Die Sehnsucht, moralisch überlegen zu sein

Vor einem Jahr schrieb Harald Martenstein Markus Günther in der FAZ: „Nichts tut so gut wie das Gefühl, gegen Rechts zu kämpfen. Denn dann steht man garantiert auf der richtigen Seite. Wenn es stimmt, was Franz Werfel einst schrieb, dass nämlich neben dem Geschlechtstrieb kein Bedürfnis das Handeln des Menschen so sehr bestimmt wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit, dann ist leicht zu verstehen, warum der Kampf gegen Rechts solche Energien freisetzt: Er belohnt den Kämpfer mit einem maßlosen, ja mit dem denkbar größten moralischen Sieg überhaupt.“

Ich hatte das schon 2004 in Telepolis angemerkt – da gab es noch keine AfD: „Der Kampf gegen Rechts ist die moderne Form des mittelalterlichen Exorzismus und wird gleichfalls mit magischen Ritualen geführt“. Vgl auch meinen damaligen Artikel in der Taz: „Der kategorische Imperativ in der protestantisch geprägten Alltagskultur lautet: Habe die richtigen Gefühle, dann wird alles gut.“

Es hat sich nichts geändert.

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Kommentare

10 Kommentare zu “Die Sehnsucht, moralisch überlegen zu sein”

  1. flatter am Juni 22nd, 2016 11:39 am

    Wenn es stimmt, was Franz Werfel einst schrieb […]

    Ein Konditional ist wahr, wenn die Bedingung falsch ist, es kann den Text trotzdem völlig verhunzen,

  2. godwin am Juni 22nd, 2016 11:43 am

    da steht aber „von MARKUS GÜNTHER“ und nicht „Harald Martenstein“

    aber danke für die Links :)

  3. godwin am Juni 22nd, 2016 12:05 pm

    btw – und spropos

    „Aber vielleicht schon überlegen, wie der „Kampf gegen rechts“ geführt werden soll, wenn die braunen Kameraden ein Drittel der Wähler erobert haben“

    die Tendenz geht ja dahin. die Frage – und ich hoffe die bekomm‘ ich auch mal beantwortet – lautet:
    was würde der Herr Blogbetreiber für eine brauchbare Strategie halten, damit sich etwas ändert?
    – verordnete staatliche Programme – Mist
    – selbsternannte Antifa – auch Mist

    wer sollte also wie über das Thema sprechen, damit es etwas nützt??

  4. Pjotr56 am Juni 22nd, 2016 2:06 pm

    Hi burks,

    wichtige Texte zur Orientierung in einer 2004 schon ernsthaft erkrankten und inzwischen sterbenden Demokratie.
    In der FAZ wird als Autor Markus Günther genannt.

    Herzliche Grüße aus NRW
    Pjotr56

  5. joscha am Juni 22nd, 2016 2:47 pm

    Dann ist also per se jeder der gegen „Rechts“ kämpft ein Linker? Das scheint mir doch sehr zweifelhaft.
    Das Hauptbestreben derjenigen, die gegen Rechte Politik und Gesinnungen kämpfen, liegt hauptsächlich in der Sehnsucht begründet zu den „Guten“ zu gehören.
    Also, das ist aber mal wieder Blödsinn und wird auch nicht richtiger, indem noch auf sich selbst verwiesen wird.
    Selbstreferentialität scheint mir eines der Hauptprobleme unserer Zeit und Gesellschaft. Hier findet der geneigte auch immer wieder genügend Beispiele.

    Wieso werden neben Bröckers und Schockwellenreiter nicht auch noch die Nachdenkseiten und Compact „rechts“ verlinkt, frage ich mich schon seit längerem.

