Nicht giftig

kneipe

Vermutlich hat sie nicht gemerkt, wie ich sie gemustert habe. Ihr Lachen war ein wenig zu laut, als sei sie sich unsicher, dass es an diesem Ort passend war. Eine bildhübsche Studentin in einer waschechten Proletarier-Kneipe, morgens um sieben Uhr in Rixdorf.

Sie wirkte wie ein rosa Baby-Flamingo, der in einen Hühnerstall geraten ist. Und neben ihr dieser Kerl im Fischgrätmantel, dem die Attitude des Briebswirtschafts- oder Jura-Studenten aus den Knopflöchern quoll. Beide redeten ununterbrochen aufeinander ein, und nur pseudophilosophische Weisheiten auf Glückskeks-Niveau und anderen unsinnigen Smalltalk, als wenn sie sich nicht nicht trauten, einfach miteinander ins Bett zu gehen.

Sie tranken etwas Grünes, das giftig aussah, aber offenbar ein Mode-Getränk ist, was „man“ jetzt trinkt, und sie gab mir generös – auf Kosten ihres Begleiters – einen aus, weil ich fragte, was das sei. Ich war müde und leicht angetrunken und beobachtete lieber, anstatt sie anzuflirten, was im Beiseins des Fischgrät-Jungspunds lustig und bestimmt unterhaltsam gewesen wäre.

Ich habe mir die Szene notiert – daraus kann man einen Roman-Anfang drechseln… Ein Grund mehr, in solche Kneipen zu gehen. Da trifft man auf zwei Quadratmetern mehr Charaktere als auf einem Hektar in den Etablissements der alternativgrünen Mittelschichten.