Die Grenzen des Meinbaren

„Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.“ – Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher, Heft G (13)

Fefe schreibt über den Tod Schirrmachers:
Meine letzte offene Streitfrage mit ihm war, ob man offen fordern kann, dass die Geheimdienste geschlossen werden müssen, oder ob man sich damit seine Argumentation kaputt macht, weil man als unrealistischer Fundamentalist gesehen wird. Er hatte wahrscheinlich Recht mit seiner Vorsicht.

Interessant, wie das funktioniert. Offenbar muss man sich erst in den Mainstream-Medien umsehen, was „man“ so meint und wo die Grenzen des Denk- und Meinbaren sind. Wer ausschert und etwa ruft, dass der Kaiser nackt sei, ist gleich „unrealistischer Fundamentalist“.

Mit der Systemkritik ist es ja eh schon so. Seitdem der erste Versuch, auf deutschem Boden einen sozialistischen Staat zu errichten, kläglich gescheitert ist, gilt man als „unrealistischer Fundamentalist“, wenn man Begriffe wie „das Kapital“ (im Marxschen Sinn) oder gar Klassenkampf auch nur ausspricht. Die Systemfrage darf in deutschen Medien nicht gestellt werden. Die so genannte freie Marktwirtschaft(TM) ist in den vernebelten Köpfen der teleologische Sinn der Evolution des Homo sapiens und das Ende der Geschichte. Danach kann es angeblich nichts mehr geben – freiwillige ideologische Selbstkontrolle eben. Damit kennen sich die Deutschen ja aus.

Ich dachte, naiv wie ich bin, dass man eine Meinung hat und die vertritt, ganz gleich, ob man auf allen Zehen herumtrampelt oder alle Bärte abfackelt. Ich dachte und denke nicht, dass man mit Meinungen taktisch umgehen sollte.