn und dessen Buch „Allein unter Deutschen“: „Der New Yorker beschreibt Deutschland als einen düsteren Ort voller Nazis und Antisemiten. Nach dem Zerwürfnis mit Auftraggeber Rowohlt erscheint die Reportage im Herbst beim Verlagsrivalen. Ein einmaliger Vorgang.“

By the way, Süddeutsche: Für Antisemiten ist das Wort „Jude“ negativ besetzt. Deswegen sagen sie „jüdischer Mitbürger“ oder „jüdischer Theatermacher“. Tenenbom ist Jude und Theatermacher, was auch immer das heisst. Soweit alles klar? Puls und Atmung noch normal?

Ich habe mir die Originalausgabe gekauft: I Sleep in Hitler’s Room: An American Jew Visits Germany. Im Prolog heisst es:

In a few instances where this book had the word Jews in it, he demanded that it be changes to Israel. It’s not nice to show that there are Germans who hate Jews. but Isral is a different story; that’s political and the Isrealis, after all, are known to be bad people.

…this country that has not changed since Hitler’s days in power. (…) But Hitler, let us not forget, did not create the Holocaust, he simpley operated im a social environment that invited it. The people were ready. (…) The hate for the Jew then, and the hate of the Jew today, as described in this book, is the same exact hate.

Hat er doch Recht, oder?

Der Deutschlandfunk rezensierte das Buch abfällig: „Tuvia Tenenbom will die Deutschen nicht nur entlarven, sondern sich auch über sie lustig machen“.

Ja, damit kommen Deutsche nicht klar.

„…tendenziöse Gesprächsfetzen, Passagen voller Polemik und Beschimpfungen sowie auffallend viele Reizwörter wie Hitler, Sex, CIA und Stasi:“

Auch deswegen gekauft. SCNR

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Der kranke Mann am Bosporus oder: Nimm dies, Erdogan!

türkei

Credits: Thomas Steiner/Wikipedia/Putzger Historischer Weltatlas/DTV-Atlas Weltgeschichte

Welt online informiert hervorragend über die hierzulande fast unbekannte Geschichte der Kriege zwischen der Türkei (bzw. dem Osmanischen Reich) und Griechenland. Man könnte es aber noch besser machen, wenn deutsche Journalisten auch andere Quellen verlinken würden und nicht nur sich selbst. Zum Beispiel:

Vertrag von Lausanne (1923) (warum verlinkt ihr nicht das Original bei Welt online? Zu faul zum Suchen? Die Leser zu dämlich, um einen englischen Text zu verstehen?

Vertrag von Sèvres (1920): „Der Vertrag von Sèvres bildete die letzte Stufe mehrerer Verträge, Abkommen und Deklarationen seitens der Entente-Mächte, die den Weltkrieg gewonnen hatten. (…) Durch den Vertrag von Sèvres hätte das Osmanische Reich einen Großteil seines Territoriums verloren. (…) Die Unterzeichnung des Vertrags von Sèvres durch seine Bevollmächtigten führte zu einer nachhaltigen Erschütterung des Ansehens und der Autorität des Sultans bei der türkischen Bevölkerung und legte den Grundstein für die spätere Abschaffung der Monarchie. Die Nationalisten in Ankara lehnten den Vertrag ab, erklärten sich zur rechtmäßigen Regierung und leisteten der griechischen Armee im Griechisch-Türkischen Krieg Widerstand. Infolge des Vertrag von Lausanne zugunsten der Türkei revidiert.“

Welt online: Den Plan Atatürks, mit einem militärischen Präventivschlag Mosul in türkische Hand zu bekommen, machten kurdische Aufstände zunichte, die von London aus geschickt gefördert wurden. Schließlich beugten sich beide Parteien dem Spruch des Völkerbundes von 1925 [auch hier kann man einen Link setzen!], der die Region – da mehrheitlich von Kurden besiedelt – dem britisch beherrschten Irak zuschlug.

Ich halte es seit Erdogan mit Karl May: „Man spricht von dem Türken kaum anders als von dem ‚kranken Mann'“.

