Die Privatsphäre im Verwertungsprozeß des Kapitals

„Der Idee zufolge, die die bürgerliche Gesellschaft von sich hat, kann das System der freien Konkurrenz sich selbst regulieren; ja, nur unter der Voraussetzung, dass keine ausserökonomische Instanz in den Tauschverkehr eingreift, verspricht es, im Sinne der Wohlfahrt aller und der Gerechtigkeit nach dem Maßstab individueller Leistungsfähigkeit zu funktionieren. (…)

Staatliche Eingriffe ohne Ermächtigung durch ein Gesetz sind, ihrem soziologischen Sinne nach, nicht primär darum verwerflich, weil sie naturrechtlich statuierte Prinzipien der Gerechtigkeit verletzten, sondern einfach, weil sie unvorhersehbar wären und darum genau die Art und das Maß an Rationalität versagten, das im Interesse der kapitalistisch fungierenden Privatleute liegt.“ (Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied und Berlin 1962)

Sehr aktuell, der Mann. Das Wort „privat“ gibt es im Deutschen erst seit dem 16. Jahrhundert. Man sollte sich mal Gedanken darüber machen, wie unsere Idee der „Privatsphäre“ mit der kapitalistischen Ökonomie zusammenhängt und den mehr oder minder religiösen Ideen, die darüber im Umlauf sind.

„Private Autonomie, die ihren ökonomischen Ursprung verleugnet (…) spielt ihre genau umschriebene Rolle im Verwertungsprozeß des Kapitals. sie garantiert als ein genealogischer Zusammenhang die personelle Kontinuität, die sachlich in der Akkumulation des Kapital besteht und im Recht auf freie Vererbung des Eigentums verankert ist. Vor allem dient sie, als eine Agentur der Gesellschaft, die Aufgabe jener schwierigen Vermittlung, die beim Schein der Freiheit die strenge Einhaltung der gesellschaftlich notwenigen Forderungen dennoch herstellt.“ (ebd.)