Dem Volke dienen – In Memorian Christian Semler

KPD

Der Genosse Christian Semler ist am 13. Februar 2013 gestorben. Ja, ich meine die Anrede nicht ironisch, sondern ganz ernst.

Semler hat mich in den siebziger Jahren stark beeinfluss, obwohl ich ihm damals nie persönlich begegnet bin. Das geschah erst Ende der Neunziger, als wir beide über einen Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit abgeklärt schmunzeln konnten. Christian besuchte damals mit der taz-Redaktion eines meiner Seminare an der Berliner Journalisten-Schule über „Recherche im Internet“. Ich begrüßte ihn grinsend mit „Großer Vorsitzender“, und er wusste gleich, was ich damit meinte: Er war in den siebziger Jahren Vorsitzender der maoistischen Kommunistischen Partei Deutschlands gewesen (zuerst KPD/AO, für „Aufbauorganisation“ – unsere Gegner sagten immer „A Null“ oder gleich „Kommunistische Partei Dahlems“), die auch die meine war, zwar nicht als Mitglied, aber als enger Sympathisant und gewählter Studentenvertreter an der FU Berlin (was auch sofort dazu führte, dass ich nicht mehr in die DDR einreisen durfte).

Ich habe nicht viel „Andenken“ aus der damaligen Zeit, außer ein paar Büchern, vor allem über China. Eine „Devotionalie“ habe ich Christian geschenkt: Ein Foto aus der damaligen Parteizeitung „Die Rote Fahne“, das ihn zeigt, wie er auf seiner Reise in die Volksrepublik China irgendeiner Bauersfrau die Hand schüttelt.

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Das obige Foto ist ebenfalls aus der „Roten Fahne“, auf der Rückseite habe ich noch einen Text Christian Semlers aus der damaligen Zeit gefunden. ja, die an China orientierten Kommunisten waren schon in den siebziger Jahren für die Wiedervereinigung. Das machte sie in der DDR besonders verhasst.

Um das zu konterkarieren, muss man unbedingt seinen Artikel „Das Elend linker Immunisierungsversuche aus dem TAZ-Magazin vom 30.05.1998 lesen:
Tatsächlich haben uns die Widersprüche des Kapitalismus nicht den Gefallen getan, sich zusammen mit den untergegangenen sozialistischen Regimen zu verabschieden. Aber eine gesellschaftliche Alternative muß neu begründet werden. 70 Jahre Realsozialismus haben theoretisch und praktisch die „Beweislast“ zwar nicht umgekehrt, aber neu verteilt – hinsichtlich der ökonomischen „Machbarkeit“, mehr aber noch im Hinblick auf die Sicherung von Demokratie und Menschenrechten.

Knapper, aber noch treffender ist sein Statement über die Zeit der maoistischen Politsekten: „Ich bin froh, dass wir nie die Macht in den Händen hatten – es wäre schlimm ausgegangen.“ Da kann ich ihm nur beipflichten.

Bascha Mika schreibt über Christian Semler: „Ein Linker, der seinen Standpunkt ständig überprüft, wägt und reflektiert. Der sich leidenschaftlich einem aufklärerischen Ethos verpflichtet sieht. Der den eigenen politischen Weg kritisch betrachtet und daraus Konsequenzen zieht. Ohne jemals abzuschwören.“