Primatologie oder: Genderorientierte Pseudowissenschaften

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Das wird aber einen #aufschrei geben. In der FAZ (via Fefe) liest man die Sätze: „Die ‚Gender Studies‘ haben Fachbereiche und Schulfächer fest im Griff. Kritik ist unerwünscht. Wer aufbegehrt, wird – mindestens – als ‚reaktionär‘ bezeichnet. Die genderorientierten Curricula halten aber wissenschaftlichen Ansprüchen keineswegs stand.“

Bei Fefe steht noch: „Auf einer Veranstaltung von Evolutionsbiologen in San Jose, auf der Kreationismus als Pseudowissenschaft besprochen wurde, haben US-Forscher auch über Deutschland gesprochen und dabei „Genderismus“ als Form der kreationistischen Pseudowissenschaften betrachtet.“ (Vgl. auch Ulrich Kutschera zum Thema Genderismus)

Das Thema ist natürlich hervorragend geeignet, Vorurteile und das Wünschen und Wollen zu bestätigen, das die jeweilige Partei schon hat. Einige Thesen auf der betreffenden Website, die auf „den“ Feminismus – oder gar den Staatsfeminismus“ – einprügelt, scheinen mir jedoch sehr kühn.

Allerdings – das macht neugierig – wurde ein Statement Kutscheras über Genderismus als Pseudowissenschaft im atheistischen Humanistischen Pressedienst zensiert [Original bei ruhrbarone.de], was auf erhebliche Nervösität einiger Leute schließen lässt. Die FAZ schreibt: „Anstatt sich mit diesem Vorwurf inhaltlich auseinanderzusetzen oder eine Gegendarstellung zu verfassen, veranlasste man durch einflussreiche Protagonisten die Zensur. Es könnte ja andernfalls eine unliebsame Diskussion aufkommen, die allerdings kaum zu befürchten ist.“

Wikipedia: „Kutschera ist Mitglied im Beirat der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung zur Förderung des evolutionären Humanismus und Autor zahlreicher Lehrbücher. (…) Zu wissenschaftspolitischen Auseinandersetzungen führte seine Auffassung, die Geisteswissenschaften sollten sich aus den ‚inneren Angelegenheiten und Fragestellungen‘ der Naturwissenschaft heraushalten…“ Das halte ich für Unfug, schon allein deshalb, weil sich auch die Geisteswissenschaften daran messen lassen müssen, dass ihre Theoreme falsifiziert und verifiziert werden. Das gilt für Marx und Popper gleichmaßen. Und ist etwas die Mathematik keine Geisterwissenschaft?

Wenn aber zum Beispiel keine der Wissenschaftlerinnen einen harmlosen Fragebogen von Günter Buchholz ausfüllt, der schlicht nachfragt, wie es mit der Empirie und den Methoden so steht, sagt mir das nur eines: Entweder hat Letzterer schon ins Fettnäpfchen getreten (was offenbar zutrifft) und wird somit „sozial“ geächtet, oder irgendwelche Nerven liegen blank, was darauf schließen lässt, dass die Betreffenden ziemlich unsicher sind.

Die Süddeutsche schreibt:
Ein Mann aus Kassel, im persönlichen Umgang freundlich, gewitzt, charmant, hat ebendort für einen Knalleffekt gesorgt. Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera fordert von den Geisteswissenschaftlern, sich aus den „inneren Angelegenheiten und Fragestellungen“ der einzig wahren, der Naturwissenschaft herauszuhalten und anzuerkennen: „Nichts in den Geisteswissenschaften ergibt einen Sinn außer im Lichte der Biologie.“
Kutschera ist für seinen mitunter brachialen Kampf gegen die Kritiker der Evolutionstheorie bekannt. Er sieht sich als Streiter für eine ideologiefreie Naturwissenschaft und muss sich doch immer wieder Anwürfen erwehren, er betreibe ein weltanschauliches Geschäft, ja er wolle recht intolerant zum Materialismus bekehren.

Der größte Irrtum Kutscheras ist, dass er meint, es gebe „ideologiefreie“ Wissenschaft. Das gilt noch nicht einmal für die Mathematik. Ich empfehle hierzu zum Beispiel Edgar Zilsel: Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft, 1976 erschienen – so etwas Anspruchsvolles würde heute weder verlegt noch gelesen. Zilsel „musste als Vertreter marxistischer Auffassungen aus politischen Gründen auf eine Universitätskarriere verzichten. Er betätigte sich aktiv in der Volksbildung und unterrichtete ab 1934 als Mittelschullehrer Mathematik und Physik in Wien.“ Auch in den USA, in die er emirgierte blieb er isoliert und beging später Suizid. Ich glaube nicht, dass Kutschera ihn kennt.

Offenbar hat er ein Problem mit feministischen Frauen, was an sich nicht schwierig ist, aber der Furor, der jede Leichtigkeit des Seins und Argumentierens vermissen lässt, gibt mir zu denken. Man muss sich ja nicht auf das Niveau der Gegenseite herablassen.

By the way: Die zentrale Idee der Gender Studies, dass „Geschlecht“ ein kulturelles Konstrukt sei, ist sicher richtig.

Leider ist diese Idee, wie auch der Sozialismus, in die Hände der Deutschen gefallen, ja noch schlimmer, in die Hände kleinbürgerlicher deutscher Frauen (gemeint sind die „neuen Mittelschichten“, aus denen die Gender-Studies-Professorinnen fast immer stammen), die das Thema zur säkularen Religion stilisieren – was schon zuerst an der verschwurbelten Sprache zu erkennen ist, wie man sie aus Sekten kennt.

Ein typischer Irrtum des Bildungsbürgertums – aber von dessen Klassenstandpunkt verständlich – und derjenigen, die dazugehören wollen, ist ja die rührend-naive Idee, dass der gesellschaftliche Aufstieg durch Verhalten oder Erziehung garantiert werde, was die herrschende Klasse natürlich zu einem Hohngelächter animiert. Sprachpolizeiliche Maßnahmen stehen auf einer Stufe mit Erziehung und Moraltheologie – alles irrelevantes Feuilleton. Die Macht kommt aus dem Gewehrläufen oder fußt auf dem Besitz von Produktionsmitteln und hatte noch nie etwas mit zivilisatorischen Verhalten zu tun. Neue Wörter gegen Sexismus sind so etwas wie „fairer“ Lohn oder „faier“ Handel, also Quatsch.

Lieber Herr Professor Kutschera: Frauen werden immer noch diskrimiert. Dem kommt man zwar nicht mit Gender Studies bei, genausowenig wie man Aberglauben und fromme Märchen mit feministischer Theologie bekämpfen kann, aber das ist kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten.