Prisoners

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Vor ein paar Tagen habe ich mir, zusammen mit meiner Lieblingsfreundin, „Prisoners“ vom kanadischen Regisseur Denis Villeneuve angesehen. Ich lese vorher möglichst wenig Kritiken, damit ich nicht voreingenommen bin, und in diesem Fall wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartete. Der Plot, naja, Hollywood eben: Familie wird auseinandergerissen und kommt wieder zusammen. Wie immer halt.

Ich wurde aber auf’s Angenehmste überrascht: „Prisoners“ ist ein nervenzerreißender Thriller, der einen keine Sekunde langweilt (außer den ersten drei Minuten natürlich, in denen ein heiles US-amerikanisches Kleinstadt-lower-middle-class-Leben geschildet wird). Und nicht nur das: Man muss sich auch noch mit unbequemen moralischen Fragen herumschlagen, die niemand beantworten kann. Kurzum: Ganz großes Kino, auch wenn der Mainstream es ebenso empfiehlt. Unbedingt empfehlenswert.

Welt online schreibt: „Prisoners gehört zu jener Sorte Film, die einen gefangen nehmen fast im wörtlichen Sinn: Man fühlt sich als Geisel, dazu verdammt, im Kinosessel festgenagelt alles mitzumachen bis zum befürchtet-bitteren oder dem erhofft-erlösenden Ende.“ Aber noch mehr: Wenn man denkt, man habe den Plot so einigermaßen begriffen und sei nicht in alle Whodunnit-Fallen getappt (nein, Dover (Hugh Jackman) ist nicht der Täter, obwohl diese unwahrscheinlichste aller Lösungen zwischendurch auch kurz plausibel wird), wird es erst richtig spannend.

Simon Weaving auf Screenwize.com meint (via Rotten Tomatoes): „his moody police procedural with Jake Gyllenhaal in sublime form may be nearly three hours long, but it’s worth every minute.“ Genau so ist es. Christopher Orr von The Atlantic sagt es so: „well beyond the comfort zone of the typical Hollywood product“.

Ja, eine Entführungsgeschichte: Väter suchen Töchter. Wie weit würde man gehen, um herauszufinden, wo sie sind, wenn man jemanden in seiner Gewalt hat, von dem man glaubt, dass er der Täter ist – und wenn die Polizei vermeintlich nur schlampig ermittelt? Auch der Polizeiermittler Loki (Jake Gyllenhaal) ist als Figur sehr vielschichtig und ein grandioser Gegenspieler des Helden. Wir hatten das Thema in Deutschland in den Medien und an den Stmamtisch – im Daschner-Prozess; juristisch geht es um § 104 des Grundgesetzes (der vielen im Wortlaut gar nicht bekannt ist und von der Polizei oft ebenso missachtet bzw. umgangen wird).

„Prisoners“ ist, wie der australische Standard schreibt, zweifellos „one of the best films of the year“.

Wenn man etwas kritisieren könnte, dann nur die Tatsache, dass der Film ziemlich anspruchsvoll ist und sogar an meine Grenzen ging, was Gewalt angeht (ich dachte, ich hätte keine). Im Kino unseres Vertrauens saßen ein paar Reihen hinter uns ein paar junge Männer mit ihren Tussys, die ständig quatschten, lachten und rausrannten, um zu telefonieren. Vermutlich mussten sie so die unerträgliche Spannung kompensieren, oder sie verstanden gar nicht, worum es ging. Das hörte erst auf, als ich meine Stimme erhob und etwas pädagogisch Wertvolles sagte (junge Männer, auch der arabischen und türkischen Art, reagieren auf energische Ansprachen, wenn die glaubwürdig rüberkommen.)

Gleichzeitig hatte eine wunderschöne junge Dame, die überraschenderweise allein im Kino war, schon die Aufsicht geholt, die aber nicht mehr eingreifen musste. Ich kam mit ihr nach dem Ende des Films noch ins charmante Gespräch. Ich mag energische Frauen, die auch noch schön und klug sind (sie hatte gerade ihr Studium beendet und war frisch nach Berlin gezogen.) Leider waren unsere Pläne, was den Rest des Abends anging, nicht kompatibel. Immerhin besitzt sie jetzt meine Telefonnummer, ich aber nicht die ihre, weil ich vergaß, danach zu fragen. What a pity…