  6. ... der Trittbrettschreiber am Juni 22nd, 2016 3:28 pm

    …die AFD könnte man also als potentiellen Märtyrer im Dienste der moralischen Überlegenheit ansehen? Schließlich bietet sie den schon lange gefrusteten Auf-der-richtigen-Seite stehenden (bzw. liegenden) „Schläfern“ endlich die Gelegenheit, gegen „rechts“ zu ;-)… „kämpfen“. Ist das so zu verstehen?

  7. Wolf-Dieter am Juni 22nd, 2016 5:07 pm

    Das Bedürfnis, sich zur „Gemeinschaft der Guten“ zu rechnen, ist ein urtümlich menschliches, und es ist nicht zu verachten. Dass sich die „Guten“ zu den „Linken“ zählen, bedeutet dann eben eine Bedeutungsverschiebung des Begriffs „links“ weg von der Politik hin zu Selbstbild.

    Das war schon in den Siebzigern so. Ich erinnere mich noch deutlich an Siggis sarkastisches „So-Li-Da-Ri-Täterätä“.

  8. eb am Juni 22nd, 2016 6:23 pm

    Moral ohne reflektierende Tiefe ist so wertlos wie jeder glaubt Moral definieren zu können. Nur aus diesem Grund, glaubt auch jeder Rechter auf der moralisch richtigen Seite zu sein. Moral ist das erste von welchem Rechte reden und in der Regel ist es immer ihre eigene. Das ist der Unterschied zum linken Moralempfinden. Niemand behauptet das es besser ist, – aber auf jeden Fall tiefer. Und wenn es nur die Sehnsucht danach es, es besser zu versuchen. Insofern würde ich das nicht mit Logik oder brachialen Einfachheiten ala Martenstein in Verbindung bringen wollen.

  9. eb am Juni 22nd, 2016 8:08 pm

    @joscha (2:47)
    Also mein Bestreben liegt nicht darin zu den Guten zu gehören. Aber ich weiß, dass Menschenliebe besser ist wie Menschenverachtung. Schlicht und einfach -, besser für alle Menschen. Nicht nur für mich. Ich erwähne das nur, weil ich mich mit der generellen Argumentation, nicht so wirklich anfreunden kann. Zu wenig „radikale“ Menschenfreunde für mich. „Radikale“ Linke, muss ich deshalb, auch trotz eigener Sympathie dafür, aus verschiedenen Gründen auch erst mal sekundär betrachten. Das eine, lässt sich leider nicht immer mit dem anderen verbinden.

  10. tm852 am Juni 22nd, 2016 9:56 pm

    Das wird in Zukunft keine Kunst mehr sein, so gross wie die SPD zu werden. Wenn diese sogenannten Genossen erstmal erfolgreich die verdiente 5% Huerde gerissen haben. Was zur Hoelle soll der normale Perso Besitzer den waehlen? Die Parteien die es gut meinten, haben es nur gut gemeint. Die anderen Parteien wurden Assimiliert. (https://youtu.be/zE5BFAzkGgM ab 5min). Wenn Wahlen was aendern wuerden waehren Sie verboten. Selbst dieser Brexit ist ein Witz fuer Bloede, nettes Theater aber nix dahinter. Das Unterhaus entscheidet wer, wann, wie. http://www.welt.de/politik/ausland/article156407529/Beim-Brexit-duerfte-das-Parlament-das-Volk-ignorieren.html In der realen BRD wurde nicht mal gefragt.
    Also was solls, wenn da mal ein paar die AFD waehlen, gut Sie sind gegen Ihre Waehler. Unterstuetzen die Reichen und sind auch sonst nicht so cool. Aber wie sieht es mit den anderen Mitspielern aus? Bis jetzt haben die Leute nur die Gewaehlt die fuer Sie wahren… nun probieren Sie halt mal was anderes aus. <:-)
    Was will man oder Frau von so einem Ein"Bild"ungssystem erwarten?
    http://blogs.faz.net/stuetzen/2010/02/14/spaetroemische-dekadenz-und-berlinrepublikanischer-bildungsmangel-1022/

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