Übrigens, Erdogan, wenn Du in alten Verträgen herumkramst, um populistisch deine Macht zu sichern bei den geistig Armen deiner Nation: Das könnten wir Deutschen auch, wenn wir nur wieder Karl May läsen, zum Beispiel „Die Liebe des Ulanen“: „Metz war eine echt deutsche Stadt, denn als Lothar der Jüngere seine Länder theilte, kam es nebst Austrasien in den Besitz Ludwigs des Deutschen, also an das deutsche Reich. Nur fortgesetzten französischen Umtrieben und Hinterlistigkeiten gelang es, die Schutzherrschaft über Metz zu erlangen, und im westphälischen Frieden die volle Souveränität über diese wichtige Stadt zu erhalten.“

Und was ist eigentlich mit Straßburg?

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Umatrix

Empfehlenswerte Browser-Erweiterungen: Umatrix für Firefox oder für Chrome bzw. SRWare Iron.

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Elo

chess

Ich habe einen Lauf – die Elo-Zahl ist nicht schlecht, obwohl ich ja gar nicht in einem Verein spiele.

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Spartacus, revisited

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Warum und zu welchem Ende befassen wir uns mit Spartacus? Gegenfrage: Warum gibt es trotz der Präsenz der Figur des Spartacus in Filmen, in Romanen, in der Kunst, in Computerspielen und Fernsehserien und nicht zuletzt in Namen revolutionärer Organisationen kaum ein wissenschaftliches Werk, das sich mit der historischen Person befasst? Jeder kennt Spartacus – er ist die Ikone für den Satz: „Du hast keine Chance, aber nutze sie“. Nur deutsche Historiker möchten nichts von ihm wissen. Das macht neugierig. Man lernt mehr über den diskursiven Mainstream und über Propaganda, wenn man nachschaut, was weggelassen wird.

Ich sagte hier schon:
S.L. Utschenko schreibt 1958 im Vorwort zu A. W. Mischulins: Spartacus – Abriß der Geschichte des großen Sklavenaufstandes (1936) : „Dieses Thema hatten die bürgerlichen Geschichtsschreiber bewußt mit Stillschweigen übergangen, denn sie waren nicht daran interessiert, die Aufmerksamkeit auf geschichtliche Ereignisse zu lenken, die vom Kampf der unterdrückten Klassen gegen ihre Unterdrücker Zeugnis ablegen. In Westeuropa ist die wissenschaftliche Literatur über Spartacus und seine Führung des Sklavenaufstands äußerst dürftig.“

Mischulin ist insofern noch immer ein Standardwerk, als dass er alle antiken Quellen berücksichtigt. Mehr sind nicht dazugekommen. Man kann ihn aber nicht empfehlen: Zu Stalins Zeit wurde bekanntlich die Geschichtsschreibung auf Geheiß der Partei bewusst verfälscht, um „passende“ Resultate zu bekommen: Der Sklavenaufstand wurde zu einer Revolution umgedeutet, die an den Grundfesten der römischen Sklavenhaltergesellschaft rüttelte, also eine Alternative zur herrschenden Ökonomie und dem System, diese zu organisieren, angeboten hätte. Dem war mitnichten so, und die Quellen geben das auch nicht her. (In der DDR war es nicht viel besser. Für Experten: Man denke nur an das vergleichbare Konstrukt „frühbürgerliche Revolution„.)

Was ist eigentlich das Problem? Die bürgerliche Geschichtsschreibung hat immer leugnen müssen und wollen, dass es eine Epoche der „Sklavenhaltergesellschaft“ gab, auch wenn sie dabei die Fakten genauso verbiegen mussten wie auf der anderen Seite Stalin. Slavenhaltergesellschaft meint: Für die herrschende Klasse war es ab einem bestimmten Zeitpunkt am effektivsten und profitabelsten, die gesellschaftliche Arbeit von rechtlosen Menschen, also Sklaven machen zu lassen. Das ist ganz pragmatisch gemeint und hat mit Moral nichts zu tun. Für freie Römer war es unehrenhaft, körperlich zu arbeiten. Die Moral folgt immer der Ökonomie und nicht umgekehrt.

„Ab einem gewissen Zeitpunkt“ heißt: Die Römische Republik war ursprünglich ein Modell, das freie Bauern zu einem Staat organisierte, inklusive Ämterrotation und Volksversammlungen. Die Ökonomie (Produktivkräfte) machten diesem Modell (Produktionsverhältnisse und deren Überbau) aber den Garaus,

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.

