Arbeiter der Stirn und Arbeiter der Faust oder: Nicht nur eine Frage des Stils

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Cottbus 2005, Foto: Burks

Nach dem Fall der Mauer, aber noch vor der Wiedervereinigung, war ich für eine Recherche über die Neonazis von Guben zum ersten Mal in meinem Leben in Cottbus. Man hatte mir den Lokalredakteur des „Neuen Deutschland“ empfohlen. Der wisse alles und brauche nur über die Strasse zu gehen und hätte schon eine neue Geschichte.

Offenbar war ich der erste Wessi dort, der Kollege, ein alter Mann, empfing mich herzlich. Wir saßen bis spät in die Nacht auf irgendeinem Platz und diskutierten die Weltlage. Ich durfte in einem Hinterzimmer der Redaktion übernachten.

Am nächsten Morgen – für mich viel zu früh – gab es Frühstück in der Redaktion. Eine Handvoll Journalisten saßen am Tisch, und auch die Putzfrauen. Alle diskutierten gleichberechtigt. Ich spürte es – die nicht vorhandene Hierarchie war ernst gemeint. Es war einfach selbstverständlich, dass „Reinigungskräfte“ (wie man heute zu sagen pflegt) und Journalisten an demselben Tisch saßen.

Kann man sich das vorstellen? Putzfrauen und Redakteure vom „Spiegel“, von der FAZ, von der „Tageszeitung“, zusammen mit der Putzkolonne des Hauses am Frühstückstisch? Und wenn nein, warum nicht?