Intellektuell begabte Menschen in guter Gesellschaft

Ulli H. Boldt

Ulli Herbert Boldt war Anfang der neunziger Jahre einer der umtriebigsten Neonazis Deutschlands, ein Aktivist der 1992 verbotenen Nationalistischen Front, des ehemaligen „Nationalen Infotelefon-Berlin“, der Nazi-Wählergemeinschaft „Die Nationalen e.V.“, des rechtsextremen Studienzentrum Weikersheim“ des furchtbaren NS-Marinerichters Filbinger. Boldt war zudem Vorsitzender der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen und organisierte Gedenkmärsche für Rudolf Heß.

Heute arbeitet er Rechtsanwalt in Berlin-Wilmersdorf und ist eingebunden im Berliner Maximal Club, dem „Business Netzwerk des Tagesspiegels“, einem „einzigartiges Kommunikationsforum für Berliner Unternehmer“. Die „Medienberaterin“ Heike Harrandt stellt Boldt in einem Youtube-Video (vgl. Screenshot oben) persönlich vor. Beim Tagesspiegel weiß man nichts von Boldts Biografie. Harrandt sagte auf Anfrage, sie habe im Internet nichts über ihn gefunden.

Ist Ulli H. Boldt ein Nazi-Aussteiger, der sich vom Saulus zum Paulus wandelte, die „Jugendsünden“ bereut, sie reflektiert und aufgearbeitet hat? Das darf bezweifelt werden: Boldt fiel seit seinem angeblichen Ausstieg eher dadurch auf, dass er vergeblich versuchte, seine Vergangenheit zu verschweigen. Der Landesvorstand der Jungen Union schloss Boldt, der im Verband Königswusterhausen Unterschlupf gesucht hatte, wegen seiner Vergangenheit aus (Telepolis, 17.03.2005, Focus 44/1997).

Ulli H. Boldt

Wenig später tauchte Boldt dann bei der PDS auf. Auch hier verschwieg er seine dunkelbraune Biografie. In letzer Minute strich die PDS-Ortsgruppe ihn von der offenen Kandidatenliste zur Gemeinderatswahl. (Neues Deutschland und Berliner Zeitung 19.09.2003, taz, 20.09.2003). Die taz schrieb:
Für die PDS-Kreisvorsitzende Karin Weber war Boldt lediglich ein „intellektuell begabter Mensch“, der sich in der Feuerwehr und im Fußballverein engagiert. Erst durch eine lokale Antifa-Gruppe erfuhren die Genossen von der braunen Vergangenheit ihres Kandidaten.

Man muss natürlich jedem Menschen das Recht zugestehen, seine Meinung zu ändern. Auch steht niemand in der Pflicht, ein öffentliches Gewese darum zu machen oder sich als Berufs-Aussteiger von Lobby-Gruppen wie „Exit“ mit zweifelhaftem pädagogischen Nutzen herumreichen zu lassen. Man kann aber eine rassistische und antisemitische Ideologie nicht einfach ablegen wie eine gebrauchte Unterhose und so tun, als wäre da nichts gewesen oder von anderen verlangen, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Das ist unglaubwürdig.

Im Falle Boldts kommt noch hinzu, dass in seinem jetzigen Wohnort Halbe Gerüchte kursieren, dass er auch nach seinem „Ausstieg“ Kontakte in die rechte Szene pflegte, wenn auch, wie Michael Schnieke, stellvertretender Bürgermeister von Halbe sagt, vielleicht nur auf beruflicher Basis. Die Eltern seien jedoch in heller Aufregung gewesen, als man sich im Ort erzählte, Boldt würde Jugendliche um sich versammeln. Beweisen lässt sich das nicht – die Gerüchte zeigen aber, dass man in Halbe seit der merkwürdigen Kandidatenkür sensibilisiert ist.

Ulli H. Boldt

Ich hätte Boldt gern gefragt, was er zu seinem „Ausstieg“ zu sagen hat. Ein Kontakt kam aber nicht zustande, trotz mehrmaliger Anrufe in seiner Kanzlei, trotz E-Mail und SMS. Das mag seine Gründe in der Vergangenheit haben: Wir kennen einander.

Im April 1996 (Quelle: CL-Netz, cl.antifa.diskussion, 27.3.-21.04.1996) war ich in der Krawall-Talkshow „Vera am Mittag“, zusammen mit Boldt und anderen Gästen. Die „Junge Welt“ schrieb am 03.04.1996 unter dem Titel „Talkshow auf SAT1 bietet Neonazis Forum“:
In dem heute von SATI ausgestrahlten Talkmagazin „Vera am Mittag“ ist zum Thema „Neonazis – Der Terror von Rechts“ neben der Hamburger
Journalistin Peggy Parnaß, dem Buchautor Burkhard Schröder und einer Mitinitiatorin einer antifaschistischen Initiative auch der Neonazi Uli Boldt geladen. Boldt gehörte zur inzwischen verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF), ist Vorsitzender der „Deutschen Kulturgemeinschaft“ und Betreiber des „Berliner Nationalen Infotelefon“. Ebenfalls eingeladen, um sogenanntes „Insiderwissen“ über die Neonaziszene zu vermitteln, wurden zwei angebliche Aussteiger, Peter Schulz, langjähriges Mitglied der NF aus Bad Oeynhausen, und Oliver Kulik, ehemals wichtigster Nazikader aus Berlin. Letzterer hatte im Frühjahr 1995 vergebens versucht, der JW einen Text über seinen fingierten Ausstieg zu verkaufen.

Heute hat der Ex-Nazi Boldt offenbar im Berliner Maximal Club ein anderes Forum gefunden – die Mitglieder können „in direkten Kontakt treten mit wichtigen Entscheidern aus Politik und Wirtschaft“. Das kann man auch verlangen, wenn der Jahresbeitrag 1500 Euro beträgt. „Gute Gesellschaft“ ist eben nicht umsonst zu haben.