Die „Produktivkäfte“ bedeuten am Ende der Republik: Die Bauern wurden ruiniert zugunsten der Großgrundbesitzer mit deren Latifundien. Die Produktion für den immer größer werdenden städtischen Markt verlangte nach „industrieller“ Massenproduktion. Dafür setzte man immer mehr und öfter Sklaven ein; gleichzeitig wanderten ruinierte Bauern und Landlose in die Städte ab.

Wer sich hierzu kurz, aber hervorragend informieren will, der lese Werner Raith: Spartacus (1992). Raith ist das beste Buch zum Thema. Raith fasst auch die marxistische Diskussion zum Thema kritisch zusammen. (Das ist wichtig, weil es keine „Diskussion“ über Spartacus in der bürgerlichen Geschichtswissenschaft gibt – die Fragen stellen sich für die gar nicht.) Rigobert Günther: Der Aufstand des Spartacus (DDR) ist damit überholt.

Das Problem ist: Wie haben die zahlreichen Aufstände der Sklaven gewirkt? Was haben sie verändert? Der Aufstand des Spartacus war der größte, der am besten organisierte, aber bei weitem nicht der einzige – auch nach der Niederlage kämpften einzelne Gruppen noch jahrelang weiter. Mehr dazu hat Brent D. Shaw: Spartacus and the Slave Wars: A Brief History with Documents (2001) (leider in Englisch – aber man kann sich die von ihm zitierten Quellen in deutscher Übersetzung besorgen).

Werner Raiths These: Angesichts der Sklavenaufstände wurde es für die herrschenden Klassen Roms ineffektiv und zu gefährlich, in relevanten Segmenten der Ökonomie Sklaven einzusetzen. Das lässt sich auch durch die Quellen belegen.
Wie die Römer trotz des Sieges über die Sklaven die Sklavenhaltung aufgeben mußten. Bilanz des Sklavenkrieges – Zunehmende Unrentabilität der Sklavenhaltung – Kein Nachschub mehr – Vermehrte „freie“ Arbeit – Weitere Aufstände von Sklaven und Unfreien – Zunahme der Nichtrömer im Römischen Reich – Abbröckeln der römischen Macht – Das Christentum breitet sich als Sklavenreligion aus, behindert aber bald die Sklavenbefreiung – Absterben der Sklavenhaltung im Übergang zum Mittelalter.

Das System der Sklavenhaltergesellschaft als vorherrschende Produktionsform wurde aus vielen Gründen abgeschafft, nicht nur aus Angst vor neuen Aufständen. Man könnte aber die These aufstellen, dass der Wandel des „Überbaus“ von der Republik zur Diktatur des Kaiserreichs durch den Klassenkampf der Sklaven verursacht wurde. (Bürgerliche Historiker können hier leider nicht mitreden, weil für die Klassen und Klassenkämpfe gar nicht existieren bzw. stattfinden.)

Ein schönes Beispiel für eine beschränkte Perspektive ist Markus Schauer: Der Gallische Krieg: Geschichte und Täuschung in Caesars Meisterwerk. Schauer kann man denjenigen empfehlen, die Bellum Gallicum im Original haben lesen müssen (wie ich) und die über ein solides marxistisches Grundwissen über die Antike verfügen. Er bleibt ausschließlich in der wolkigen Sphäre des Überbaus: Was wer warum wohl dachte und was die herrschende Klasse über sich meinte, analysiert das unterhaltsam und treffend und entlarvt Caesars Werk als schlichte Propaganda, die mitnichten über die historischen Fakten informiert. Aber mehr auch nicht.

Nic Fields fehlt uns noch: Spartacus and the Slave War 73-71 BC: A gladiator rebels against Rome (2009). So ungefähr müsste ein aktuelles Werk zum Thema aussehen. Auch Fields ist ein Marxist, der im wesentlichen so argumentiert wie Raith, aber zahllose Bilder, auch über archäologische Funde, machen das Buch unterhaltsam. Leider ist es auch in Englisch und für die Nachgeborenen vermutlich zu schwierig zu lesen.

Fazit für die, die etwas über Spartacus wissen wollen: Raith kostet rund einen Euro. Kaufen, solang der Vorrat reicht!

