Vorgestern habe ich mir Quentin Tarantinos Film „Django Unchained“ angesehen. Für die, die eh nicht weiterlesen: Uneingeschränkt empfehlenswert, insbesondere für Jugendliche, die wissen wollen, was Rassismus ist. (Leider verbietet es der so genannte „Jugendschutz“ die Zensur in Deutschland, dass Jugendliche sich den Film in Kinos ansehen.) Die männlichen Schauspieler Jamie Foxx, Christoph Waltz, Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson sind gleichermaßen herausragend, die Frauen eher nur Statisten.
In Deutschland hätte ein Film die „Django Unchained“ nie entstehen können, dazu sind deutsche Regisseure und Produzenten viel zu eingeschüchtert und an den opportunistischen und politisch „korrekten“ Mainstream angepasst. Man stelle sich nur vor, in einem „Tatort“ sagten Schauspieler unentwegt „Neger“! In Deutschland kann man Rassismus noch nicht einmal an Beispielen benennen, weil die Begriffe, die früher alle hemmungslos nutzen, sogar aus Kinderbüchern gelöscht werden. Tarantino sieht das entspannt: „Wie soll ich einen Film über Rassismus machen, wenn die Rassisten sich nicht rassistisch benehmen dürfen? (…) Heute sind viele Leute zu brav geworden – diese Feigheit macht die Filme nicht besser.“
Ich hatte bewusst vorher keine Rezensionen gelesen, um nicht voreingenommen zu sein. (Eine Auswahl englischer Rezensionen auf Rotten Tomatoes, von den deutschen ist die ungewohnt linkfreie auf Telepolis lesenswert.) Daher wurde ich von der „Deutschlastigkeit“ überrrascht: Eine verallhornte Version des Nibelungenlieds, Richard Wagner und Beethoven werden ausführlich erwähnt – in einem Western! -, und Christoph Waltz, obzwar Österreicher, erinnert, auch in seinem gewollten skurrilen Pathos, doch stark an Old Shatterhand. Für US-Amerikaner fehlen eigentlich nur eine Kuckucksuhr und Sauerkraut, um alle Vorurteile, was „deutsch“ sei, zu komplettieren. Ich habe mir vorgenommen, den Film noch einmal im Original zu sehen, weil der Sprachwitz und der Mischmasch zwischen Englisch und Deutsch durch die Synchronisation leider zum Teil verloren gehen.
Man kann den Film als Bildungsbürger sehen und sich am Ritt durch die Geschichte mehrerer Genres und deren Zitate und Verweise erfreuen; man kann ihn aber auch als normalen Western anschauen. Mir hat besonders die Rolle des schwarzen Stephen (Samuel L. Jackson) gefallen, der als freigelassener Sklave demonstriert, dass Rassismus als Attitude in den Köpfen festsitzt – bei „Tätern“ und „Opfern“. Tarantino war schon immer gut darin, der Mittelschicht und deren kultureller Lautsprechern – dem Feuilleton – auch um die Ohren zu hauen, dass die „keine Gewalt“-Pose doch eher eine hilflose und unpolitische Attitude ist. Und im Gegensatz zu den Western, in denen Clint Eastwood als einsamer Held am Schluss gegen Sonnenuntergang reitet, werden in „Django Unchained“ die Unterdrückten durch die Führerfigur auch nicht zur Rebellion angestachelt, was wesentlich realistischer ist.
Dass Franco Nero kurz auftaucht, ist eine wunderschöne Referenz für Freunde des harten europäischen Makkaroni-Westerns und sehr „Tarantino-like“.
Man kann sich über die „Fehler“ des Films echauffieren: Dynamit, mit dem der Held die Bösen um Schluss in die Luft jagt, war zu der Zeit, als der Film spielen soll, noch gar nicht erfunden, und vieles andere mehr. Im Kino ist jedoch alles erlaubt, und ein Django ohne Dynamit geht einfach gar nicht.
„Western“ meint weniger einen geografischen Ort – Outland – Planet der Verdammten ist auch ein „Western“, aber im Kostüm eines Science-Fiction-Films. Wie schon im Italo-Western vorexerziert, klammert Django Unchained das ursprüngliche Thema der klassischen Western aus – der Konflikt mit den Indianern existiert nicht. „Django Unchained“ ist eher ein „Southerner“, weil der Plot in den Südstaaten vor dem US-amerikanischen Bürgerkrieg spielt.
Eine Szene habe ich zuerst gar nicht verstanden, ich dachte, sie sei fehl am Platz und auch gar nicht lustig. Eine Horde weißer Reiter mit übergezogenen weißen Kapuzen versucht, die beiden Kopfgeldjäger abzuknallen, und das Vorhaben scheitert daran, dass die Löcher der Kapuzen so schlecht gemacht sind, dass niemand etwas sehen kann, und die Bande – fast schon wie bei Monthy Python – sich vor dem geplanten Überfall in absurde Diskussionen darüber verzettelt, wer schuld daran ist. Jeder weiß, dass der Ku Klux Klan gemeint ist, aber deren Kapuzen sehen anders aus. Erst bei der Recherche fiel mir dann ein, dass der Ku Klux Klan erst später gegründet wurde und zum Zeitpunkt, an dem „Django Unchaiend“ spielen soll, noch nicht existierte. Wenn man das weiß, ist die Szene natürlich witzig. (Warum, zum Henker, zensiert das deutsche Wikipedia den Link zur Website des KKK? Wieder mal freiwillige Selbstkontrolle oder was, ihr Pappnasen? Ich habe den Link eingefügt, mal sehen, wie lang der bleibt.)
![Zensur](http://www.burks.de/burksblog/pix/2013/03/030313_1.jpg)
Der ursprüngliche „Django„-Film aus dem Jahr 1966 ist laut Oberster Landesjugendbehörde unfreiwilliger Selbstkonstrolle deutscher Zensurbehörde für Jugendliche zwischen 16 und 18 angeblich „nicht geeignet, die aktuelle Version Tarantinos ist jedoch für diese Alterstufe freigegeben, obwohl „Django Unchained“ wesentlich „blutrünstiger“ daherkommt – eine der unzähligen Absurditäten des so genannten „Jugendschutzes“.