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Wir wollen Ergebnisse und das Rechtssystem

Der NDR berichtet über Freisprüche und über die Richterin im Prozess um die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht: „In ihrer Begründung kritisierte die Vorsitzende Richterin am Hamburger Landgericht am Dienstag die Ermittlungsbehörden scharf. Sie sei geschockt, wie leicht das Rechtssystem zu erschüttern sei, wenn die öffentliche Meinung und die Politik Ergebnisse sehen wollten.“

Ich nicht. Ich hatte ja mal ein ähnliches Problem während des Medienhypes um „Bombenbauanleitungen im Internet“.

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Rare Photo of Karl Marx

lesson

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Das neue Terrain des Klassenkampfs

streik

Kim Moody spricht mit Analyse & Kritik (früher „Arbeiterkampf“ vom KB/Nord) über Gewerkschaften und den Klassenkampf. Er meint, die Chancen für eine kämpferische Arbeiterbewegung in den USA stünden so gut wie selten.

Die Arbeit ist in den letzten 30 Jahren sehr viel härter geworden – und wird es noch. Das geschah durch Lean Production, die die Arbeitszeit pro Produkt bzw. Dienstleistung erheblich reduziert hat und an Just-in-time-Produktion gebunden ist. Lean Production begann in den 1980ern in der Autoindustrie, aber inzwischen gibt es sie auch in Krankenhäusern, Schulen, eben überall.

Ein weiterer Aspekt ist die elektronische Kontrolle, Messung und Überwachung, die es Arbeitgebern ermöglicht zu erkennen, wie sie mehr Arbeit aus buchstäblich jeder Minute herausholen können. Auch die Pausenzeiten sind seit den 1980ern dramatisch gesunken. (…) Die andere Seite ist das Einkommen. Die Reallöhne sind seit den frühen 1970ern gesunken. Immer mehr Leute arbeiten für weniger Geld als früher.

Über die Logistikrevolution in den USA: Der ganzen Outsourcing-Idee der 1980er lag das Ziel zugrunde, große Arbeiterkonzentrationen in Orten wie Detroit, Pittsburgh oder Gary zu zerschlagen. Nun haben die Unternehmen unbeabsichtigt gewaltige Ballungszentren manueller Arbeiter geschaffen.

Damit hat er sicher recht (vgl. die Streiks bei Amazon). Was im Interview noch nicht vorkommt ist, dass viele Produktionstandorte durch 3D-Printing mobil werden.

Moodys Idee ist somit: Wenn die Zahl der an einem Ort beschäftigten Arbeiter in der Produktion abnehme, nähme sie gleichzeitig bei der Logistik zu, bzw: das System der Logistik könnte ein Ansatzpunkt für Klassenkampf sein, da es sehr anfällig ist – z.B. für Sabotage: …dass diese Cluster durch Just-in-time-Systeme miteinander verbunden sind. Es gibt also Hunderte, vielleicht Tausende hochsensibler Punkte im Transportsystem. Wenn die Arbeit an einem Ort stillsteht, kannst du schnell riesige Gebiete lahmlegen. (…) Normalerweise dauert es eine Generation, bis die Beschäftigten sich über die Macht klar werden, die sie haben, und begreifen, an welchen Punkten sie ansetzen müssen.

Moody: Die Produktivität hat sich verdoppelt, die Zahl der Industriearbeitsplätze hat sich mehr als halbiert. Die Produktivitätszuwächse sind der Grund für den Jobabbau. Das hatten wir schon als Feature des Kapitalismus im „Kapital“ von Karl Marx: Der Wertanteil des variablen Kapitals sinkt, wenn sich die Produktivkräfte entwickeln (je ein Arbeitsplatz schafft mehr Wert).

Der Job Futuromat zeigt übrigens sehr gut an, wie sich das gestalten wird – immer mehr Arbeitsplätze werden durch Roboter ersetzt.

Moodys Einwand hierzu: Mich erinnert das an die großen Automatisierungsängste der 1950er. Damals war es äußerst beliebt, das Verschwinden der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter vorherzusagen. Automatisierung hat die Zahl der Fabrikarbeiter ja auch tatsächlich reduziert. Trotzdem gibt es noch acht oder neun Millionen von ihnen allein in den USA – trotz all der technologischen Neuerungen, die die wildesten 1950er-Jahre-Fantasien in den Schatten stellen.

Moody fordert die Gewerschaften auf, koordiniert vorzugehen. „Darüber müssen sie anfangen nachzudenken…“ Da sehe ich allerdings schwarz.

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